Der EV Zug hat aufgerüstet. Doch neben den Transferhämmern von Grégory Hofmann, Leonardo Genoni oder Jan Kovar geht fast ein bisschen vergessen, dass sich auch Jérôme Bachofner den Zentralschweizern angeschlossen hat. Letztes Jahr schien er bei den ZSC Lions den Durchbruch geschafft zu haben, war zwischenzeitlich gar Topskorer des Teams. Dennoch suchte er sich in dieser Saison eine neue Herausforderung. Wir haben nach den Gründen gefragt.
Jérôme Bachofner, Sie haben mit dem ZSC eine Krisensaison hinter sich. Sind Sie froh, von dort weg zu sein und in Zug neu beginnen zu können?
Logisch, die letzte Saison mit Zürich war unglücklich. Aber der Wechsel hat nichts mit dem zu tun. Ich wollte eine neue Challenge und habe mich deshalb entschieden, den Klub zu verlassen. Da blicke ich nicht zurück und frage mich, was letztes Jahr war. Ich bin jetzt voll und ganz beim EV Zug.
Sie haben praktisch Ihre ganze Karriere in der ZSC-Organisation verbracht, standen auch schon mit Fans in der Kurve. Hat es geschmerzt, Ihre «Hockey-Heimat» zu verlassen?
Nicht wirklich. Also nachgetrauert habe ich der Vergangenheit sicher nicht. Es war einfach eine Umstellung, die vielen Jahre dort zurückzulassen und einen neuen Abschnitt zu beginnen. Aber das muss manchmal einfach sein.
Sie sind nicht der einzige junge, talentierte Zürcher, der die Lions diesen Sommer verlassen hat. Glauben Sie, das ist Zufall oder steckt da mehr dahinter?
Schwierige Frage ... da will ich eigentlich nicht zu viel darüber sagen.
Als Sie letzte Saison Topskorer waren, soll das angeblich nicht nur für gute Stimmung gesorgt haben ...
Nein, die Stimmung beim ZSC war ok. Natürlich gab es auch Differenzen, das ist normal. Wir haben einfach mit uns selbst gehadert und haben die richtige Spur die ganze Saison nicht gefunden. Aber eben: Das ist jetzt in der Vergangenheit. Die Gegenwart ist Zug.
Also gut. Warum sind Sie zum EVZ gewechselt?
Mich hat das «OYM»-Projekt («On Your Marks» – ein modernes Trainings- und Sportzentrum, das Anfang 2020 in Cham eröffnet wird, die Red.) in Zug extrem angesprochen. Es ist nicht nur für junge Spieler sondern auch für Erwachsene fördernd. Man kann sich dort sehr gut weiterbilden. Gleichzeitig spürte ich hier in Zug auch von den Coaches und vom Sportchef, dass sie mich wollen und auf mich zählen.
Haben die Sie Fans schon so richtig aufgenommen? Schliesslich kamen Sie von einem Rivalen.
Schwierig zu sagen. Aber als wir die Spielervorstellung hatten, wurde mein Name richtig laut gerufen. Auch bei der Autogrammstunde danach war das Interesse da. Ich glaube, meine Vergangenheit beim ZSC ist Geschichte.
Mussten Sie als Neuling ein Ritual durchmachen?
Nein, das musste ich nicht. Das machen hier eigentlich nur die jungen Spieler, die in der ersten Mannschaft zur Premiere kommen. Ich werde dem Team aber sicher noch mal etwas mitbringen. Kuchen oder Pizza nach dem Training oder so. Es darf einfach am nächsten Tag kein Match sein.
Sie haben zum ersten Mal so richtig den Klub gewechselt. Was war die grösste Herausforderung?
Wenn ich es aufs Hockey beziehe, war es eine gewisse Unsicherheit: Ich wusste nicht, wie das abläuft und was mich erwartet im neuen Team. Du musst all diese neuen Leute kennenlernen. Ich war am Anfang ziemlich nervös. Auf dem Eis musste ich ein neues System lernen. Das kommt aber Woche für Woche immer besser und wenn dich das Team so gut aufnimmt wie hier in Zug, macht es das noch einfacher.
Und neben dem Eis?
Da ging es um ganz alltägliche Dinge: Ich bin zuhause aus dem Elternhaus ausgezogen und muss nun erstmals einen Haushalt führen. Zu Beginn hatte ich kleinere Schwierigkeiten mit dem Waschen und all den Dingen, die eine solche Umstellung mit sich bringt. Aber mittlerweile habe ich mich gut eingelebt und kann auf eigenen Beinen stehen.
Sie haben mit Dan Tangnes auch einen neuen Trainer kennengelernt. Wie nehmen Sie ihn wahr?
Er ist kommunikativ sehr offen, macht gerne auch mal einen Witz und spricht mit dir über Alltägliches. Er weiss aber auch, wann es ernst gilt. Dann ist er sehr fokussiert. Ich finde das sehr gut, wie er diese Balance findet.
Ist seine Art vergleichbar mit den Coaches, die Sie bisher hatten oder ist er ein komplett anderer Typ?
Für mich ist er ehrlich gesagt ein komplett neuer Typ von Coach. Ich hatte das noch nie, dass ein Trainer auch mal einfach ein bisschen mit dir spricht und Scherze macht.
Welche Rolle erhoffen Sie sich in Zug?
Ich will sicher einen Stammplatz ergattern. Ich weiss, was ich kann und will jeden Tag mein bestes Hockey zeigen und so dem Team helfen.
Die Konkurrenz im Team ist hier nicht gerade geringer als beim ZSC.
Das ist so. Alle vier Linien sind super, es ist nicht einfach, sich durchzusetzen. Aber wenn alle am gleichen Strang ziehen, dann werden wir eine super Saison haben. Ich weiss, ich bin noch jung und noch nicht so lange dabei in der National League. Aber ich gebe mein Bestes. Die interne Konkurrenz pusht mich noch weiter, darum wollte ich auch zu einer Top-Adresse wechseln.
Was können Sie dem Team mit Ihrer Spielweise bringen?
Ich gehe dorthin, wo es wehtut. Ich stecke nicht zurück. Ich bin … wie soll ich es sagen … so ein bisschen ein «Arschloch-Spieler», den man als Gegner nicht gern hat. Aber ich kann sicher auch Tore schiessen und meine Offensiv-Qualitäten zeigen.
Sie haben sich in einem Champions-League-Spiel gegen Hämeenlinna mit dem finnischen Hünen Miro Karjalainen (200cm/103kg) einen Faustkampf geliefert. War das typisch Bachofner?
Nein, typisch Bachofner war das nicht. Ich war ziemlich überrascht von dieser Aktion, denn ich habe dort gar nichts gemacht. Als ich ihn festhielt hat er gleich dreingeschlagen. Eigentlich bin ich kein Schlägertyp, denn ich will mich nicht selbst durch solche Aktionen aus dem Spiel nehmen.
Der EVZ will sportlich erfolgreich, aber auch weiterhin ein Ausbildungsklub sein. Wie vertragen sich diese beiden Philosophien?
Das funktioniert sehr gut. Man sieht, dass es in der Swiss League starke Spieler hat, die unter einem guten Coach trainieren können. Das Team wird sie gut auf die National League vorbereiten, auch wenn dieser Schritt dann schwierig ist.
Nicht nur Sie, sondern auch Grégory Hofmann, Leonardo Genoni oder Jan Kovar spielen neu beim EVZ. Mit diesen Investitionen kann der Meistertitel das einzige Ziel der Mannschaft sein. Wie geht die Mannschaft mit dem Druck um?
Das hört man überall, dass mit all diesen neuen Spielern der Titel das einzige Ziel sein kann. Das ist sicher so, wir streben das auch an. Wir dürfen aber nicht tagtäglich am Meistertitel rumstudieren, sonst kommt das nicht gut. Das Wort fällt in der Garderobe noch überhaupt nicht.
Wie gross ist der Druck, den Sie sich selbst machen?Schliesslich müssen Sie die beste Saison Ihrer Karriere bestätigen.
Das ist sicher nicht einfach. Ich nehme es als tägliche Challenge. Ich weiss, dass ich nicht in jedem Spiel ein Tor mache. Aber ich kann auch gut spielen, wenn ich mal drei, vier oder fünf Spiele nicht treffe.
Sie haben also nie Zweifel.
Doch, ich beginne sicher zu zweifeln. Aber ich darf mich davon nicht kaputt machen lassen. Wie gesagt, man kann auch gut spielen, ohne dass man ein Tor schiesst. Und wenn wir Gesprächsbedarf haben, stehen die Türen beim Trainer immer offen oder wir können auch die Hilfe von Mentalcoaches beiziehen.
Letztes Jahr haben Sie auch Ihre ersten Länderspiele absolviert und waren diesen Sommer im Prospect Camp mit dabei. Ist die Heim-WM dieses Jahr ein realistisches Ziel für Sie oder denken Sie da gar nicht dran?
Man hat natürlich im Hinterkopf, dass die WM stattfindet. Und es ist selbstverständlich ein Traum von mir, daran teilzunehmen. Aber wir haben so viele gute Spieler hier in der Schweiz und auch in der NHL. Deshalb weiss ich, dass es sehr schwierig wird.