84., 85., 88., 88., 90., 93. Das sind die Minutenzahlen, in denen die Schweiz heuer Gegentore erhielt gegen die Dänen (3:3), Portugal (1:3) und die Iren (1:1). Ist das noch Zufall? Inzwischen glauben auch die Gegner zu wissen, dass die Schweiz nicht über die gesamte Spieldauer stabil ist. Age Hareide, der Coach der Dänen, sagte: «Wir haben gewusst, dass sie irgendwann einbrechen werden.» Und prompt erzielten die Dänen ihr Tor in der 85. Minute. Wegen der späten Gegentreffer fehlen der Schweiz in der EM-Qualifikation fünf Punkte. Sie würde die Gruppe D deutlich anführen.
«Die Kritik der späten Gegentore müssen wir akzeptieren», sagte Goalie Yann Sommer. Spieler und Trainer wollen keinen Komplex erkennen, sprechen schlicht von Konzentrationsschwierigkeiten über 90 Minuten. Doch die Fakten sagen etwas anderes, und je mehr alle darüber reden müssen, desto mehr befassen sie sich damit. Also könnte sich eben doch etwas Lähmendes aufbauen.
Wenn es eines Idealfalls bedarf, wie sich Spieler und Fans verhalten in Beziehung zueinander, der schaut auf: die Dänen. Deren Nationaltrainer Age Hareide hatte im Vorfeld davon gesprochen, dass es während Länderspielen zur magischen Verschmelzung komme zwischen dem Geschehen auf den Rängen und dem Rasen. Und dies den dänischen Spielern eine unglaubliche Energie gebe. «Sie werden es selbst erleben», hatte er gesagt. Was sich dann am Samstagabend im Parken abspielte, war schlicht: einzigartig, grossartig. Eben dänisch.
Schon beim Abspielen der Hymne bekam man eine Vorahnung, als die dänischen Spieler allesamt aus voller Kehle sangen und die Fans auf den vier grossen Tribünen es ihnen gleichtaten. Und mindestens bei Schmeichels Glanztaten, Poulsens Siegtor und im gefeierten Nachgang der Partie war die Magie spürbar. Zwar gab es nach der ersten Halbzeit auch Pfiffe, weil die Dänen lange nicht das Gelbe vom Ei präsentierten; sie waren letztlich nicht böse gemeint.
Das alles kennt man anders auf Schweizer Seite, die Beziehung zwischen dem Anhang und den Spielern ist bisweilen kompliziert. Es muss ja nicht gleich wie bei den Dänen sein. Aber im Miteinander einen Kraftspender zu finden, würde gerade gegen die Iren am Dienstag und auch für die Zukunft guttun.
Es war Zufall. Und vielleicht doch nicht, weil der Zeitpunkt einfach reif war. Alle vier grossen Medienhäuser hatten am vergangenen Samstag eine Auslegeordnung aufgestellt, wie und ob es mit Nationaltrainer Vladimir Petkovic spätestens nach der EM weitergehen soll. Der Tenor war bereits vor der Niederlage gegen die Dänen: Der Verband sollte zumindest den Gedanken tiefgehend prüfen, ab Sommer 2020 einen neuen Trainer zu installieren. Weil zu viele Nebenschauplätze nicht stimmen. Und der Neuanfang guttut.
Petkovic sind keine fachlichen Mängel zuzuschreiben, er war in den fünf bisherigen Jahren erfolgreich mit der Schweiz. Auch gegen die Dänen stimmte der Auftritt seiner Mannschaft über weite Strecken, sie war spielbestimmend. Und dennoch musste er sagen: «Wir stehen mit leeren Händen da, und das haben wir nicht verdient.»
Hatte Petkovic in solchen Partien früher ein gutes Händchen und Wettkampfglück, hat er dies nun verloren. Weshalb die Schweiz und besonders ihr Trainer am Dienstag gegen die Iren vor einem Schicksalsspiel stehen. Den Gang in die Barrage jedenfalls würde man Petkovic kaum verzeihen. Und so liegt es nun auch an den Spielern, den Tatbeweis zu liefern, wieviel ihnen tatsächlich noch an Petkovic liegt.