Sport
Fussball

Union-Trainer Urs Fischer vor der Relegation: «Stuttgart hat mehr Druck»

epa07564630 Union's coach Urs Fischer looks on during the German Bundesliga second division soccer match between 1.FC Union Berlin and 1. FC Magdeburg in Berlin, Germany, 12 May 2019. Union Berli ...
Führt Urs Fischer Union Berlin in den Relegationsspielen gegen Stuttgart in die 1. Bundesliga?Bild: EPA/EPA

«Scheisse, wir steigen auf» war einmal – Fischer baut bei Union an seinem Denkmal

Aufstieg – oder wieder nicht? In der Barrage kämpft Union Berlin gegen den VfB Stuttgart um den letzten freien Platz in der höchsten Liga. Es ist auch das Duell zwischen Urs Fischer und Steven Zuber.
23.05.2019, 14:1023.05.2019, 15:33
markus brütsch / ch media
Mehr «Sport»

Die Wunden sind geleckt, die Enttäuschung ist abgehakt und der Blick nach vorne in die Mercedes-Benz-Arena gerichtet. Hier will der 1. FC Union Berlin im Hinspiel der Relegation gegen den oberklassigen VfB Stuttgart seine Haut so teuer wie möglich verkaufen, um im Rückspiel am kommenden Montag im Stadion an der Alten Försterei mit intakten Chancen den Aufstieg ins Visier zu nehmen. «Ein Tor auf fremdem Terrain würde uns dabei helfen», sagt Urs Fischer. In der Relegation gilt wie im Europacup die Auswärtstorregel.

Bundesliga-Relegation
Hinspiel: Stuttgart – Union Berlin, heute 20.30 Uhr
Rückspiel: Union Berlin – Stuttgart, Montag 20.30 Uhr

Der Schweizer Trainer der «Eisernen», der eigentlich nicht mehr aufs Wochenende zurückschauen wollte, ist vor der Reise nach Baden-Württemberg nicht darum herumgekommen, noch einmal auf die verpasste Chance in Bochum einzugehen. Dort hatte seine Mannschaft am letzten Spieltag in der zweiten Bundesliga nur ein 2:2 erreicht und es damit verpasst, hinter dem 1. FC Köln als Tabellenzweiter den direkten Aufstieg zu schaffen.

So aber machte der punktgleiche SC Paderborn trotz einer Niederlage in Dresden wegen der um fünf Tore besseren Tordifferenz das Rennen und schaffte den Sprung in die Bundesliga. «Jetzt sind wir eben da, wo wir nicht sein wollten», sagt Fischer. «Wir hatten in Bochum zwar 27:7-Torschüsse, konnten daraus aber kein Kapital schlagen, weil wir die Effizienz vermissen liessen.»

«Klar wäre es schön, man könnte mit Gelassenheit an die Sache herangehen. Stuttgart hat zwar mehr Druck, aber auch wir haben etwas zu verlieren.»
Union-Trainer Urs Fischer

Erst zwei Überraschungen

Der 53–Jährige hat zu Beginn der Woche aber festgestellt, dass die Stimmung in der Mannschaft positiver und positiver geworden und sein Team bereit ist, den favorisierten Stuttgartern einen grossen Kampf zu liefern. «Ich hoffe auf eine Trotzreaktion», sagt Fischer. Die Schwaben tragen die Favoritenrolle einerseits aufgrund der Statistik, andererseits wegen ihrer positiven Entwicklung unter dem Interimstrainer Nico Willig.

03.02.2019, Baden-Württemberg, Stuttgart: Fußball: Bundesliga, VfB Stuttgart - SC Freiburg, 20. Spieltag in der Mercedes-Benz Arena. Stuttgarts Benjamin Pavard (l) und Steven Zuber freuen sich über de ...
Stuttgart verzeichnet unter Willig einen klaren Aufwärtstrend.Bild: dpa

In bisher zehn Duellen seit Wiedereinführung der Relegation 2009 setzte sich achtmal der Erstligist durch. Lediglich Nürnberg 2009 gegen Energie Cottbus und Fortuna Düsseldorf 2012 gegen Hertha Berlin gelang der Aufstieg. «Es ist nicht selbstverständlich, dass wir überhaupt noch den Klassenerhalt schaffen können. Meine Mannschaft hat deshalb die Chance, etwas zu gewinnen. Wir gehen mit einer breiten Brust in diese Spiele. Wir glauben total an uns», sagt Willig, der nach der Relegation wieder in die Nachwuchsarbeit zurückkehrt und dem von Kiel abgeworbenen Tim Walter Platz macht.

Die Relegationsrunden seit 2009
2009: Nürnberg – Cottmus 3:0 und 2:0
2010: Augsburg – Nürnberg 0:1 und 0:2
2011: Bochum – Gladbach 0:1 und 1:1
2012: Düsseldorf – Hertha Berlin 2:1 und 2:2
2013: Kaiserslautern – Hoffenheim 1:3 und 1:2
2014: Greuther Fürth – Hamburger SV 0:0 und 1:1
2015: Karlsruher SC – Hamburger SV 1:1 und 1:2 n.P.
2016: Nürnberg – Frankfurt 1:1 und 0:1
2017: Braunschweig – Wolfsburg 0:1 und 0:1
2018: Holstein Kiel – Wolfsburg 1:3 und 0:1
2019: Union Berlin – Stuttgart

Es geht um viel in Stuttgart und Berlin. Deshalb begrüsst es Fischer, dass es in diesen Spielen den Videobeweis gibt. «Klar wäre es schön, man könnte mit Gelassenheit an die Sache herangehen. Der VfB hat zwar mehr Druck, aber auch wir haben etwas zu verlieren.» Bei einem Aufstieg würde Union 14 Millionen Euro mehr einnehmen. Der aktuelle Gesamtumsatz beträgt 47 Millionen.

Die Möglichkeit, durch grössere Zuschauerzahlen die Einnahmen in die Höhe zu treiben, sind indes limitiert. Bei einem Besucherschnitt von 21'231 war das Stadion in dieser Saison bereits zu 96,5 Prozent ausgelastet. Bei 22'180 Vereinsmitgliedern hat bei einer Kapazität von 22'012 Plätzen nicht einmal jeder registrierte Union-Fan ein Ticket auf sicher.

Der ewige Zweitligist

Vielleicht auch deshalb gibt es unter den Fans solche, die deutlich sagen, dass ihnen ein Verbleib in der zweiten Liga lieber wäre. Als Union vor zwei Jahren bereits einmal an der Bundesliga schnupperte, erregte ein Transparent Aufsehen. Darauf stand: «Scheisse ... wir steigen auf.»

Auch Fischer hat mitbekommen, dass das Fanlager des Kultklubs in dieser Frage offenbar geteilt ist und manche auch nach zehn Jahren in der zweiten Liga sagen: Lass uns bleiben, wo wir sind. Fischer aber denkt: «Tief drin hätte jeder seinen Spass, wenn es mit dem Aufstieg klappen würde. 7000 haben uns nach Bochum begleitet und hätten die Promotion verdient.»

Aufsteigen oder nicht – das ist hier die Frage.
Aufsteigen oder nicht – das ist hier die Frage.bild: twitter

In diesem Fall würde sich in Köpenick, wo Union zu Hause ist, gar nicht einmal so viel ändern, die bestehende Aufstiegsmannschaft zu einem grossen Teil das Bundesliga-Abenteuer in Angriff nehmen. «Ob wir fähig wären zu bestehen, würde man dann in der neuen Saison sehen», sagt Fischer. «Es gibt schon Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Liga. Für uns ginge es um Adaption.»

Erstklassig war Union seit der Wiedervereinigung nie. Der grösste Erfolg rührt noch aus DDR-Zeiten und war 1968 ein Cupsieg gegen Jena. Sollte Fischer die Unioner in die Bundesliga bringen, dann wäre ihm ein Denkmal sicher.

Sammer: «Stuttgart ist der Favorit»

Stuttgart ist jedenfalls gewarnt. «Das ist eine ganz, ganz harte Nuss und das wissen wir», sagte Willig mit Blick auf die starke Berliner Defensive, die so wenige Gegentore zuliess wie kein anderer Zweitligist (33). Stuttgart musste hingegen 70 Gegentreffer hinnehmen. Interimstrainer Willig, der in der kommenden Saison als Coach von Tim Walter abgelöst wird, bleibt trotzdem positiv und glaubt an ein Happy End: «Wenn wir uns in einer Woche in den Armen liegen vor Freude, dann ist das einfach ein gutes Bild.»

Sammer feiert mit Gaudino den Meistertitel von 1992.
Sammer feiert mit Gaudino den Meistertitel von 1992.bild: vfbstuttgart

Dass der VfB Stuttgart überhaupt so lange zittern muss, liegt für den früheren Nationalspieler Matthias Sammer daran, dass er sich von der erfolgreichen Vorsaison blenden liess. «Hauchdünn die internationalen Plätze verpasst zu haben, hat natürlich alles ausgelöst, aber keinen Realitätssinn», sagte der frühere Europameister, der als Spieler mit Stuttgart vor 27 Jahre Meister wurde. Trotzdem sieht Sammer den fünfmaligen deutschen Meister im Vorteil: «Der Erstligist ist Favorit, der VfB hat sich zuletzt stabilisiert.»​

Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Bundesliga im Zeitraffer – wie sich die Liga seit 1991 verändert hat
1 / 31
Die Bundesliga im Zeitraffer – wie sich die Liga seit 1991 verändert hat
Meister: VfB Stuttgart. Absteiger: Stuttgarter Kickers, Hansa Rostock, MSV Duisburg, Fortuna Düsseldorf.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
7 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
alles auf rot
23.05.2019 15:55registriert September 2016
Ich bin im Osten Berlins geboren, keine 2 km von der „alten Försterei“ entfernt.
War als Kind mit meinem Vater das erste mal im Stadion.
Es gab Zeiten, da hat uns nicht viel verbunden, aber über Union konnten wir Stunden „fachsimpeln“
Ich kann den ganzen Tag schon nichts essen, so aufgeregt bin ich.
Zum Rückspiel am Montag gehe ich mit meinem Vater, auch wenn es „nur“ vorm Stadion, beim Public Viewing ist.
Und auch wenn der Aufstieg nicht klappt, es ist auf so vielen Ebenen sehr emotional.
Gruss aus Luzern, geniesst die Sonne.
Und ja, ich gehe mit dem Zug auf Berlin ;)
1283
Melden
Zum Kommentar
avatar
Der_Infant
23.05.2019 15:18registriert Oktober 2018
"Es ist auch das Duell zwischen Urs Fischer und Steven Zuber."
Lachhaft.....

Ich drück Euch die Daumen Urs!
Wird sehr schwierig aber du weisst ja wo du her kommst.
543
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hein Doof
23.05.2019 15:32registriert Januar 2019
Schade kommt das Ganze nicht im öffentlich-rechtlichen TV :-(
383
Melden
Zum Kommentar
7
Bald wieder «grande»? Dank einem Umdenken und Goalie Schlegel ist Lugano wiedererstarkt
Der HC Lugano kann sich am Donnerstag (20 Uhr) im Showdown gegen den Qualifikations-Zweiten Fribourg-Gottéron erstmals seit 2018 für die Playoff-Halbfinals qualifizieren. Das ist auch einem Umdenken zu verdanken.

In den ersten fünf Saison nach der Einführung der Playoffs, die 1986 erstmals ausgetragen wurden, holte der HCL viermal den Schweizer Meistertitel. «Grande Lugano» war geboren. Bis 2006 kamen immerhin drei weitere Titel dazu. Seither aber waren die Final-Qualifikationen 2016 und 2018 das höchste der Gefühle. Zweimal verpassten die Bianconeri gar die Playoffs (2008, 2011).

Zur Story