Mujinga Kambundji ist die Tochter einer Bernerin und eines Kongolesen. «Ich glaube es ist das Unkomplizierte», antwortet Mujinga auf die Frage, was denn afrikanisch sei an ihr gegenüber SRF 3. «Nicht, dass alle Schweizer kompliziert sind. Die Afrikaner machen sich das Leben manchmal einfach etwas einfacher. Bei mir muss nicht alles immer durchgeplant sein.»
Vater Safuka zog mehrere Jahre vor Mujingas Geburt als Student nach Bern, wo er Mujingas Mutter Ruth kennenlernte.
Die Eltern waren keine Athleten, aber haben offensichtlich gute Sportlergene. Neben Mujinga gilt auch ihre 17-jährige Schwester Ditaji als grosses Leichtathletiktalent. «Ditaji ist vielleicht das grösste Talent von allen vier Schwestern», sagt Mujingas ehemaliger Trainer Jacques Cordey gegenüber der «Schweizer Illustrierten».
Die schnellste Frau der Schweiz hat es im Alltag lieber gemütlich. «Neben der Bahn bin ich tatsächlich eine typische, langsame Bernerin», erzählt Kambundji. Sie laufe langsam, habe jeweils lange, um sich am Morgen bereit zu machen und nehme jeweils zuhause immer den Lift, weil sie keine Lust habe, Treppen zu steigen.
Im Alter von sieben Jahren rannte Mujinga Kambundji ihr erstes Rennen in der Schule. Damals trat sie oft noch Barfuss an, weil ihr die Schuhe zu schwer vorkamen. Mehrmals gewann sie den Titel «ds schnällschte Bärner Modi». Und in der Schule rannte sie sogar schneller als die Knaben.
2002 nahm die Bronzegewinnerin am Migros Sprint teil und wurde «nur» Zweite. «Das hat mir gestunken», erklärt Kambundji. Danach habe sie das ganze Jahr hart trainiert und sei mit dem Velo einen steilen Hang hinauf ins Training gefahren, alles damit sie ihre eine Gegnerin beim nächsten Mal schlagen konnte.
Mittlerweile kann sich die 27-Jährige auch mit Spaziergängen in den Bergen anfreunden. Als Kind war sie dafür aber gar nicht zu begeistern. Wandern oder spazieren? Nein, die kleine Mujinga wollte rennen, schnell rennen. Sie war also schon als Kind eine Sprinterin durch und durch.
Zurücklehnen und geniessen: Der WM-Bronze-Lauf von @MKambundji über 200 m. Film ab! 🇨🇭🥉😃 #srfLA #doha2019 #worldathleticschamps #LeichtathletikWM @SwissAthletics pic.twitter.com/GvfgKZpk7S
— SRF Sport (@srfsport) 2. Oktober 2019
Kambundji hat aber nicht immer nur Sprints ausgeübt. Auf der Webseite des internationalen Leichtathletikverbands ist auch der Weitsprung als Disziplin vermerkt. Die persönliche Bestweite des heutigen Sprintstars liegt bei 5,5 Metern. Der Schweizer Rekord von Irene Pusterla liegt bei 6,84 Metern.
2011, im Alter von nur 19 Jahren rannte Kambundji zum ersten Mal in ihrer Karriere Schweizer Rekord. Sie verbesserte die nationale Bestzeit über 100 Meter auf 11,53 Sekunden. Mittlerweile liegt der Rekord noch weiter unten und es sind noch weitere Schweizer Rekorde dazugekommen. Die Bernerin ist auch die schnellste Schweizerin über 200 Meter und hält die landesweite Bestmarke auch mit der 4x100-Meter- und der 4x200-Meter-Staffel.
Mittlerweile hat die Bernerin den Schweizer Rekord über 100 Meter noch tiefer gebracht. Kambundji war die erste Schweizerin der Geschichte, die diese Distanz in weniger als elf Sekunden absolvierte (10,95). Sie ist die erste Person aus der Schweiz, die es in einen WM-Final in einer Sprint-Disziplin schaffte. Und natürlich ist auch eine Sprint-Medaille eine Schweizer Premiere.
Obwohl Kambundji schon Rekorde und Medaillen innehat, ist sie sich sicher, dass es noch schneller geht: «Vom Gefühl her glaube ich, ich kann noch besser laufen als meine 10,95 Sekunden», sagte sie im März gegenüber dem Schweizer Radio SRF.
Das letzte Jahr war turbulent für Mujinga Kambundji. Zuerst trennte sie sich von ihrem langjährigen Trainer Valerij Bauer. Doch auch die folgende Zusammenarbeit mit Henk Kraajienhof war nicht von Erfolg gekrönt und dauerte nur wenige Wochen. In der Folge liess sie sich wieder von ihrem Jugend-Coach Jacques Cordey und Adrian Rothenbühler beraten. Mittlerweil hat sie sich aber der Trainingsgruppe des Schotten Steve Fudge angeschlossen.
Dass ihre Trainingsbasis ausserhalb der Schweiz (früher Deutschland und Holland, jetzt England) liegt, begründet die Bernerin mit der Infrastruktur: «Es gibt in der Schweiz keine richtige Leichtathletik-Halle. Magglingen ist ok, aber sonst fehlt es einfach an Möglichkeiten. Es kann doch nicht sein, dass wir im Winter draussen im Schnee trainieren müssen», klagt die 27-Jährige.
Ausgerechnet an den Heim-Europameisterschaften in Zürich erlebte die Sprint-Königin eines ihrer grössten Missgeschicke. Beim Start im Final der 4x100-Meter-Staffel flog ihr der Stab aus der Hand und die Schweiz wurde disqualifiziert.
Kambundji hat auch schon mit dem Schweizer Fussballnationalteam der Frauen trainiert. Allerdings war es Sie, die den Fussballerinnen eine Sprintlektion erteilt hat. Anders herum hätte es keinen Sinn gehabt, denn der WM-Medaillengewinnerin fehlt es nach eigenen Angaben mit dem Ball am Fuss an Talent.
Die Bernerin setzt in ihrem Leben nicht nur auf die Sparte Sport. Neben ihren Auftritten auf der ganzen Welt absolviert sie auch noch ein Wirtschaftsstudium.
Selbstinszenierung und das Aussehen haben bei Sprintern und Sprinterinnen einen hohen Stellenwert. Auch bei Mujinga Kambundji. Sie sagt: «Grosse Rennen sind wichtige Tage in unserem Leben, wie beispielsweise Vorstellungsgespräche bei anderen Menschen. Da präsentiere ich mich gerne von meiner besten Seite. Wenn ich mich gut und schön fühle, laufe ich auch schneller.»
Mujinga Kambundji ist Botschafterin des Schweizerischen Roten Kreuzes. Für die Hilfsorganisation besucht sie regelmässig diverse Hilfsprojekte.