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Warum 6 Ausländer in der National League ein grosser Fehler wären

Gaudenz Domenig und Marc Lüthi dürfen das Schweizer Eishockey nicht begraben. 
Gaudenz Domenig und Marc Lüthi dürfen das Schweizer Eishockey nicht begraben. Bild: keystone, shutterstock, watson
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Liebe Klub-Bosse, hört auf mit den faulen Ausreden

Der Ruf nach einer Erhöhung des Ausländerkontingents in der National League wird lauter. SCB-CEO Marc Lüthi und HCD-Präsident Gaudenz Domenig sind dabei federführend. Doch die ins Spiel gebrachten Gründe sind nichts als faule Ausreden. 
23.10.2018, 09:1823.10.2018, 19:18
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Am 14. November könnte die Zukunft des Schweizer Eishockeys begraben werden, könnten die Fortschritte aus den letzten Jahren mit einem Mal zerstört werden. Dann stimmen die Klubs darüber ab, ob in der National League bei jeder Mannschaft künftig sechs ausländische Spieler pro Partie erlaubt sein sollen.

Es wäre der grösste Fehler der Schweizer Eishockey-Geschichte in der Neuzeit.

Die Köpfe hinter dieser Schnapsidee sind SCB-CEO Marc Lüthi und HCD-Präsident Gaudenz Domenig gemeinsam mit seinem CEO Marc Gianola. Auch Genf und Lausanne unterstützen den Vorschlag. Doch die Argumente der Unterstützer sind fadenscheinig. Bei genauer Betrachtung wird klar, dass die Klub-Bosse nur die kurzfristige Lösung eigener Probleme im Sinn haben.

Lüthis Hauptargument lautet:

«Wir haben 28 Schweizer Spieler in Nordamerika, der Markt hier ist zu klein für 12 National-League-Teams.»

Das ist eine faule Ausrede. Lüthi versteckt den wahren Grund, warum er mehr Ausländer will: Er muss beim SCB Leonardo Genoni ersetzen. In der Schweiz gibt es dafür im Moment keinen adäquaten Ersatz, der nicht schon woanders unter Vertrag steht. Also muss ein ausländischer Torhüter her.

Nur: Mit einem ausländischen Torhüter könnte Bern nur noch drei Söldner als Feldspieler einsetzen. Deshalb ersucht der SCB-Geschäftsführer eine Erhöhung des Kontingents.

So viele aktuelle National-League-Spieler bildeten die Klubs aus:

80 Spieler, die im Moment bei einem NL-Team im Kader stehen, wurden im Ausland ausgebildet. 
80 Spieler, die im Moment bei einem NL-Team im Kader stehen, wurden im Ausland ausgebildet. daten: eliteprospects.com; Bild: watson, infogr.am

Vor dem wahren Problem verschliesst Lüthi seine Augen: Der SCB (und viele andere Klubs) vernachlässigen die Juniorenförderung. Man kann sich nicht über den schlechten Schweizer Spielermarkt beklagen und selbst so wenig für eine Verbesserung ebendieses Marktes tun. Die Klubs sollten lieber dort Geld investieren – in Trainer und Trainingsmöglichkeiten – als in zusätzliche Ausländer. 

In Schweden wandern jährlich mehr Spieler nach Nordamerika ab, als die Schweiz gesamthaft dort hat. Dennoch denkt dort niemand darüber nach, mehr Söldner in die heimische Liga zu lassen. Denn in Schweden (und auch in Finnland) setzt man konsequent auf den eigenen Nachwuchs. Spieler zwischen 16 und 20 Jahren kommen regelmässig in den höchsten Ligen zum Einsatz, teilweise auch in tragenden Rollen.

Und damit wären wir beim nächsten Argument der Befürworter:

«Damit sich junge Spieler entwickeln können, muss auch das Spiel auf gutem Niveau sein. Mit mehr Ausländern wird auch das Niveau besser.»
Marc Gianola während einer Livesendung bei «MySports».

Warum fordert Davos mehr Ausländer? Ganz einfach: Der HCD ist momentan in einer schwierigen sportlichen Situation und muss künftig wohl auch auf einen ausländischen Torhüter setzen. Daher der Wunsch nach mehr Söldnern.

U20-Spieler mit mehr als sieben Minuten Eiszeit pro Spiel:

Ambri, Bern, Davos, Genf, Fribourg und Rapperswil setzen keinen U20-Spieler regelmässig mit mehr als sieben Minuten Eiszeit pro Spiel ein.
Ambri, Bern, Davos, Genf, Fribourg und Rapperswil setzen keinen U20-Spieler regelmässig mit mehr als sieben Minuten Eiszeit pro Spiel ein.quelle: sihf.ch, eliteprospects,com; Bild: watson, infogr.am

Gianolas Argument stimmt. Dafür sollten die Junioren aber auch entsprechend eingesetzt werden. In den vorderen Linien und in Über- wie auch in Unterzahl und nicht «zusammengepfercht» im vierten Block mit fünf Minuten Eiszeit pro Spiel.

Wenn dann neuerdings sechs Ausländer eingesetzt werden dürften, hätte es noch weniger Platz im Kader, geschweige denn in den Top-Linien. Junge Spieler würden erst recht auf der Strecke bleiben und die Lage auf dem Schweizer Spielermarkt würde sich weiter verschärfen.

Damit würden die Preise für mittelmässige bis gute Schweizer Spieler weiter steigen. Doch die Befürworter von Lüthis Idee erhoffen sich genau das Gegenteil. Denn ein weiteres vielgenanntes Argument lautet: 

«Mit sechs Ausländern pro Team sässen wir am längeren Hebel und könnten die Lohnvorstellungen der Schweizer Spieler kontern. Kein Klub wird sechs Topausländer einsetzen können.»
Marc Lüthi.

Mal abgesehen davon, dass Marc Gianola bei MySports bereits zugegeben hat, dass die Löhne dadurch langfristig kaum sinken werden, ist es äusserst blauäugig, zu glauben, dass für die zusätzlichen zwei Ausländerpositionen irgendwelche Hinterbänkler geholt werden. 

Designated OC president Marc Gianola is pictured during the game between Switzerland's HC Lugano and Finland's Jokerit Helsinki, at the 89th Spengler Cup ice hockey tournament in Davos, Swit ...
Marc Gianola widerspricht Marc Lüthi, obwohl er dessen Idee unterstützt. Bild: SPENGLER CUP

Bei den Klubs steht der kurzfristige sportliche Erfolg im Vordergrund. Sie würden alle Ausländerpositionen mit den bestmöglichen Spielern besetzen wollen. Auch wenn Marc Lüthi behauptet, beim SC Bern sei das aus Budgetgründen gar nicht möglich.

Und auch das nächste Argument ist hinfällig:

«In den letzten Jahren haben nur vier verschiedene Teams den Titel geholt. Mehr Ausländer würden die Liga ausgeglichener machen.»
Chris McSorley

Auch das ist eine faule Ausrede: Mehr Söldner ändern nichts an der finanziellen Situation der Teams in der Liga. Finanzstarke Mannschaften wie Lugano, Lausanne, Bern oder der ZSC könnten sich weiterhin die besten Ausländer leisten, während finanzschwache Teams wie Ambri oder Langnau das Nachsehen hätten.

Die langfristigen Auswirkungen dieser Abstimmung auf das nationale Eishockey sind Lüthi und Domenig anscheinend egal. Doch es wäre schön (obwohl unrealistisch), wenn sie wenigstens ihre wahren Beweggründe bekanntmachen und mit den faulen Ausreden aufhören würden.

Bleibt zu hoffen, dass die Stimmen der Vernunft – unter anderem Fribourg-CEO Raphael Berger und Biels Geschäftsführer Daniel Villard, die sich lautstark gegen den Vorschlag wehren – obsiegen. 

Wenn Hockeyspieler im Büro arbeiten würden

Video: Angelina Graf

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116 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Steven86
23.10.2018 09:30registriert März 2016
Danke für den Bericht. Ich sehe es genau gleich. Die Schweizer Spieler werden nicht Billiger und die Jungen haben das Nachsehen. Vor allem Zahlt man dann für Durchschnittliche Ausländer viel Geld. Lieber ein Schweizer Junge der sich noch Entwickeln kann.
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miarkei
23.10.2018 09:27registriert März 2017
Vielen Dank für den Artikel. Ich muss zustimmen, es wäre fatal für das Schweizer Eishockey mehr Ausländer zu erlauben. Man sollte, dass Geld besser in die Juniorenförderung investieren, sonst sehen wir bald an der WM die B-Stufe. Hat nicht sogar ein NHL-Scout gesagt, unsere akutellen U16-18 Jahrgänge halten nicht mit den Spitzennationen mit?
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Sloping
23.10.2018 13:41registriert Oktober 2014
Es wäre verheerend für die 2 grössten Problempositionen der Schweizer Spieler: Torhüter und Center. Mit 6 könnte neben einem ausländischen Torhüter, einem Verteidiger alle Centerpositionen besetzt werden. Das wäre für die Zukunft des Scheizer Eishockeys eine Katastrophe. Dazu die Frage der NLB: Mit 6 müsste auch dort die Anzahl erhöht werden, wie sonst soll da noch jemand aufsteigen können, wenn er so viele nur für die Austiegsspiele engagieren müsste. Reine kurzfristige Interessenspolitik von Lüthi&Co ohne Weitsicht und Blick bezüglich der langfristigen Auswirkungen aufs Schweizer Eishockey.
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