Zum Klischee des Fussballers gehören: Dicke Karre, grosse Hütte, teure Markenkleider. Die allgemeine Meinung: Es geht ihnen zu gut, den jungen Sportlern. Darum hiess es von der Politik, als es um die Frage nach A-fonds-perdu-Beiträgen für Profisportklubs ging: Ja, aber. Ja, es gibt Geld vom Staat wegen der wegfallenden Ticketeinnahmen in Zeiten von Corona. Aber: Die Klubs müssen die Löhne ihrer Angestellten senken.
Das bedeutet: Von jenen Spielern, die über 148'200 Franken jährlich verdienen, muss der Durchschnittslohn um 20 Prozent gesenkt werden. Als Vergleichsmassstab wird die Saison 2018/19 genommen. Zudem darf das Lohnniveau fünf Jahre lang nicht erhöht werden. Auf den ersten Blick klingen solche Bedingungen fair. Niemand will, dass Steuergeld für überrissene Löhne eingesetzt wird. Doch die Sache ist kompliziert.
Nur drei von neun Super-League-Vereine haben die Bundesgelder beantragt, Vaduz darf als Liechtensteiner Klub nicht darauf zurückgreifen. Die Regelung kommt mit Basel, Zürich und Sion jenen Klubs entgegen, die bis anhin hinter Schweizer Meister YB die höchsten Löhne bezahlt haben. Sie erfüllen schon jetzt die Vorgaben des Bundes. Wie ist das möglich?
Nicht nur YB – das den Anspruch hat, international mithalten zu können und darum die Löhne nicht anpassen will –, sondern fast alle anderen Vereine verzichten auf diese Gelder. Warum ist das so? Liga-CEO Claudius Schäfer sagt:
Die Löhne in der Innerschweiz sind im ligaweiten Vergleich eher tief. Gemäss Schätzungen verdienen zehn Spieler beim FCL unter 5000 Franken im Monat, nur vier über 20'000 Franken. Das bedeutet: Wer über der Grenze von 148'200 Franken jährlich liegt, ist ein absoluter Schlüsselspieler. Müsste der FC Luzern zum Beispiel Torhüter Marius Müller den Lohn um 20 Prozent kürzen, riskiert er, dass der Spieler den Verein ablösefrei verlässt. Der geschätzte Marktwert des Deutschen beträgt über zwei Millionen Franken. Das Geld ginge flöten. Und auch wenn die Löhne beim FCL zuletzt gesunken sind – 2019/20 wies der FCL für die Lohnsumme der ersten Mannschaft inklusive Staff mit 5,5 Millionen Franken eine Million weniger aus als noch im Jahr davor –, will er die Vorgaben nicht erfüllen. Aktionär Josef Bieri sagt: «Diese Handschellen lassen wir uns nicht anziehen. Wenn wir das machen würden, könnten wir den Laden schliessen.» Damit spricht er nicht davon, dass der FCL die Löhne nicht weiter senken möchte, sondern davon, dass man sich verpflichten müsse, das Lohngefüge in den nächsten fünf Jahren nicht anzupassen. Eine Entwicklung wäre schwierig.
Im letzten Sommer spielten die Ostschweizer überraschend um den Meistertitel mit. Da im Fussball viele Grundgehälter eher tief, mögliche Prämien dafür umso höher sind, erhielten die Spieler plötzlich höhere Einnahmen als in den Saisons zuvor. Würde der FCSG seinen besten Spielern das Gehalt inklusive Prämien zusammenkürzen, wären sie allenfalls schnell weg. Wie in Luzern verdienen in St. Gallen nur wenige Spieler mehr als 148'200 Franken. «Wenn wir dies nun tun, besteht die Gefahr, dass die Schlüsselfiguren gehen, wir so an Konkurrenzfähigkeit verlieren und vielleicht in unserer Existenz bedroht werden», sagte Präsident Matthias Hüppi Mitte Januar im «Tages-Anzeiger».
Im direkten Gespräch will Hüppi nicht weiter ins Detail gehen, zunächst müssten die Aktionäre über die Beweggründe informieren. Klar ist von aussen betrachtet, dass der FC St. Gallen als Ausbildungsklub mit vielen jungen Spielern Ablösesummen generieren möchte. Wenn er nun Verträge von Führungsspielern, des Trainers oder von Talenten abändert, riskiert er, dass wertvolle Schlüsselfiguren abspringen – ganz ohne Ablösesummen. Noch offen ist, ob der FC St. Gallen bei der zweiten Tranche, für welche die Klubs bis am 31. Mai eingeben können, zugreifen wird.
So verfahren die Situation im Fussball ist, so viel besser ist die Situation auf den ersten Blick bei den Eishockeyvereinen. Nur einer der zwölf NL-Klubs hat das Geld nicht genommen: der HC Lausanne.
Die Hockey-Liga strebt bei den Reformplänen unter anderem Lohnsenkungen an und plant Regulierungen, wie etwa das Financial Fairplay. Der Durchschnitt der Basislöhne übersteigen jene im Fussball, die Prämien sind dafür kleiner. Dazu kommt ein weiterer Unterschied: die Stellung des Schweizer Eishockeys im weltweiten Markt. «Nur in der KHL und der NHL werden bessere Löhne bezahlt als bei uns», sagt Denis Vaucher, Direktor der Eishockey National League und Swiss League. Zudem fallen im Eishockey Ablösesummen weg, es gibt lediglich Ausbildungsentschädigungen. Wenn die Klubs in der Schweiz ihre Löhne senken, bleiben die Spieler trotzdem in der Schweiz, sie haben kaum eine andere Wahl. Beim Fussball wandern die besten Spieler ins nahe Ausland ab, wo sie in der Tendenz selbst in einer zweiten Liga besser verdienen als hierzulande.
Ein weiteres Problem bei diesen Lohnsenkungen ist rechtlicher Natur: Befristete Verträge können nicht einseitig abgeändert oder gekündigt werden. Es gibt eine Klausel, wonach dies möglich sein könnte. Ob die Coronakrise dazu ausreicht, ist in Fachkreisen aber umstritten. So riskieren Klubs, dass sie vor Gericht mit ihren Spielern streiten müssten, falls sie die Verträge einseitig anpassen wollten.
Auch wegen solcher ungeklärten Rechtsfragen ist man auch im Eishockey nicht ganz glücklich mit den Bedingungen. Im Parlament sieht man das anders: «Wir haben das gemacht, was die Klubs und die Ligen wollten. Jetzt rufen immer noch ein paar aus. Dafür habe ich wenig Verständnis», meinte SP-Nationalrat Matthias Aebischer gegenüber SRF.
Die Ligadirektoren widersprechen: Ja, man sei Teil der Diskussion gewesen, aber nicht überall gehört worden. «Doch die Lohnreduktionen haben wir immer in Frage gestellt», so Schäfer. Der politische Druck auf die Lohnthematik sei aber zu gross gewesen.