Vielleicht trägt Bundestrainer Joachim Löw einen Helm, wenn er heute Abend in der Höhle des Löwen, der Allianz-Arena, Platz nimmt. Im Wissen, dass dicht hinter ihm mit den Bayern-Bossen Uli Hoeness und Karl-Heinz Rummenigge zwei Menschen sitzen, die seit der Aussortierung von Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels schlecht auf ihn zu sprechen sind. Hoeness hat zwar angekündigt, er werde in dieser Causa erst nach dem wegweisenden Spiel gegen den FC Liverpool etwas sagen.
Doch sollte zum Beispiel Hummels einen kapitalen Bock schiessen, dann würde der Präsident kaum zögern, in Richtung Löw zu giften, er habe den Spieler verunsichert.
Dabei hatten die drei Bayern-Profis nur vier Tage nach der Hiobsbotschaft bei der Gala gegen Wolfsburg so vorzüglich gespielt, dass der Rauswurf aus der Nationalmannschaft zumindest kurzfristig eher einer Motivationsspritze – «dem zeigen wir es!» – denn einem Nackenschlag gleichkam.
Wie die Bayern den Gegner demontierten, war eine Machtdemonstration und die Übernahme der Tabellenführung ein Zeichen an alle Welt: «Seht her: Mia san wieda mia!» Nach dem 0:0 an der Anfield Road im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals sind die Münchner in der Bundesliga zu grosser Form aufgelaufen, haben Gladbach und Wolfsburg mit 5:1 und 6:0 weggespielt. Ganz eindeutig: Trainer Niko Kovac hat nach den schwachen Leistungen der Hinrunde den Turnaround geschafft.
Doch der FC Liverpool ist ein hartes Brett. Die Bayern wissen, dass das torlose Unentschieden besser aussieht, als es ist. Erzielen die Engländer ein Tor, dann brauchen die Münchner schon zwei Treffer. «Das 0:0 ist gefährlich. Wir müssen sehr aufpassen», ist sich Regisseur James bewusst, dass ein blindes Anrennen ins Verderben führt. «Liverpool hat sehr schnelle Spieler, die sich wohlfühlen, wenn sie Räume bekommen», warnt der Kolumbianer. Der Angriff mit Mohamed Salah, Roberto Firmino und Sadio Mané zählt zum Besten, was Europa zu bieten hat. Da ist die Sperre von Verteidiger Joshua Kimmich durchaus ein Handicap.
Dasselbe gilt für den gesperrten Müller – er wird auf der Tribüne eher nicht neben Löw sitzen – in der Offensive. Die Hoffnungen der Bayern ruhen daher auf dem in Form gekommenen Jungstar Serge Gnabry und vor allem auf Robert Lewandowski. Der Pole will endlich den Ruf ablegen, in wichtigen Spielen abzutauchen.
Die Nagelprobe für Lewandowski ist sein Vergleich mit dem Abwehrhünen Virgil van Dijk. «Ich muss gegen ihn Besonderes leisten», sagt Lewandowski. In der Gruppenphase hat er acht Tore erzielt, und in der Bundesliga ist er seit Samstag mit 197 Toren der ausländische Rekordschütze. Mut macht den Bayern auch die Statistik. Sie sind in 21 von 23 Begegnungen weitergekommen, wenn sie im Hinspiel auswärts unentschieden gespielt haben.