Am 14. November könnte die Zukunft des Schweizer Eishockeys begraben werden, könnten die Fortschritte aus den letzten Jahren mit einem Mal zerstört werden. Dann stimmen die Klubs darüber ab, ob in der National League bei jeder Mannschaft künftig sechs ausländische Spieler pro Partie erlaubt sein sollen.
Es wäre der grösste Fehler der Schweizer Eishockey-Geschichte in der Neuzeit.
Die Köpfe hinter dieser Schnapsidee sind SCB-CEO Marc Lüthi und HCD-Präsident Gaudenz Domenig gemeinsam mit seinem CEO Marc Gianola. Auch Genf und Lausanne unterstützen den Vorschlag. Doch die Argumente der Unterstützer sind fadenscheinig. Bei genauer Betrachtung wird klar, dass die Klub-Bosse nur die kurzfristige Lösung eigener Probleme im Sinn haben.
Lüthis Hauptargument lautet:
Das ist eine faule Ausrede. Lüthi versteckt den wahren Grund, warum er mehr Ausländer will: Er muss beim SCB Leonardo Genoni ersetzen. In der Schweiz gibt es dafür im Moment keinen adäquaten Ersatz, der nicht schon woanders unter Vertrag steht. Also muss ein ausländischer Torhüter her.
Nur: Mit einem ausländischen Torhüter könnte Bern nur noch drei Söldner als Feldspieler einsetzen. Deshalb ersucht der SCB-Geschäftsführer eine Erhöhung des Kontingents.
Vor dem wahren Problem verschliesst Lüthi seine Augen: Der SCB (und viele andere Klubs) vernachlässigen die Juniorenförderung. Man kann sich nicht über den schlechten Schweizer Spielermarkt beklagen und selbst so wenig für eine Verbesserung ebendieses Marktes tun. Die Klubs sollten lieber dort Geld investieren – in Trainer und Trainingsmöglichkeiten – als in zusätzliche Ausländer.
In Schweden wandern jährlich mehr Spieler nach Nordamerika ab, als die Schweiz gesamthaft dort hat. Dennoch denkt dort niemand darüber nach, mehr Söldner in die heimische Liga zu lassen. Denn in Schweden (und auch in Finnland) setzt man konsequent auf den eigenen Nachwuchs. Spieler zwischen 16 und 20 Jahren kommen regelmässig in den höchsten Ligen zum Einsatz, teilweise auch in tragenden Rollen.
Und damit wären wir beim nächsten Argument der Befürworter:
Warum fordert Davos mehr Ausländer? Ganz einfach: Der HCD ist momentan in einer schwierigen sportlichen Situation und muss künftig wohl auch auf einen ausländischen Torhüter setzen. Daher der Wunsch nach mehr Söldnern.
Gianolas Argument stimmt. Dafür sollten die Junioren aber auch entsprechend eingesetzt werden. In den vorderen Linien und in Über- wie auch in Unterzahl und nicht «zusammengepfercht» im vierten Block mit fünf Minuten Eiszeit pro Spiel.
Wenn dann neuerdings sechs Ausländer eingesetzt werden dürften, hätte es noch weniger Platz im Kader, geschweige denn in den Top-Linien. Junge Spieler würden erst recht auf der Strecke bleiben und die Lage auf dem Schweizer Spielermarkt würde sich weiter verschärfen.
Damit würden die Preise für mittelmässige bis gute Schweizer Spieler weiter steigen. Doch die Befürworter von Lüthis Idee erhoffen sich genau das Gegenteil. Denn ein weiteres vielgenanntes Argument lautet:
Mal abgesehen davon, dass Marc Gianola bei MySports bereits zugegeben hat, dass die Löhne dadurch langfristig kaum sinken werden, ist es äusserst blauäugig, zu glauben, dass für die zusätzlichen zwei Ausländerpositionen irgendwelche Hinterbänkler geholt werden.
Bei den Klubs steht der kurzfristige sportliche Erfolg im Vordergrund. Sie würden alle Ausländerpositionen mit den bestmöglichen Spielern besetzen wollen. Auch wenn Marc Lüthi behauptet, beim SC Bern sei das aus Budgetgründen gar nicht möglich.
Und auch das nächste Argument ist hinfällig:
Auch das ist eine faule Ausrede: Mehr Söldner ändern nichts an der finanziellen Situation der Teams in der Liga. Finanzstarke Mannschaften wie Lugano, Lausanne, Bern oder der ZSC könnten sich weiterhin die besten Ausländer leisten, während finanzschwache Teams wie Ambri oder Langnau das Nachsehen hätten.
Die langfristigen Auswirkungen dieser Abstimmung auf das nationale Eishockey sind Lüthi und Domenig anscheinend egal. Doch es wäre schön (obwohl unrealistisch), wenn sie wenigstens ihre wahren Beweggründe bekanntmachen und mit den faulen Ausreden aufhören würden.
Bleibt zu hoffen, dass die Stimmen der Vernunft – unter anderem Fribourg-CEO Raphael Berger und Biels Geschäftsführer Daniel Villard, die sich lautstark gegen den Vorschlag wehren – obsiegen.