Sport
Fussball

Schwuler Premier-League-Profi schreibt offenen Brief: «Lebe einen Albtraum»

Fleetwood Town supporting rainbow laces during the Sky Bet League 1 match between Fleetwood Town and Tranmere Rovers at Highbury Stadium, Fleetwood, England on 23 November 2019. PUBLICATIONxNOTxINxUK  ...
Ein Premier-League-Fussballer schildert eindrücklich den grossen Zwiespalt seines Lebens.Bild: www.imago-images.de

Schwuler Premier-League-Profi schreibt offenen Brief: «Lebe einen Albtraum»

13.07.2020, 13:5213.07.2020, 14:44
Mehr «Sport»

Homosexualität ist eines der letzten grossen Tabu-Themen im Männer-Fussball. Noch immer gibt es in den grossen Ligen Europas fast keinen aktiven Profi, der offen zu seiner homosexuellen Orientierung stehen würde. Warum das so ist, schildert nun ein schwuler Fussball-Profi aus der Premier League. In einem offenen Brief, den er dem Daily Mirror und der Sun zukommen liess, schreibt er über das Geheimhalten seiner Sexualität und Beschimpfungen, aber auch über Unterstützung aus seinem engsten Umfeld.

«Als Kind wollte ich immer nur Fussballer werden», beginnt der anonyme Profi. Er habe jede freie Minute gekickt und am Ende habe es sich ausbezahlt. «Auch jetzt noch kann ich es kaum fassen, dass ich rausgehen und vor zehntausenden Menschen spielen darf. Es gibt jedoch etwas, was mich von den meisten anderen Spielern in der Premier League unterscheidet. Ich bin schwul.»

Diesen Brief zu schreiben, sei für ihn ein grosser Schritt. Seit er 19 Jahre alt gewesen sei, wisse er, dass er homosexuell sei. «Aber nur meine Familienmitglieder und ausgewählte Freunde wissen davon», so der Premier-League-Profi weiter. «Ich fühle mich nicht bereit dazu, es mit meinem Team oder Trainer zu teilen. Das ist extrem hart, denn ich verbringe viel Zeit mit diesen Jungs. Trotzdem macht es etwas in mir unmöglich, offen mit ihnen darüber zu sein, wie ich mich fühle. Ich hoffe sehr, dass ich es eines Tages schaffen werde.»

Der Alltag sei wegen der Geheimhaltung oft extrem schwierig. «Ich lebe einen Albtraum, und zwar Tag für Tag. Es beeinträchtigt meine psychische Gesundheit immer mehr. Ich fühle mich gefangen und meine Angst ist, dass es die Sache nur schlimmer machen würde, die Wahrheit über mich zu enthüllen», schreibt der Fussballer. «Obwohl mir mein Herz oft sagt, dass ich mich outen muss, sagt mein Kopf immer dasselbe: ‹Warum alles riskieren?›»

Keine Beziehung möglich

Vieles, was er sich für sein Leben wünschte, habe er erreicht: «Ich habe das Glück, einen sehr guten Lohn zu verdienen. Ich habe ein schönes Auto, einen Schrank voller Designerklamotten und ich kann es mir leisten, alles zu kaufen, was ich für meine Familie und Freunde will.» Und doch fehle etwas: «Ich bin in einem Alter, in dem ich gerne in einer Beziehung wäre. Aber aufgrund meines Berufs muss das Vertrauen in einen langfristigen Partner extrem hoch sein. Deshalb bin ich im Moment einfach nicht bereit dazu.»

Er wünschte, er müsste sein Leben nicht so leben. «Aber im Fussball gibt es immer noch grosse Vorurteile. Es bräuchte radikale Veränderungen, dass ich mich für ein Coming-out bereit fühlen würde». Zum jetzigen Zeitpunkt könne er aber nicht darauf vertrauen, angemessen unterstützt zu werden.

Football - soccer: FA Cup, Arsenal FC, Gay Gooners banner during the FA Cup 5th Round match between Arsenal at the Emirates Stadium. xHOCHxZWEIx/xPropagandax PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY

Footbal ...
Arsenal hat mit den «Gay Gooners» einen Fanclub für die LGBT-Gemeinschaft.Bild: imago sportfotodienst

Homophobe Gesänge würden ihn während der Spiele «seltsamerweise» nicht wirklich stören. «Ich bin zu sehr auf das Spielen konzentriert. Erst wenn ich wieder ins Flugzeug oder den Bus steige und Zeit für mich habe, beginne ich darüber nachzudenken.» Momentan sei sein Plan, so lange weiter zu spielen, wie er sich dazu in der Lage fühle, und sich dann zu outen, wenn er zurückgetreten sei.

Die Veröffentlichung des Briefs wurde von der Justin Fashanu Foundation eingefädelt. Die von der Nichte des namensgebenden Ex-Fussballers gegründete Organisation unterstützt homo- und bisexuelle Kicker und kämpft gegen Homophobie im Fussball. Fashanu outete sich 1990 als erster britischer Fussballer während seiner laufenden Karriere und nahm sich acht Jahre später das Leben. «Die Stiftung hat mir sehr geholfen», erklärt der anonyme Profi-Fussballer. «Die Leute da haben mir das Gefühl gegeben, unterstützt und verstanden zu werden, und mir das Vertrauen gegeben, offener und ehrlicher mit mir selbst umzugehen.»

Erst im Juni outete sich mit Thomas Beattie ein Ex-Profi. Der 33-Jährige, der unter anderem für Hull City gespielt hatte, sagte damals, dass nicht die Teamkollegen, sondern die Fans schwulen Fussballern das Leben so schwer machen würden.

Der anonyme Briefe-Schreiber freute sich über das Coming-out von Beattie: «Es war grossartig, zu sehen, wie Thomas Beattie zugab, schwul zu sein. Aber die Tatsache, dass er bis nach seinem Rücktritt warten musste, sagt alles, was man über das Thema wissen muss.» (pre)

Thomas Beattie spricht über sein Coming-out.Video: YouTube/Lorraine
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Recht so: Eltern begleiten ihre Kinder mit bedingungslosem Stolz an die Gay Pride!
1 / 19
Recht so: Eltern begleiten ihre Kinder mit bedingungslosem Stolz an die Gay Pride!
«So ein spezielles Wochenende, an dem ich die Pride mit meiner Mutter feiere.»

Quelle: twitter / @AaronRhodes
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Mit kleidertragenden Männer gegen Homophobie
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
55 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
baba1906
13.07.2020 14:05registriert Juli 2017
So traurig. Ich verstehe seine Entscheidung. Schade nur, wenn man sich zwischen seinem echten Ich und einem Beruf oder der Familie usw. entscheiden muss. Es wäre doch so viel Gesünder für alle, wenn man sein autentisches ich leben dürfte, ohne die Angst haben zu müssen alles zu verlieren. Ich hoffe er schafft es trotzdem. Es zeigt einfach wie wichtig es ist, dass es weiterhin thematisiert wird und sichtbar bleibt.
32118
Melden
Zum Kommentar
avatar
code-e
13.07.2020 14:14registriert November 2018
Es ist traurig, wenn man nicht die Person sein darf, die man ist. Der Fussball hat nicht nur ein Rassismusproblem, sondern auch ein Homophobieproblem. Gegen Rassismus wird vorgegangen, gegen Homophobie nicht. Warum ist das so? Spielt ein schwuler Fussballer weniger gut als ein heterosexueller? Klar könnte er sofort zurücktreten, Geld hat er ja genug. Aber er liebt den Fussball und ist sicher noch nich im Alter um zurück zu treten. Es tut mir als Homosexueller ehrlich Leid für ihn und ich wünsche ihm viel Mut u. Kraft damit er sich vielleicht schon vor dem Karrierenende geben darf, wie er ist.
21723
Melden
Zum Kommentar
avatar
Inflatio
13.07.2020 15:30registriert Februar 2020
Wetten, es gibt jede Menge schwule Fussballprofis die verheiratet sind und Kinder haben und unter dieser Last fast zerbrechen.
20121
Melden
Zum Kommentar
55
Warum die NBA diesen 24-jährigen Basketballprofi lebenslang gesperrt hat
Die NBA greift hart gegen Jontay Porter durch. Der Profi hat sich an Wettbetrug beteiligt – und darf nun nie wieder in der US-Liga auflaufen.

Jontay Porter ist wegen Wettbetrugs lebenslänglich aus der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA verbannt worden. Der Spieler der Toronto Raptors habe vertrauliche Informationen an Wettende weitergegeben und selbst auf NBA-Spiele gesetzt. Das teilte die Liga, die eine Untersuchung gegen den 24-Jährigen eingeleitet hatte, am Mittwoch mit.

Zur Story