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Cissé von Aarau nach Basel – die Hintergründe

Aboubacar Cissé gefiel in Testspielen und Trainings, war für einen Transfer aber zu teuer.
Aboubacar Cissé gefiel in Testspielen und Trainings, war für einen Transfer aber zu teuer.Bild: sarah rölli

Aarau verliert Supertalent an Basel – die Hintergründe eines ungewöhnlichen Transfers

Ex-FCA-Profi Mario Eggimann hat sich vor einem Jahr dem gefallenen Supertalent Aboubacar Cissé angenommen und den Österreicher im Brügglifeld unterbringen wollen - vergeblich. Nun spielt Cissé beim FC Basel. Wie es dazu kam.
04.10.2018, 14:34
Sebastian Wendel / Aargauer Zeitung
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Seit im Sommer eine Partnerschaft zwischen dem FC Basel und dem FC Aarau beschlossen wurde, läuft es so: Talente, für die der Sprung ins Profikader in Basel (noch) zu gross ist, werden nach Aarau ausgeliehen. Hier sollen sich die Grünschnäbel an den rauen Männerfussball gewöhnen. Gezim Pepsi (20), Martin Liechti (20) und Djordje Nikolic (21) haben so den Weg ins Brügglifeld gefunden.

Ex-Praesidentin Gigi Oeri bekommt von den Juniorenmannschaften ein Bild geschenkt, anlaesslich der feierlichen Eroeffnung des neuen Nachwuchs-Campus FC Basel auf dem Areal St. Jakob am Samstag, 17. Au ...
Gigi Oeri bei der Eröffnung des FC-Basel-Campus 2013.Bild: KEYSTONE

Ein 17-Jähriger hat nun den umgekehrten Weg gewählt: vom familiären Brügglifeld in den mondänen St. Jakob-Park. Zur U18 des FC Basel, trainiert vom Schweizer Rekordtorschützen Alex Frei. Die Rede ist von Aboubacar Cissé. Die Geschichte dahinter erzählt, warum dieser Transfer eines Juniors kein gewöhnlicher ist.

Plötzlich auf der Strasse

Cissés Mutter wandert einst mit ihren Kindern von der Elfenbeinküste nach Österreich aus. Schnell erkennen Beobachter das fussballerische Können von Aboubacar, etliche Klubs bemühen sich um ihn, den Zuschlag erhält Red Bull Salzburg. Im Leistungszentrum macht der Stürmer grosse Fortschritte, wird österreichischer Nachwuchsnationalspieler. Cissé ist mehr als nur eines von vielen Talenten: Der Weltfussballverband Fifa führt ihn bis vor zwei Jahren auf der Liste der weltweit zehn grössten Stürmertalente mit Jahrgang 2001.

Dann der Bruch: Pubertät und falsche Einflüsterer führen zu Problemen im Red-Bull-Internat und nach mehreren Verwarnungen zum Rauswurf. Als auch noch seine Mutter von heute auf morgen Österreich verlässt, um sich in der Elfenbeinküste um ihre kranke Mutter zu kümmern, steht Cissé im Herbst 2017 auf der Strasse – und vor dem Nichts. Die dubiosen Berater, die das gefallene Supertalent zu schnellem Geld machen wollen, sind mehr Gefahr denn Hilfe.

Zu grosse finanzielle Differenz

In dieser Zeit bekommt Mario Eggimann den Tipp, dass Cissé einer für ihn sei. Der frühere Schweizer Internationale und Innenverteidiger des FC Aarau (1998 bis 2002) hat sich nach der Profikarriere auf die Beratung von in Schwierigkeiten geratene Fussballern spezialisiert.

Gemeinsan mit dem Zürcher Spielerberater Christian Zenger nimmt sich Eggimann Cissé an, wird dessen Vormund und weiss: Nach all den Turbulenzen braucht der Junge Ruhe. Also klopft er im Brügglifeld an und fragt, ob Cissé im Nachwuchs mittrainieren könne. Eggimann rennt bei seinem früheren FCA-Teamkollegen Sven Christ, heute technischer Leiter beim Team Aargau, offene Türen ein.

Le Lausannois Leandro Fonseca, gauche, a la lutte avec Mario Eggimann, lors du match de football du tour de promotion LNA-LNB Lausanne-Sports contre FC Aarau, ce samedi 6 avril 2002 a Lausanne. (KEYST ...
Einst Spieler beim FC Aarau, nun Berater für kränkelnde Fussballer: Mario Eggimann (rechts)Bild: KEYSTONE

Als Cissé in Aarau sein Können vorträgt, wollen die Verantwortlichen ihn sofort an den FC Aarau binden. Problem: Die Fifa verweigert die Lizenzierung, weil Cissé keine Lehrstelle und keinen Platz an einer Schule hat. Diese Regel gilt für minderjährige Spieler bei einem Wechsel ins Ausland.

Im Sommer 2018 ist Cissé nach etlichen Behördengängen für das zehnte Schuljahr in Aarau angemeldet und trainiert in der Vorbereitung bei den Profis mit. Einem Vertrag und Spielen für den FCA steht scheinbar nichts mehr im Weg. Doch es kommt anders.

Eggimann möchte für Cissé einen Vertrag, der zumindest dessen Lebenskosten deckt. Verständlich: Wohnung, Versicherungen, Krankenkasse, Essen, Handy- und Bus-Abo – rund 60 000 Franken kommen da jährlich zusammen. 1000 Franken - das ist die Summe, die sich Eggimann monatlich vom FC Aarau für Cissé wünscht. Zu viel für den Challenge-League-Klub. Dieser Betrag würde den Rahmen für Jungprofi-Verträge sprengen. Rund 500 Franken pro Monat sind das Maximum, das Aarau dem 17-Jährigen zahlen kann.

Welche Einschätzung stimmt?

«Wir bedauern, dass es mit dem Vertrag in Aarau nicht geklappt hat», sagt Eggimann, «Aboubacar hatte schon im Frühling Angebote von deutschen Grossklubs. Aber er wollte in Aarau bleiben, weil es ihm in der Region und im Team gefiel und sich der Verein um ihn gekümmert hat. Dafür gebührt Sven Christ und seinen Leuten beim Team Aargau ein grosser Dank.»

Als sich im Juli abzeichnet, dass eine Einigung chancenlos ist, fragt Eggimann bei seinem Kumpel Alex Frei an. Auch in den Probetrainings in Basel überzeugt Cissé und bekommt einen deutlich besser als in Aarau dotierten Ausbildungsvertrag offeriert. Grosser Vorteil: Der FCB hat ein Wohnhaus für auswärtige Junioren, die dort gratis wohnen können und von Profis betreut werden. Nach über zweijähriger Ungewissheit hat Cissé im September die ersten Einsätze mit der U18 des FCB absolviert. «Er ist glücklich, endlich angekommen zu sein», sagt Eggimann und fügt an: «Die jetzige Lösung ist für alle Parteien die beste.»

ZUM TRAINERWECHSEL BEIM FC AARAU – SVEN CHRIST WIRD DURCH RAIMONDO PONTE ERSETZT – STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES ARCHIVBILD ZUR VERFUEGUNG - Der Aarauer Trainer Sven Christ verfolgt das Spiel seiner Man ...
Sven Christ vom Team Aargau hat sich um eine Verpflichtung von Abou Cissé bemüht.Bild: KEYSTONE

Beim FCA bedauert man, Cissé monatelang aufgepäppelt, nun aber an den FCB verloren zu haben. Doch der Frust hält sich in Grenzen. Es gibt Stimmen, die sagen, so gut wie seine Vorschusslorbeeren sei Cissé nicht – oder nicht mehr. Ob diese Einschätzung stimmt oder ob die Aarauer stärker um das vermeintliche Supertalent hätten kämpfen müssen, das wird die Zukunft zeigen. (aargauerzeitung.ch)

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