Schweiz gegen Ukraine, alles ist angerichtet für den Showdown um den Verbleib in der höchsten Spielklasse der Nations League. Doch dann kommt alles anders, es wird ein Tag des langen Wartens. Am Ende gibt es nur eine Gewissheit: Das Länderspiel zwischen der Schweiz und der Ukraine ist abgesagt. Kein Fussballspiel in Luzern. Und das Warten ist noch immer nicht vorbei. Fragen und Antworten zum Nati-Krimi, der noch einige Wochen dauern könnte.
Der Morgen beginnt so normal, wie das eben geht in diesen Zeiten. Die Schweizer Delegation erhält früh Bescheid, dass ihre Coronatests allesamt negativ ausgefallen sind. Die Erleichterung bei Nationaltrainer Valdimir Petkovic und Nati-Direktor Pierluigi Tami ist gross. «Kompliment an alle», wird Tami später sagen. «Es zeigt: Wir haben alles unternommen, um für dieses Endspiel gerüstet zu sein.»
Die Ukrainer fahren derweil zu ihrem Abschlusstraining. Auf dem Sportplatz Tribschen, wo normalerweise der FC Kickers Luzern in der 2. Liga interregional spielt, bereiten sie sich auf den Abend vor. Sie müssen dafür strenge Auflagen erfüllen, die Garderoben dürfen sie nicht benutzen. Schliesslich ist es ja noch ungewiss, ob es in ihren Reihen weitere Coronafälle gibt.
Als Pierluigi Tami am Abend die Geschehnisse des Tages aufarbeitet, sagt er ziemlich schnell einmal: «Wir wären gerne angetreten. Wir wollten dieses Spiel unbedingt. Und wir hätten uns auch gewünscht, dass wir die Partie verschieben könnten.»
💬Erste Reaktion von Pierluigi Tami, Direktor der Nationalteams, auf die Absage von #SUIUKR @UEFA #NationsLeague pic.twitter.com/CzYb46Aca6
— 🇨🇭 Nati (@SFV_ASF) November 17, 2020
Das Problem: Der einzige verbleibende Termin wäre der heutige Mittwoch gewesen. Doch die Ukrainer hätten dafür ein neues, gesundes Team einfliegen müssen, das aus mindestens 13 Spielern bestanden hätte, auch Junioren der U20 oder U21 wären ein Thema gewesen. Doch sie zeigten nicht wirklich Interesse an dieser Variante und entschieden sich dagegen. «Ich denke, an einer solchen Lösung waren sie nicht wahnsinnig interessiert», sagt Tami.
+++ Update +++ Das Spiel der UEFA Nations League zwischen der Schweiz und der Ukraine findet *nicht* statt. Das unter Quarantäne gestellte ukrainische Team wird kein Ersatzteam stellen können. Über die Wertung entscheidet die @UEFA #SUIUKR # #UEFANationsLeague
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Ein späterer Nachholtermin ist praktisch ausgeschlossen, weil der Fussballkalender voll ist bis zur nächsten Nationalmannschaftspause im März, in welcher die Schweiz drei WM-Qualifikationspartien zu absolvieren hat.
Nein. Kantonsarzt Roger Harstall stellte klar: «Ich habe die Quarantäne für zehn Tage verfügt. Daran wird sich nichts ändern.» Theoretisch hätte das Harstall schon am Montag tun können, weil die Ukraine bereits nach dem Spiel in Deutschland vom Wochenende drei positive Coronafälle aufwies. Doch Harstall entschied sich dafür, die Ukrainer noch einmal zu testen.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Er liess ihnen eine Hintertür offen. Und hätte ihnen, wenn keine weiteren positiven Fälle dazugekommen wären, das Länderspiel gegen die Schweiz erlaubt.
Auf diese Frage muss die Disziplinarkommission der UEFA eine Antwort finden. Auf dem Papier ist es relativ eindeutig, wer die Absage verschuldet hat, weil die Blase laut Return-to-Play-Protokoll der UEFA nicht funktionierte: die Ukraine. «Es ist eigentlich ganz einfach: Wir waren bereit zu spielen – aber ein Gegner hat gefehlt.» So sagt das Tami. Und doch weiss er, dass es vielleicht ungleich komplizierter ist.
Bei dieser Ausgangslage wäre es naheliegend, dass die Schweiz 3:0 Forfait gewinnt. Doch vielleicht setzt die Ukraine nun zum juristischen Powerplay an. Indem sie versucht, die UEFA zu überzeugen, dass die Schweiz Schuld an der Spielabsage sei. Weil es ja die Schweizer Behörden waren, die ihren negativ getesteten Spielern verboten hat, am Länderspiel teilzunehmen.
Falls die UEFA zum Schluss kommt, dass kein Verband Schuld trägt an der Absage, würde das Los entscheiden über den Ausgang der Partie (1:0, 0:0 oder 0:1) – womit die Schweiz nur zu 33,33 Prozent in der Beletage der Nations League verbliebe. Tami sagt: «Wir können nicht abschätzen, wie die UEFA entscheidet. Es stimmt uns einfach traurig, dass die Entscheidung nicht auf dem Rasen fällt.»
Ja, anfangs der Saison in der Champions-League-Qualifikation. Die Slowaken von Slovan Bratislava mussten auf den Färöern gegen Klaksvik antreten. Weil Bratislava einen positiven Coronafall aufweist, entscheiden die Behörden auf den Färöern: 14-tägige Quarantäne oder sofortige Abreise.
Zunächst wird das Spiel um zwei Tage verschoben. Anders als die Ukrainer versucht Bratislava, das Spiel mit Nachwuchsspielern zu bestreiten. Doch als auch bei diesen zwei Coronafälle vorliegen, wird das Spiel abgesagt. Und die UEFA entscheidet: Forfait-Sieg für Klaksvik, das Team von den Färöer Inseln, obwohl es die eigene Behörde war, die das Spiel verboten hat. Die Slowaken legen Berufung ein, doch die UEFA-Richter bestätigen das Urteil.
Und doch gibt es einen Unterschied zum Fall Schweiz-Ukraine: Die Reglemente von Champions League und Nations League sind nicht ganz deckungsgleich. Im Fall der Champions League gibt es einen Covid-19-Zusatz. Dieser fehlt bei der Nations League.
Nein, die Delegation darf ausreisen. Dies allerdings unter strengsten Auflagen. Bedeutet: Die Ukraine muss in der «Bubble» ausreisen. Muss mit einem eigenen, gecharterten Flugzeug reisen. Und darf auch am Zoll mit niemandem Kontakt haben.
Der Nationaltrainer meldete sich am späten Abend zu Wort: «Wir sind Fussballer und wollen immer auf dem Platz gewinnen. Diese Möglichkeit haben wir jetzt leider nicht mehr. Wir hatten uns wirklich auf dieses Spiel gefreut. Leider ist es jetzt anders gekommen, das können wir nicht beeinflussen.»
💬Reaktion von Vladimir Petkovic zum Entscheid der UEFA
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💬Réaction de Vladimir Petkovic sur la décision de la UEFA
💬Reazione di Vladimir Petkovic sulla decisione della UEFA#SUIUKR @UEFA #NationsLeague pic.twitter.com/uWUQPyO0jz
Petkovic wollte mit einem Sieg auf dem Rasen unbedingt nochmals Energie tanken im Hinblick aufs neue Jahr. So geht erstmals unter ihm ein Länderspieljahr ohne Sieg zu Ende. Für Tami sieht die Bilanz gleichwohl ansprechend aus. «Ja, wir haben gesehen, dass es noch nicht reicht gegen die Grossen. Aber die Entwicklung ist gut.»
Die Spieler nahmen gestern Abend noch ein gemeinsamen Nachtessen ein und verabschiedeten sich danach zu ihren Vereinen oder Familien. Doch jetzt geht die Warterei erst richtig los, die neue Weltrangliste kommt am 27. November raus, auch wenn sich für die Schweiz und die Einteilung in die WM-Lostöpfe nichts mehr ändern wird.