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Champions League: Remo Freuler giggerig auf Duell Atalanta – Real Madrid

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Im Mittelfeld von Atalanta kaum wegzudenken: Remo Freuler.Bild: www.imago-images.de
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Atalantas Freuler: «Real ist der grosse Favorit. Aber wir müssen uns nirgends verstecken»

Kaum ein anderer Schweizer ist im europäischen Spitzensegment seit Jahren derart unumstritten wie Remo Freuler. Mit Atalanta Bergamo hat der Zürcher den Sprung auf die grosse Bühne geschafft. In Italien bietet Atalanta Woche für Woche Spektakel.
22.02.2021, 16:14
Sven Schoch / Keystone-SDA
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Der 28-jährige Mittelfeldspieler Remo Freuler ist an der erweiterten Serie-A-Spitze angekommen. Dass der Vize-Captain des italienischen Cup-Finalisten Atalanta im EM-Jahr im Fokus ambitionierter Klubs steht, ist keine Überraschung.

Neben dem Rasen hat sich die Lage im früheren Herd der Corona-Pandemie beruhigt. In der Lombardei sind die Cafés tagsüber wieder geöffnet. «Es hat sich einiges normalisiert, vergessen werden wir die Krise aber nie mehr», meldet Freuler aus Norditalien. Seit Anfang Jahr lebt er fast häufiger im Trainingszentrum als in der eigenen Wohnung. Atalanta ist an allen Wettbewerbsfronten aktiv. In einer ruhigen Minute und wenige Tage vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen Real Madrid vom Mittwoch nimmt sich Freuler Zeit, über eine weitere beeindruckende Saison zu sprechen.

Remo Freuler, es macht ganz den Anschein, dass Atalanta wiederum Grosses vor hat.
Remo Freuler:
Wir haben zumindest viele Optionen und sind weiterhin in allen Wettbewerben dabei. In der Coppa Italia sind wir Finalist gegen Juve. Das war bei uns ein grosses Ziel.

Gegen Lazio Rom endete das letzte Endspiel auf bittere Weise.
Das ist Geschichte. Wir haben uns innerhalb von drei Jahren zum zweiten Mal für einen Final qualifiziert. Würden wir den Titel holen, könnten wir Vereinsgeschichte schreiben. Das wäre ganz hoch einzustufen.

Remo Freuler
Geboren am 15. April 1992. Junior beim FC Hinwil und beim FC Winterthur. Stationen als Profi: GC, FC Winterthur, FC Luzern, seit 2016 Atalanta Bergamo. 21 Länderspiele.

In der Liga gab es das eine oder andere kleine Problem – warum?
Die vielen Spiele innerhalb kürzester Zeit – das ist schon eine neue Dimension. Seit dem 3. Januar haben wir fast alle drei, vier Tage gespielt. Das setzte uns etwas zu; gegen tiefer eingeschätzte Gegner büssten wir einige Punkte ein. Das grosse Bild hingegen stimmt, wir sind zufrieden.

Zum grossen Bild gehören die formidablen Auftritte in der Champions League.
Wir haben gegen die grossen Teams Chancen. Zunächst bezahlten wir Lehrgeld, dann aber realisierten wir, was alles zu schaffen ist. Real Madrid ist am Mittwoch der grosse Favorit. Aber wir müssen uns nirgends verstecken. Wir hatten bisher kein Glück, wir haben uns alles verdient.

Das 2:0 in Liverpool bestätigt Ihren Eindruck.
Das ist richtig, aber wir haben natürlich nicht vergessen, was im Heimspiel passiert ist. Wenn wir unser Potenzial nicht ausschöpfen, kann es gegen eine Mannschaft wie Liverpool sofort in die andere Richtung gehen und man kassiert fünf Treffer.

Was löst der Name Real Madrid aus?
Real ist Real. Wenn ich mir ein solches Duell vor ein paar Jahren ausgemalt hätte, wäre ich vermutlich als Träumer betitelt worden. Damals war ein Gegner dieser Preisklasse für mich unvorstellbar gewesen – ausser ich wäre in die spanische Liga gewechselt. Dass wir gegen sie nun in einem grossen Spiel antreten können, ist eine traumhafte Konstellation. Darauf haben wir alle, der ganze Verein, die Stadt, gewartet. Das hätte sich hier bis vor Kurzem niemand vorstellen können. Und nun treten wir mit breiter Brust und grossem Selbstvertrauen an.

Atalanta hat sich in den letzten vier Jahren an der erweiterten Spitze der Serie A festgesetzt. Der erwartete Ausverkauf ist ausgeblieben. Wie werten Sie die Entwicklung?
Der Verein ist in Italien mittlerweile hoch angesehen. Wir sind ein Top-Team, die Experten haben uns neben den Mailändern und Römern auf der Rechnung. Atalanta ist eine fixe Grösse. Zu wissen, dass ich dazu etwas Wichtiges beigetragen habe, ist natürlich schön. Wir sind auch in Europa nicht mehr der krasse Aussenseiter, wir haben uns diesen Respekt, dieses Standing erarbeitet und verdient.

Liverpool's Mohamed Salah, left, vies for the ball with Atalanta's Remo Freuler during the Champions League group D soccer match between Liverpool and Atalanta at Anfield stadium in Liverpoo ...
In der Königsklasse: Freuler im Zweikampf mit Liverpool-Star Mohamed Salah.Bild: keystone

Ihr persönlicher Marktwert ist ebenfalls exponentiell gestiegen. Sie tragen vereinzelt die Captain-Binde, ihr Wort hat Gewicht.
Ich bin Vize-Captain – das ist für mich eine Ehre. Und es erfüllt mich mit Stolz, jenen Verein, der mich gross machte, als Captain auf das Feld führen zu dürfen. Es ist wunderschön, dass ich bei einem erfolgreichen Klub eine solche Position einnehmen darf. In den letzten fünf Jahren habe ich eine Menge investiert. Die Verantwortlichen in Bergamo kennen und schätzen meine Berufseinstellung, sie wissen, mit wie viel Herzblut ich täglich arbeite.

Einer schätzt Sie besonders: Gian Piero Gasperini. Was verbindet Sie mit Ihrem Coach?
Er ist eine grosse Persönlichkeit. Er hat hohe Vorgaben und Ansprüche. Jeder Einzelne muss zuerst einmal den Nachweis erbringen, seinen Vorstellungen gerecht zu werden. Man muss ihm die Sicherheit bieten, in den grossen und wichtigen Momenten bereit zu sein. Er weiss genau, was er an mir hat, dass er immer auf mich zählen kann.

Bleibt der taktische Baumeister an Bord? Wird es gelingen, die umworbenen Schlüsselfiguren zu halten?
Eine absolute Gewissheit hat in diesem Geschäft keiner. So wie ich das Management von Atalanta kennen gelernt habe, werden die Entscheidungsträger einen guten Mittelweg finden. Der Kern der Gruppe dürfte zusammenbleiben.

Was haben Sie vor?
Mein Vertrag läuft weiter. Corona schränkt alle ein. Im Winter gab es kaum Transfers. Die Pandemie hat wirtschaftlich tiefe Furchen hinterlassen. In meinem Fall müsste ein Top-Angebot kommen, um einen Wechsel überhaupt in Erwägung zu ziehen. Ich liebe diese Stadt, ich fühle mich rundum wohl, mein Klub ist ambitioniert. Ich kenne jede Ecke, es fühlt sich wie mein zweites Zuhause an.

Haben die schlimmen Corona-Bilder und schwierigen Zustände im vergangenen Frühling in Bergamo etwas Grundlegendes verändert?
Was Bergamo durchgemacht hat, werden wir alle nie mehr vergessen. Die tragischen Geschichten haben sich ins Bewusstsein eingebrannt. Und der Respekt vor diesem Virus ist geblieben. Jeder hält sich strikt an die Vorgaben, jeder ist solidarisch, jeder trägt die Maske – ausnahmslos jeder.

Und irgendwann kehrt die Hoffnung vielleicht doch wieder zurück – und mit den Fans die Seele im Stadion?
Darauf warten wir alle sehnsüchtig. Mir fehlt das Publikum. Ich habe letzthin auf dem Instagram-Kanal von Atalanta Aufnahmen eines Spiels gegen Dortmund gesehen – das löst sofort Emotionen aus. Auf diese Momente fiebern wir alle hin.

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