Vor eineinhalb Jahren kehrte Valentin Stocker von Hertha BSC zum FC Basel zurück. Die Erwartungen an den sechsfachen Meisterhelden waren gross, doch Stocker konnte sie nicht erfüllen. Ihm fehlten die Spritzigkeit und Schnelligkeit von früher, was sich auch aufs Selbstvertrauen auswirkte. «Verstockert», seufzten die Fans auf der Tribüne, wenn der Mittelfeldspieler mal wieder eine Grosschance vergab.
Gegen Eindhoven sahen die Fans nun aber wieder den alten Stocker: Topfit, aufsässig, zweikampfstark, wieselflink und mit dem Riecher für entscheidende Spielsituationen. So verwundert es nicht, dass der FCB-Antreiber am Ursprung beider Basler Tore steht. Vor dem 1:0 holt er clever und in typischer Stocker-Manier den Freistoss heraus, den Cömert wenig später ins Tor hämmert. Vor dem 2:1 spielt er eine Flanke geschickt in den Rücken, wo Ricky van Wolfswinkel schliesslich abstaubt.
Einen grossen Anteil an der Wiederauferstehung von Stocker hat Marcel Koller. Mit der Beförderung zum Captain schenkte der FCB-Trainer seinem Schützling das nötige Vertrauen, das dieser braucht, um wie einst als Jungspund den Unterschied machen zu können.
Das 1:2 gegen den FC St.Gallen nahm er auf seine Kappe: Sieben Stammspieler hatte Marcel Koller am Samstag geschont und so seiner Truppe etwas zu viel zugemutet. Doch die Niederlage nahm er in Kauf, damit seine wichtigsten Kräfte mit aufgeladenen Batterien ins Rückspiel gegen den PSV steigen konnten.
Auch bei der Aufstellung machte Koller alles richtig: Statt auf jugendlichen Esprit setzte er auf die Erfahrung der alten Garde. Taulant Xhaka, der in wichtigen Spielen oft über sich hinauswächst, liess der FCB-Trainer wie schon im Hinspiel auf der linken Aussenverteidiger-Position laufen, wo er den PSV-Flügeln Bruma und Hirving Lozano trotz Nachteilen beim Tempo immer wieder den Rang ablief.
Im Mittelfeld spielten Luca Zuffi, Fabian Frei und Eder Balanta fehlerfrei, vor allem der gelernte Innenverteidiger Balanta war bärenstark. Der 26-jährige Kolumbianer gewann fast jeden Zweikampf und leitete nach Balleroberungen immer wieder gefährliche Gegenstösse ein.
Kollers geschicktester Schachzug war es aber, Ricky van Wolfswinkel nicht vorzeitig auszuwechseln. Der holländische Stürmer vergab gegen seine Landsleute mehrere Topchancen und stapfte danach mit angekratztem Selbstvertrauen und hängendem Kopf über den Platz. Doch der FCB-Trainer liess ihn drin und wurde von seinem Stürmer, den Koller zum Flügel umfunktioniert hatte, in der 68. Minute mit dem entscheidenden 2:1 belohnt.
Nach Eindhoven reisten die FCB-Anhänger nicht mit, die Basler Fanszene boykottierte das Hinspiel wegen der Personalisierung der Tickets für Auswärtsfans. Die Mannschaft erklärte nach der unglücklichen 2:3-Niederlage in Holland, dass sie die Unterstützung der eigenen Anhänger vermisst habe. Wer sich nun Sorgen gemacht hat, dass die Stimmung wegen des angespannten Verhältnisses zwischen Fans und neuer Klubführung auch im Rückspiel nicht die beste sein könnte, wurde schnell eines besseren belehrt.
Von Beginn an herrschte im mit 29'216 Zuschauer gut besuchten St.Jakob-Park eine knisternde Atmosphäre, die bald an die legendären, magischen Basler Europacup-Nächte erinnerte. Die Fans peitschten ihre Mannschaft unentwegt nach vorne und weckten bei den Spielern die Emotionen, die es brauchte, um kämpferisch eine solche Leistung abrufen zu können.
WIR SIND IN 🇪🇺 - Dangge Jungs!!! #FCBasel1893 #zämmestark #zämmewyterko #rotblaulive pic.twitter.com/EvoOdvpGBD
— FC Basel 1893 (@FCBasel1893) July 30, 2019
Da die Schweiz in der UEFA-Fünfjahreswertung auf Rang 17 abgerutscht ist, ist natürlich jeder europäische Sieg Gold wert. Mit dem sicheren Erreichen der Europa-League-Gruppenphase und der weiterhin bestehenden Möglichkeit, in die Königsklasse einzuziehen, winken weitere Punkte für die Setzliste im Europacup.
Doch auch für die heimische Liga kann Basels Erfolg ein Segen sein. Dank gesicherten Einnahmen von rund 10 Millionen Euro herrscht finanziell eine gewisse Planungssicherheit, die angedrohten Spielerverkäufe von Albian Ajeti oder Noah Okafor sind deshalb nicht mehr zwingend. So kann Basel mit voller Kraft alles daran setzen, YB die neuerliche Titelverteidigung so schwer wie möglich zu machen.
Nach dem Coup gegen den PSV Eindhoven trifft der FCB in der 3. Qualifikationsrunde für die Champions League nun auf den LASK. Eine machbare Aufgabe – mit dem österreichischen Vizemeister aus Linz befindet man sich mindestens auf Augenhöhe. Trotz bescheidenen finanziellen Mitteln konnte der LASK dank offensivem und modernem Fussball zumindest einigermassen mit Serienmeister Red Bull Salzburg mithalten.
Nach dem Abgang von Erfolgstrainer OIiver Glasner (zu Wolfsburg) hat Ex-Bayern-Verteidiger Valérien Ismael das Team übernommen und gleich zu einem Auftaktsieg gegen Altach geführt. Die grosen Stars fehlen beim LASK: Rechtsaussen Thomas Goiginger ist mit einem Marktwert von 3 Millionen Euro der teuerste Spieler im Kader (Gesamtmarktwert: 21,73 Millionen Euro), der australische Nationalspieler James Holland der erfahrenste. Das grösste Potenzial hat wohl der von Salzburg ausgeliehene Ghanaer Samuel Tetteh.
Valérien Ismaël über @FCBasel1893
— LASK (@LASK_Official) July 30, 2019
„Basel ist eine sehr abgeklärte und physisch sehr starke Mannschaft, aber unser Team hat sich dieses Spiel mehr als verdient und wir brennen auf die Aufgabe. Natürlich sind wir Außenseiter, aber wir nehmen den Fight gegen sie gerne an!“ pic.twitter.com/EeZ3r3vRjy
Setzt sich der FCB gegen den LASK durch, warten auch in den CL-Playoffs keine unüberwindbaren Hürden. Gegen FK Krasnodar, Dynamo Kiew und den FC Brügge müssten sich die Basler trotz teils deutlich tieferem Gesamtmarktwert sicher nicht verstecken. Höchstens der FC Porto wäre möglicherweise eine Nummer zu gross.