Hat es so etwas schon einmal gegeben? Da kommt ein 22-jähriger Fussballer, der es als Profi auf bescheidene fünf Pflichtspiele gebracht hat, nach Lausanne und wird bei seiner Vorstellung gleich von einer Medienmeute umzingelt. Das ist wohl nur möglich, wenn man Zidane heisst und der Sohn des berühmten Zinedine ist.
Dass Enzo den Weg in die Fussballprovinz gefunden hat, ist Trainer Fabio Celestini zu verdanken und ein kleines Antrittsgeschenk an Ineos, den neuen Besitzer von Lausanne-Sport.
Ein Zidane auf der Pontaise! Viele Augen werden auf den jungen Mann gerichtet sein und die Fans sich fragen, ob auch er diese tollen Pirouetten beherrsche, die zum Markenzeichen des Papas geworden sind. Als Enzo noch klein war und in Madrid lebte, ging er in die gleiche Schule wie der Sohn von Celestini. Dieser war damals Profi bei Getafe, und zwischen den beiden benachbarten Familien entstand eine Freundschaft.
Dass der älteste von Zidanes vier Söhnen viele Jahre später einmal in der Schweiz fussballerisch unter die Fittiche von Celestini kommen würde, war damals natürlich nicht abzusehen. Denn Enzo, der schon als Vierjähriger in der Kinderabteilung von Juventus Turin gekickt hatte, sollte einmal in die Fussstapfen seines Vaters treten.
Als dieser dann Italien verliess und sich Real Madrid anschloss, wurde Enzo in der Akademie von Real Madrid ausgebildet. Er war ein Talent und stieg schon früh in die zweite Mannschaft auf, die von seinem Vater trainiert wurde. «Ich war mit Enzo viel strenger als mit den anderen Spielern», sagte er später einmal.
Als Enzo 16 Jahre alt war, durfte er bereits bei den Profis reinschnuppern. José Mourinho war der Trainer und Kaka und Cristiano Ronaldo waren die grossen Stars. Augenzeugen bemängelten zwar, der junge Zidane habe seine Trainingshose eindeutig zu hoch hinaufgezogen, sie attestierten ihm aber viel Ballgefühl – ganz der Papa eben. Dieser sass stolz auf der Tribüne und sagte: «Wenn ich Enzo zuschaue, dann sehe ich mich.»
Damit schürte er die Hoffnung, sein Filius würde tatsächlich auch einmal ein ganz Grosser werden. Als Zidane dann im Januar 2016 Trainer der ersten Mannschaft wurde, berief er seinen Sohn ins Kader. Dieser musste dann jedoch bis Ende November auf sein Debüt warten. Beim 6:1 im Cupspiel gegen die Unterklassigen von Cultural Leonesa gelang ihm als Einwechselspieler aber gleich ein Tor. Doch zu mehr sollte es nicht reichen. Er schaffte es nicht, in der Liga auch nur eine Minute lang das Real-Trikot zu tragen.
Im vergangenen Sommer dann wurde klar, dass es für Enzo keine Zukunft bei den Königlichen gibt, und der Mittelfeldspieler wechselte mit einem Dreijahresvertrag zum baskischen Erstligisten Alavés. Doch selbst bei diesem Klub aus der hinteren Tabellenregion schaffte er den Durchbruch nicht, lediglich 71 Spielminuten in zwei Ligaeinsätzen wurden ihm zugestanden. Ende Jahr war auch hier Schluss, wurde sein Vertrag aufgelöst.
Geht es Enzo gleich wie so manchen, deren Väter grosse Fussballer waren? Wie dem jungen Pelé, dem jungen Maradona und dem jungen Stephan Beckenbauer, den es sogar für eine Saison nach Grenchen verschlagen hatte? Viele sind an den immensen Erwartungen zerbrochen.
Während seine drei Brüder noch immer im Nachwuchs von Real engagiert sind, versucht Enzo jetzt in Lausanne, mit einem Dreijahresvertrag, seine Laufbahn zu lancieren. Vielleicht ist es bereits seine letzte Chance, im Profifussball Fuss zu fassen.
Er spielt mit der Nummer 21, die sein Vater einst bei Juventus getragen hatte. Auf dem Rücken aber steht nicht Zidane, sondern Enzo. Auf diesen Namen war er einst getauft worden, weil sein Vater ein riesiger Fan von Enzo Francescoli gewesen war, dem grossen Spielmacher aus Uruguay. «Ich will einfach wieder auf dem Platz stehen und Freude am Fussball haben», sagte Enzo nach seiner Ankunft im Waadtland. Viel mehr sagte er nicht; es heisst, er sei ziemlich schüchtern.
Überhaupt gibt er vorderhand keine Interviews. Der Pressechef sagt, Enzo wolle sich erst einmal einleben. Dafür redet Celestini. Und zwar seinen Neuen stark: «Durch ihn gewinnen wir technische Qualität im Mittelfeld. Was mir besonders gefällt, ist seine fantastische erste Ballberührung. Er hat Fantasie und Kreativität.»
Wer Enzo allerdings beim Testspiel in Thun gesehen hat, wusste zu berichten, dass er mit dem Pressing der Berner Oberländer nicht zurechtgekommen sei und viele Bälle verloren habe. Nur wenn er Raum und Zeit bekommen habe, sei sein feines Füsschen zur Geltung gekommen.» Der Lausanner Mitspieler Joël Geissmann bestätigt: «Er ist technisch begabt, eine klassische Nummer 10 eben.» Der Aargauer bescheinigt Enzo, ein Mitspieler frei von jeglichen Starallüren zu sein. «Er ist bescheiden und zurückhaltend. Aber auch sein Vater war ja bekannt dafür, ein Schweiger zu sein.»
Morgen Samstagabend besteht erstmals Gelegenheit, dem jungen Zidane auf die Füsse zu schauen. Er wird in der Luzerner Swissporarena in der Lausanner Startformation erwartet