«Tut mir leid, es wird ca. 20 Minuten später bei mir. Heute Morgen ging alles drunter und drüber,» erklärt mir YB-Mittelfeldspielerin Stefanie da Eira per WhatsApp-Sprachnachricht. Am Abend davor kassierte ihr Team eine desolate 6:2-Niederlage gegen die Zweitletzten aus St.Gallen.
Pünktlich verspätet treffe ich die grossgewachsene, sympathische Thunerin beim Stadion Neufeld im Norden der Stadt Bern. An diesem Sonntag zeigt sich das Trainingsgelände der YB-Frauen von seiner schönsten Seite: blauer Himmel, Sonnenschein und sattgrüne Fussballplätze.
Die 28-jährige Da Eira ist technisch versiert, hat ein ausgeprägtes Stellungsspiel und ist mit ihren 1,78 m kopfball- und zweikampfstark. Die Doppelbürgerin fasste in der Schweizer U17- und U19-Nationalmannschaft Fuss, entschied sich dann aber für Portugal. «Ich habe mich nicht gegen die Schweiz, sondern für Portugal entschieden. Damals fühlte es sich richtig an», erklärt sie.
Da Eira ergatterte sich in der portugiesischen Nationalmannschaft nur wenige Einsatzminuten und kommt gerade mal auf magere drei Partien. «Ob ich diese Kurzschlussentscheidung heute genau so treffen würde, kann ich nicht sagen. Es ging alles sehr schnell.» Es war ein Dilemma, das Doppelbürger*innen nur bestens kennen: Zum einen ist da die Heimat der Eltern, von der man geprägt ist, und zum anderen ist da die Schweiz, wo man gross wurde und pure Dankbarkeit spürt.
Im Gegensatz zur Nationalmannschaft entwickelte sich da Eira in der Super League zu einer Leaderin. Von Thun nach Basel, über Zürich zu GC bis hin zu YB. Da Eira ist eine Strategin, die schnelle Entscheidungen trifft und einen guten Torriecher hat. Diese Saison ist sie mit 16 Toren auf dem zweiten Platz der Torschützenliste, drei Treffer hinter FCZ-Kapitänin Fabienne Humm (Stand 15. April 2021).
Spielerinnen mit solch einem enormen Talent verschlägt es in der Regel ins Ausland. So einfach war das bei Da Eira aber nicht – ein Schicksalsschlag hinderte sie an dieser Erfahrung. «Letztes Jahr ist mein Papa an einer unheilbaren Krankheit verstorben, die im 2015 diagnostiziert wurde. Während dieser Zeit brachte ich es nicht übers Herz, meine Familie hier in der Schweiz zu verlassen», erzählt «Deira», wie man sie bei YB nennt.
Mit 13 Jahren hat sich die talentierte Fussballerin aus dem Berner Oberland das erste Mal die Fussballschuhe geschnürt. Eine enge Freundin hatte sie dazu überredet. Schon damals stand ihr Vater ihr bei jedem Training und Spiel zur Seite. «Er hat mich zu jedem Training gefahren, zugeschaut und mich dann wieder nach Hause gebracht. Heute hoffe ich, dass er meinen Weg weiter verfolgt und dass ich ihm für seine ganze Unterstützung etwas zurückgeben kann.» Da Eira trägt die Trikotnummer 64 – als Andenken an ihren Vater, der im Jahr 1964 geboren ist.
Ängste spürt Da Eira seit dieser Erfahrung praktisch keine Mehr. «Die Angst hindert Menschen nur daran, Dinge zu tun, die sie vielleicht unbedingt möchten. Der Tod meines Vaters hat mich gelehrt, über meinen eigenen Schatten zu springen und mutig zu sein.» Dieser Schicksalsschlag hat einiges in Da Eira verändert – ihren Ehrgeiz und die Spielfreude hat sie aber beibehalten.
Musik ist ein täglicher Begleiter der Portugiesin, die nebenher einem Vollzeit-Job in der Immobilienverwaltung nachgeht. «Auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel bin ich diejenige, die im Mannschaftsbus die Kopfhörer anzieht und spanische Musik geniesst. In dieser Zeit versuche ich, mir das Spiel visuell vorzustellen und mich bestens vorzubereiten.»
Ihre Augen funkeln, als sie von ihrem Traum, einmal in der spanischen Liga zu spielen, erzählt. «Wenn ich es jetzt nicht wage, dann wird es wohl nie klappen. Die Saison läuft für mich hervorragend, ich spiele viel und bin verletzungsfrei. Mal schauen, wie es dann Ende Saison aussieht. Es ist ein grosser Traum, den ich mir erfüllen will.»
Angebote gab es die letzten Jahre aus Deutschland, wie Da Eira bestätigt. Die Mittelfeldspielerin absolvierte einige Probetrainings und war sozusagen kurz davor, ins Ausland aufzubrechen. Zu welchem spanischen Team die selbstbewusste Kickerin nun wechseln möchte, ist noch unklar. Primär ginge es jetzt aber darum, bei YB die von ihr erwartete Leistung zu erbringen.