Der Moment der Eruption kommt unvermittelt. «Ich kann einfach nicht verlieren. Nicht im Fussball. Und auch nicht sonst bei einem Spiel. Das war schon immer so. Ich war schon als Kind ein Meister des Trötzelns.»
Es braucht Zeit, um Fabian Schär aus der Reserve zu locken. Das ist an diesem Nachmittag in Lausanne nicht anders. Wer mit dem 27-Jährigen im Mannschaftshotel des Schweizer Nationalteams über seine Karriere spricht, der erhält ruhige, sachliche und überlegte Antworten. Nicht aus Kalkül. Sondern weil Schär im Wesen so ist.
Schär ist einer, der jede einzelne Nati-Reise geniesst. Es gibt für ihn kaum etwas Schöneres, als im Nati-Trikot aufzulaufen. Die Abwechslung zum Liga-Alltag tut seinem Geist gut, ganz egal, ob der eigene Verein nun in der Tabelle oben oder unten steht. Mit Newcastle hat er vergangenen Sonntag gerade Manchester United 1:0 besiegt.
Schär leistet einen entscheidenden Beitrag dazu, indem er kurz vor dem Siegtreffer mit einer brillanten Aktion ein Gegentor verhindert. Im Stadion schauen 13 Freunde und Bekannte zu, die zum Besuch angereist sind. Sie werden nicht enttäuscht. Und erleben, wie es Newcastle mit dem Sieg gelingt, die Abstiegszone zu verlassen.
In der Stadt herrscht gerade einige Aufregung um den Verein. Die Fans sind zutiefst enttäuscht, dass es im Sommer nicht gelungen ist, sich mit Trainer Rafael Benitez auf einen Verbleib zu einigen. Der Ärger richtet sich vor allem Richtung Besitzer Mike Ashley. Weil der zu wenig Geld ins Team investiere. «Darum ist auch einiges an Unruhe von aussen reingekommen. Die letzten Spiele waren nicht ausverkauft – das ist eigentlich untypisch für Newcastle», erzählt Schär.
Für ihn selbst hingegen läuft es gerade ziemlich gut. Er hat sich zur unbestrittenen Stammkraft entwickelt. Auch unter dem neuen Trainer Steve Bruce. Jedes Spiel hat er von Anfang an absolviert. Und auch selbst wahrgenommen, wie sich das Standing im Team verändert hat. «Dieses Gefühl in Worte zu fassen, ist ziemlich schwierig. Ich merke es einfach, im Training, in der Garderobe. Mein Wort hat Gewicht.»
Schärs Weg ist bemerkenswert. Nach Jahren, wo Ungewissheit und Probleme dominierten in Hoffenheim und bei La Coruña, hat er im hohen Norden Englands noch einmal einen grossen Entwicklungsschritt gemacht. Er hat massgeblich dazu beigetragen, dass Newcastle letzte Saison nach einem Horrorstart am Ende souverän den Ligaerhalt schaffte.
Die Frage ist darum auch: Wohin kann das noch führen? Folgt irgendwann noch ein grosser Transfer? «Fragen Sie mich nicht! Ich habe längst aufgehört zu überlegen, was sein könnte. Dafür habe ich viel zu viel erlebt. Aber eines kann ich sagen: Es war ein sehr tolles Gefühl, einmal einen entspannten Sommer zu verbringen ohne die Frage ‹und was kommt jetzt?›»
Dass Schär seine bislang beste Zeit als Fussballer in der Premier League erleben darf, hätte man früher nicht unbedingt erwartet. Sein Körper war in jungen Jahren fragil – eigentlich nicht die beste Voraussetzung für die traditionell ruppige Gangart in England. «Ich kenne meinen Körper mittlerweile viel besser», sagt der Verteidiger.
Er arbeitet zielgerichtet. Auch mithilfe eines privaten Physiotherapeuten. Zudem hat er die Ernährung umgestellt. «Ich verzichte auf Weizenprodukte und so gut es geht auch auf Milchprodukte», erzählt er. Und auch Fleisch kommt ein bisschen weniger häufig auf den Teller als früher.
Bevor Schär im Sommer 2012 mit dem Wechsel vom FC Wil nach Basel den Sprung in den professionellen Fussball geschafft hat, arbeitete er bei einer Bank. Das Interesse an der Materie ist ungebrochen. Letztes Jahr begann er ein Wirtschaftsstudium an einer Fernhochschule in Deutschland. Die ersten Prüfungen hat er erfolgreich absolviert. Das Problem ist nur: Es findet sich kein Institut in England, an dem er die Examen ablegen kann.
Das ist auf die Dauer kaum zu bewältigen. Ganz grundsätzlich findet Schär: «Es schadet im Hinblick auf die Karriere nach der Karriere gewiss nicht, sich etwas herauszufordern. Wobei der Fussball natürlich stets Priorität hat.»
Im Nationalteam ist Schär schon seit einigen Jahren eine feste Grösse. Trotzdem hat sich in diesem Jahr etwas verändert. Vielleicht liegt es an seinem Selbstverständnis, das der Durchbruch in der besten Liga der Welt mit sich bringt. Vielleicht auch an der erlangten Reife. Wer dem Fabian Schär dieser Tage im Schweizer Trikot zuschaut, sieht einen Leader. Einen Abwehrchef, der sich ohne grosse Worte, dafür mit viel Leistung, in der Hierarchie emporgearbeitet hat.
Schär hat in seinem rechten Fuss ein Gefühl für lange Bälle, das kein Schweizer Verteidiger mehr hatte seit Murat Yakin. «Sie hätten durchaus auch sagen dürfen: ‹noch überhaupt niemand›», entgegnet er voller Schalk. Er ist zufrieden mit dem Lob. Kommt dazu, dass Schär seit je her immer wieder gut für ein Tor ist. Zuletzt in Irland, bei diesem heiss diskutierten 1:1 anfangs September.
Es war die Woche, als allzu häufig Xherdan Shaqiri aufgrund seiner Absage im Fokus stand. Trainer und Verband hatten es verpasst, das Thema frühzeitig zu besprechen. So verschleppte es sich, war bis unmittelbar vor dem Spiel Dauerthema, danach ohnehin.
Schär hat das – wie so vielen anderen Spielern – nicht gefallen. «Ich wünsche mir inhaltliche Diskussionen über den Fussball», sagt er. Den Auftritt in Dublin bewertet er als «grundsätzlich gut – aber die Leistung kommt nicht an jene gegen Portugal und England im Nations-League-Final heran, obwohl wir jene Spiele verloren.»
Auch darum ist die Ausgangslage nun heikler als erhofft. Am Samstag spielt die Schweiz in Dänemark. Drei Tage später in Genf gegen Irland. Für wie viele Punkte würde Schär unterschreiben? «Für sechs! Und wenn es vier werden, dann ist das auch kein Weltuntergang.» Hauptsache, nicht verlieren. (aargauerzeitung.ch)
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Naja, wo war es denn ein Dauerthema? Genau, bei den Medien. Und vielleicht noch ei ein paar Blick.ch-Kommentar-Schreiberlingen. Ein von den Journalisten aufgekochter Skandal, mehr nicht. Parradox, das ganze. Sollten sich hier nicht die Medien mehr in die Pflicht nehmen und vor wichtigen Spielen Spekulationen über Nebensächlichkeiten vermeiden? Ich werd's nie verstehen...