Janick Kamber, heute vor fünf Jahren haben Sie im Endspiel der U17-WM Nigeria mit 1:0 besiegt und sind Weltmeister geworden. Wie oft haben Sie sich das folgende Video schon angeschaut und was geht Ihnen bei diesen Bildern durch den Kopf?
Janick Kamber: Freude natürlich! Ich habe mir das Video dieses Jahr noch gar nicht angeschaut. Ich würde den Clip auch nie googeln oder so. Ausser am 15. November, am Jahrestag des Weltmeistertitels, da schaue ich mir die besten Szenen der WM immer nochmals an. Diese Bilder rufen schon sehr viele Emotionen hervor. Man merkt ja auch erst im Nachhinein, was man diesem Moment zu verdanken hat.
Gibt es eine Szene oder einen Moment, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Vielleicht der Schlusspfiff, aber sonst nein. Beim Charyl (Anm. d. Red.: Charyl Chappuis, spielt heute in Thailand) ist das ganz anders. Der könnte Ihnen noch heute aus dem Kopf einen Liveticker über das Finale schreiben. Der weiss noch haargenau, was in welcher Minute passiert ist.
Für den Fall, dass Sie auch vergessen haben, dass Sie dem Mario Götze mal um die Ohren geflitzt sind, wir haben ein Foto mitgebracht.
(lacht) Nein das habe ich sicher nicht vergessen! Dieses Foto habe ich sogar gross ausgedruckt und bei mir zu Hause an die Wand gehängt. Götze und Neymar waren schon damals herausragende Einzelspieler. Die beste Mannschaft aber, die waren wir.
Und in dieser einzigartigen Mannschaft waren Sie eine regelrechte Leaderfigur. Sie waren viel in den Medien und standen in allen Partien in der Startformation. Ausser gegen Brasilien, was war da los?
Nun ja, sagen wir es mal so: Meine Gesundheit hatte es nicht zugelassen.
Etwas Falsches gegessen?
Ja. Wir hatten ja eigentlich einen Koch dabei. Aber einmal haben wir einen Ausflug in die Schweizer Botschaft gemacht. Da wurde so etwas gekocht, nun ja ... Sie können es sich ja vorstellen. Ich glaube im Verlaufe des Turniers hatte jeder einzelne von uns mal Probleme mit der Verdauung.
Trotzdem hat es für den Titel gereicht. Hatten Sie übrigens auch von den Gerüchten gehört, dass der nigerianische Torhüter angeblich seine achte U-17-WM bestreitet?
Ja, davon haben wir auch Wind bekommen. Aber letzten Endes interessierte uns das nicht. Was soll man auch machen? Hauptsache, wir haben gewonnen.
Nach dem Titel wurde mächtig gefeiert. Wie war die Rückkehr in die Schweiz?
Das war ganz speziell. In meiner Heimatgemeinde Mümliswil haben sie extra ein Fest für mich organisiert. Die Schule und der Verein gaben mir eine Woche frei, dann ging es Schlag auf Schlag. Vor der WM versuchte ich gerade, Fuss in der U21 des FC Basel zu fassen. Ich wurde dort lediglich ein, zwei Mal eingewechselt, dank des Weltmeistertitels wurde ich aber sofort in die 1. Mannschaft geholt. Auf einmal sassen da Marco Streller und Alex Frei in der Garderobe.
Waren Sie da nicht ein wenig überrumpelt?
Ja, es war schon ein wenig verrückt. Die Erwartungen an mich waren innerhalb eines Monats extrem gestiegen. Aber ich hatte auch auf einmal eine ganz andere Erwartungshaltung gegenüber mir selber. Die Zeit in Basel hat mir aber sicher geholfen. Ich habe gelernt, was es heisst, Profi zu sein. In der Super League nützt Talent alleine nicht mehr viel. Die Jungs arbeiten extrem hart an sich.
War die Versuchung da nicht gross, die schulische Ausbildung über den Haufen zu werfen und alles auf eine Karte zu setzen?
Ja, die Verlockung war natürlich schon gross. Ich glaube aber, dass fast alle in unserem Team nach dem Titel die Ausbildung fortgesetzt haben. Ich habe mein KV-Lehre nach insgesamt vier Jahren abgeschlossen. Das war mir sehr wichtig.
Danach sind Sie zu Lausanne gewechselt. Granit Xhaka hingegen hat sich bei Basel durchsetzen können. War das kein Rückschritt?
Ich habe im Alter von 18 Jahren bei Lausanne 20 Super-League-Spiele in einer Saison absolviert. Das ist absolut in Ordnung. Granit Xhaka und auch Ricardo Rodriguez hatten damals schon eine ganz spezielle Ausstrahlung. Weil sie auch exzellent Fussball spielen können, haben sie es auch geschafft. Ich freue mich sehr für sie.
Haben sie eigentlich noch Kontakt zu den damaligen Teamkollegen?
Eigentlich nur, wenn wir gegeneinander spielen. Es sind ja auch alle Spieler bei einem anderen Team unter Vertrag und über ganz Europa verteilt.
Aber via Facebook, Twitter und Instagram bekommt man ja mit, was die Jungs so treiben, nicht?
Ich halte mich natürlich schon auf dem Laufenden, klar. Aber ich bin weder auf Facebook, noch auf Twitter oder auf Instagram aktiv. Ich habe Facebook vor beinahe einem Jahr deaktiviert und vermisse es überhaupt nicht.
Zurück zu Lausanne: Letztes Jahr im Sommer rissen Sie sich das Kreuzband. Wo würden Sie heute stehen, wäre diese Verletzung nicht gewesen?
Ja, das war im letzten Spiel der Saison gegen GC. Ich sass da im Letzigrund auf dem Rasen und dachte mir: «Hoffentlich ist es nichts Ernstes. Und was ist, wenn ich nicht mehr länger spielen kann?» Und tatsächlich, ich fiel sechs Monate aus und das kurz vor den Vertragsverhandlungen. So wollte mich natürlich kein Team ins Kader nehmen. Könnte sein, dass ich ohne Verletzung unterdessen bei einem Team in der Super League spielen würde. Vielleicht aber auch bei Lausanne in der Challenge League. Ich weiss es nicht.
Stammen von dieser schwierigen Zeit auch die vielen grauen Haare auf Ihrem Kopf?
Von meiner Verletzung stammt kein graues Haar, die hatte ich schon vorher zu genüge. Mein Coiffeur betont immer mal wieder mit einem Schmunzeln, das mache interessant.
Seit bald einem Jahr spielen Sie nun in der Challenge League beim Tabellenletzten FC Biel. Die Promotion League ist näher als die Super League. Glauben Sie persönlich dennoch an eine Rückkehr in die oberste Liga?
Ja, mittelfristig sehe ich mich als etablierten Super-League-Spieler. Der FC Biel ist ein guter Ausbildungsklub. Bei uns spielen zwei, drei Spieler, die nebst dem Fussball noch einer anderen Arbeit nachkommen. Ich fühle mich im Verein sehr wohl, doch mein Ziel bleibt die Super League.
Falls es mit der Fussballkarriere trotzdem nicht klappen sollte: Haben Sie einen Plan B?
Grundsätzlich denke ich gar nicht so weit. Ich bin noch jung, es ist noch alles möglich. Aber ich arbeite nebenbei zu 20 bis 40 Prozent in der Firma meines Vaters und kümmere mich um administrative Angelegenheiten. Insofern baue ich mir schon ein zweites Standbein auf. Dies vor allem auch im Hinblick auf die Zeit, wenn ich einmal zu alt fürs Fussballspielen bin. Aber eins muss ich festhalten: Ich werde nie bereuen, dass ich auf die Karte Fussball gesetzt habe. Was ich in meinem Alter schon alles erleben durfte, ist schlicht unglaublich!
Unglaublich war auch der folgende Moment. Was haben Sie gedacht, als sich diese Szene ereignet hatte?
Wow, ja das war der Wahnsinn! Es war so wichtig, dass wir dieses Tor noch erzielen konnten. Dass es eine Co-Produktion von meinen Ex-Teamkollegen Ricardo Rodriguez und Haris Seferovic war, bemerkte ich erst später.
Werden wir Janick Kamber an der WM 2018 ebenfalls im Trikot der A-Nationalmannschaft sehen?
(lacht) Wo ist die? In Russland? Und danach in Katar? Vielleicht warte ich besser bis ins Jahr 2026. Wobei, dann bin ich ja schon 34.