Ciro Immobile, Lorenzo Insigne, Domenico Berardi – der Angriff der Italiener sorgt bereits beim Blick auf die Aufstellung für zitternde Abwehrreihen bei den Gegnern. Doch es war kein Angehöriger des Dreigestirns, der im EM-Spiel gegen die Schweiz zum Matchwinner wurde. Es war Manuel Locatelli, der unscheinbare Sechser vom italienischen Mittelfeldklub Sassuolo, der die Schweiz mit zwei Toren in die Bredouille brachte.
Locatelli ist kein Mann für die grossen Schlagzeilen, sein Privatleben hält er mehrheitlich aus den sozialen Medien raus. Star-Allüren sind beim 23-Jährigen nicht zu erkennen. Ein Grossteil seiner Bilder auf Instagram zeigen ihn auf dem Rasen, nur selten schleicht sich ein Post dazwischen, der ihn abseits des Fussballplatzes abbildet. Und wenn, dann posiert er mit seiner Verlobten Thessa, die seit vier Jahren an seiner Seite ist und der er die meisten seiner Tore widmet.
Diese bescheidene und unaufgeregte Art gehört auch als Spieler zu seinen Stärken. Locatelli ist nicht der auffällige Typ Mittelfeldspieler, von dem stets Torgefahr ausgeht. Bei Sassuolo erzielte er in 96 Ligaspielen sechs Tore. In der Nationalmannschaft wird er etwas offensiver eingesetzt und wie die Schweiz schmerzlich zu spüren bekam, weiss er die Räume zu nutzen, wenn sich ihm Chancen bieten. Doch selbst nach dem ersten Doppelpack seiner Karriere will er sich nicht in den Mittelpunkt rücken, lieber spricht er über den hervorragenden Assist von Domenico Berardi vor dem 1:0 und bedankt sich beim «fantastischen Team».
Der Italiener wurde in Lecco, nahe Bergamo, geboren und begann in der Jugend von Atalanta. Mit elf Jahren erkannten die Scouts von der AC Milan das Talent Locatellis und holten ihn zu den «Rossoneri». Dort kam er auch zu seinem Debüt in der Serie A, vermochte sich aber nie komplett durchzusetzen. Der Mittelfeldspieler wechselte 2018 zu Sassuolo, wo sein steiler Aufstieg begann.
Ab seiner zweiten Saison war Locatelli aus der Aufstellung des Serie-A-Klubs nicht mehr wegzudenken, im September 2020 durfte der Italiener ein erstes Mal für die Nationalmannschaft auflaufen. Auch dort hat er sich mit seiner fokussierten und schnörkellosen Spielweise einen Stammplatz erkämpft. Sassuolo-Trainer Roberto De Zerbi spricht in grossen Tönen über seinen Schützling: «Spieler wie Locatelli gibt es in Italien nur sehr selten.»
So hat er sich bereits vor der EM auf die Wunschzettel von internationalen Topklubs wie Juventus oder Borussia Dortmund gespielt. Nach seinen bisherigen Leistungen dürfte das Interesse noch grösser geworden sein. Mehrere Premier-League-Klubs wie Manchester City und Chelsea sollen Locatelli ebenfalls auf der Liste haben.
Das Objekt der Begierde selbst steht einem Wechsel nach drei Jahren bei Sassuolo offen gegenüber, wie er gegenüber dem «Corriere dello Sport» verlauten liess: «Ich fühle mich bereit für einen Topklub und auch ein Wechsel ins Ausland ist eine Option.» Während der EM wird sich Locatelli davon aber nicht ablenken lassen, zu gross sei der Stolz, sein Heimatland an einem grossen Turnier zu vertreten.
Das Vertrauen von Trainer Roberto Mancini hat er nach zwei Spielen bereits mehr als zurückgezahlt. Der «Man of the Match» hat einen grossen Anteil an der frühzeitigen Achtelfinal-Qualifikation der «Squadra Azzurra» und auch dort wird er mit seinen Pässen und seiner starken Defensivarbeit einer der Stützen des Teams sein. Transfer- und Vertragsverhandlungen können warten – erst einmal will Manuel Locatelli mit Italien an der EM hoch hinaus.
Esteban Cambiasso on Locatelli: 🗣️ "Two beautiful, important goals to go with a performance of real quality."#EURO2020 | #EUROSOTM | @Heineken pic.twitter.com/RiQI0NBFnk
— UEFA EURO 2020 (@EURO2020) June 16, 2021