Natürlich dürfen die Young Boys Dinamo Zagreb nicht unterschätzen. Es ist immerhin der Meister der kroatischen Liga. Und auch wenn diese bei uns nicht die grösste Aufmerksamkeit geniesst, so ist es dennoch ein ernst zu nehmender Gegner.
Dennoch: Im Vergleich zu den letzten drei Jahren ist die letzte Hürde für den Sprung in die Königsklasse kleiner geworden. Zuletzt scheiterte man der Reihe nach an der AS Monaco (2015), Borussia Mönchengladbach (2016) und ZSKA Moskau (2017). Drei Mannschaften, die zu jenem Zeitpunkt ein vielfaches der Berner Mannschaft wert waren. Drei Mannschaften, die nicht nur wortwörtlich, sondern auch im übertragenen Sinn in einer anderen Liga spielen.
Dieses Jahr dürfte es ein Duell auf Augenhöhe sein – vermutlich sogar mit leichten Vorteilen für YB. Der Schweizer Meister verfügt über die bessere Mannschaft. Gefährlichster und wertvollster Spieler der Kroaten ist der Schweizer Nationalstürmer Mario Gavranovic. Ihn sollte der Berner Abwehrverbund um Steve von Bergen und Kevin Mbabu aber eigentlich in den Griff kriegen.
Das Sommer-Transferfenster neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu und noch hatten die Young Boys kaum Abgänge zu verzeichnen. Von den Stammspielern hat einzig Kasim Nuhu (zu Hoffenheim) das Team verlassen. Die Mannschaft kennt sich und ihre Stärken aus der Meistersaison noch bestens. Die Spieler wissen, wie erfolgreich sie mit diesem Ensemble sein können. Perfekte Voraussetzungen, um erstmals den Sprung in die Champions League zu schaffen.
Anders sieht das bei Zagreb aus. Mit Filip Benkovic (zu Leicester), Ante Coric (Roma), Borna Sosa (Stuttgart) und El Arbi Soudani (Nottingham) haben vier wichtige Spieler den Klub für insgesamt 35 Millionen Franken verlassen.
Man darf sich vom erknorzten Sieg im Cup gegen Biel nicht verunsichern lassen. Da war die Mannschaft im Kopf wohl schon beim wichtigen Spiel gegen Zagreb – dennoch war das Spiel vielleicht auch der benötigte Weckruf, nachdem es in der Meisterschaft fast schon zu rund lief. Aber grundsätzlich stimmt die Form beim Team von Gerardo Seoane: In den ersten vier Meisterschaftsspielen gab es vier Siege. Dabei schossen die Berner elf Tore und kassierten nur zwei.
Er ist der Dreh- und Angelpunkt im Berner Offensivspiel. Miralem Sulejmani hat in vier Ligaspielen bereits zwei Tore geschossen und vier weitere vorbereitet. Der Serbe war in jeder Partie an mindestens einem Tor direkt beteiligt. Mit seiner Kreativität sorgt er immer wieder für Überraschungsmomente und er stellt den Gegner so vor grosse Probleme. Das muss ihm nun auch gegen Zagreb gelingen.
Auch beim Stürmerstar der Young Boys stimmt die Form. Ausser im Startspiel gegen GC hat der Franzose in jeder Partie getroffen. Zuletzt auch gegen Biel, als er YB kurz vor dem Ende der Verlängerung zum Sieg schoss. Der 34-Jährige braucht nicht viele Möglichkeiten, um seine Tore zu erzielen. Wenn Hoarau gegen Zagreb effizienter ist als sein Gegenüber Gavranovic, darf er sich bald auch wieder in der Königsklasse präsentieren. 2012 durfte er mit Paris Saint-Germain zwei Mal in der Champions League auflaufen, schoss ein Tor – gegen Dinamo Zagreb.
Auch wenn wir hier zwei Spieler besonders hervorgehoben haben: Abhängig von Hoarau und Sulejmani ist YB nicht. So hat man beispielsweise den stürmenden Verteidiger Kevin Mbabu im Kader. Im Mittelfeld ist man mit Sékou Sanogo, Djibril Sow und Leonardo Bertone mehrfach besetzt. Auf dem Flügel können neben Sulejmani Christian Fassnacht oder Nicolas Ngamaleu spielen. Und sollte Hoarau für einmal nicht treffen, hat Trainer Gerardo Seoane immer noch Jean-Pierre Nsame zur Verfügung.
Der langersehnte Meistertitel nach über 30 Jahren des Wartens wurde vergangene Saison endlich Realität. Nun soll es auch mit der Champions League klappen. In die Königsklasse haben es die Young Boys nämlich noch nie geschafft. Die Berner wollen der ganzen Schweiz beweisen, dass sie auch international bestehen können. Deshalb wird der Siegeshunger der Mannschaft gegen Zagreb riesig sein.
Und auch Gerardo Seoane dürfte zusätzlich motiviert sein. Er ist zwar hervorragend in die Meisterschaft gestartet und hat sich als Nachfolger von Adi Hütter bereits bewährt. Doch in der Super League kann er seinen Vorgänger nicht überflügeln, sondern höchstens den gleichen Erfolg wiederholen. International hat Hütter allerdings nie etwas erreicht. Das ist Seoanes grosse Chance zu zeigen, dass er sogar der noch bessere YB-Trainer ist.