Manchmal, da reibt man sich während diesem sogenannten Spitzenkampf verwundert die Augen. Fragt sich, wer hier eigentlich Heimrecht geniesst. Der FCB spielt so, wie es sonst die Underdogs im Joggeli zu tun pflegen. Zwar geht Basel mit dem ersten vernünftigen Angriff in der 16. Minute durch Albian Ajeti in Führung. Bis zur Pause kommt der eine oder andere Ansatz eines guten Angriffs hinzu. Aber spätestens danach igelt sich der FCB ein. Irgendwann prasseln die Berner Angriffe im Minutentakt auf Jonas Omlin und dessen Vorderleute ein.
«Der Start war bitter, aber dann haben wir das Spiel von A bis Z dominiert», sagt YB-Torschütze Christian Fassnacht. Die Zahlen dazu: 16:2 Schüsse, 12:1 Eckbälle, gefühlte 60 Prozent Ballbesitz für die Berner. 3:1 stehts am Schluss. Es ist der erste Sieg für YB im Joggeli seit über sechs Jahren. Der Vorsprung auf den einstigen Serienmeister wächst auf 19 Punkte an, während die Basler auf Platz 4 in der Tabelle abrutschen. Wundersame neue FussballWelt
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Rückblende: Noch vor zwei Jahren, in der letzten Saison unter Urs Fischer, lag der FCB nach 16 Runden mit 44 Punkten an der Tabellenspitze, YB lag 15 Punkte dahinter auf Platz 2. Basel spielte in der Königsklasse, die Berner mussten sich mit der Europa League begnügen. Der Liga waren die Basler damals ähnlich entrückt wie YB heute, in der Champions League ähnlich chancenlos wie die Berner derzeit.
In Basel aber waren zu diesem Zeitpunkt die Zuschauerzahlen schon im zweiten Jahr rückläufig. Mehr als 2000 Zuschauer weniger verzeichnete der FCB 2016/17, als in der Spitzensaison 2014/15 (28 878 Zuschauer). In der Königsklasse reichte es bloss zu zwei Unentschieden gegen Ludogorets Rasgrad. Viel zu wenig für das anspruchsvolle und verwöhnte Basler Publikum. Auch in der Champions League waren nur noch Top-Affichen ausverkauft.
Der damalige Präsident Bernhard Heusler merkte, dass er diese Ansprüche nicht mehr befriedigen kann, versuchte, mit seinem Rücktritt einen neuen Impuls zu geben. Mit ihm ging die gesamte Führungsriege. Der FCB erfand sich neu. Mit grossen Erfolg in der Königsklasse, der vielleicht besten Saison, die je ein Schweizer Team in diesem Wettbewerb gezeigt hat. In der Liga dafür der Absturz, die acht Jahre währende Titelserie riss, der Zuschauerschnitt sank auf 25 487.
Während der Basler Rekordsaison 14/15 fanden in Bern im Durchschnitt nur gerade 16'931 Zuschauer den Weg ins Stadion. In der Meistersaison waren es dann schon 21'973 und derzeit verzeichnen die Berner durchschnittlich 23'668 Zuschauern. Jeder Champions-League-Auftritt ein Fest. Egal, was am Schluss auf der Anzeigetafel steht. Übersättigung in Basel – Euphorie in Bern.
Die Stimmen zum Spiel in Basel (1:3)...
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Genau so fühlt sich das an, was gestern auf dem Rasen im St. Jakobpark geschieht. Man kann Basel nicht den Willen absprechen, aber es fehlt das letzte Quäntchen. Oder wie YB-Sportchef Christoph Spycher sagt: «Wir hätten mit dem 1:1 viel besser leben können. Zu diesem Zeitpunkt hat Basel nur noch verteidigt, wir aber wollten den Sieg unbedingt.»
In nur zwei Jahren hat sich die Schweizer Fussball-Welt komplett umgekehrt. Es ist schon fast bezeichnend, dass die Basler am Schluss beklagen, dass YB-Spieler Fassnacht vor dem Eckball, in dessen Nachgang das 1:1 fiel, Taulant Xhaka foulte. Sollte es den Basel-Bonus je gegeben haben, ist er spätestens seit dieser Saison passé. Aber früher liess sich der FCB auch nicht von derartigen Fehlentscheiden aus dem Tritt bringen. Dieses Selbstverständnis aber hat der FCB auch unter Marcel Koller nicht wiedergefunden.
Im Gegenteil: Er hat im Schnitt noch weniger Punkte als Vorgänger Raphael Wicky holen können (1,64:1,92). Er klagt über die fehlende Wucht und Kraft seines Kaders.
Das soll sich im Winter ändern. Wenn er die Vorbereitung mit dem Team bestreiten kann. Wenn neue Spieler hinzukommen. An der Tatsache, dass die Meisterschaft praktisch gelaufen ist, wird auch das nichts ändern. «Es gibt noch eine Rückrunde, aber wir müssten extrem einbrechen, um das noch zu verspielen. Vor allem gibt es andere Rekorde, die wir gerne noch knacken würden», sagt Fassnacht. Der Berner Hunger ist noch lange nicht gestillt.