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Schalke steigt aus der Bundesliga ab – eine Rekonstruktion des Absturzes

Arena: Schalke defender Timo Becker sits alone on the bench after the German Bundesliga soccer match at Schueco Arena in Bielefeld, Germany, Tuesday April 20, 2021. (Friso Gentsch/pool via AP)
Schalke-Verteidiger Timo Becker ist nach dem definitiven Abstieg vier Spieltage vor Schluss sichtlich enttäuscht.Bild: keystone

Von Madrid nach Paderborn: Eine Rekonstruktion des Schalker Absturzes

Vor drei Jahren feierten die Schalker noch den Vizemeistertitel, nun ist der traditionsreiche Verein aus Gelsenkirchen abgestiegen. Was ist alles schiefgelaufen?
21.04.2021, 09:2621.04.2021, 13:27
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Die Euphorie in Gelsenkirchen war riesig. Hinter den übermächtigen Bayern war man in der Saison 2017/18 das beste Team Deutschlands, noch vor dem ewigen Rivalen Borussia Dortmund. Zudem qualifizierte sich Schalke zum ersten Mal seit drei Jahren wieder für die Champions League. Der damals erst 32-jährige Domenico Tedesco schien der Shootingstar in der deutschen Trainerwelt zu sein und bekam gleich auch einen neuen Vierjahresvertrag.

Doch nur sieben Monate später wurde Tedesco entlassen. Seit dem Trainerwechsel im März 2019 haben fünf verschiedene Coaches an der Seitenlinie der Schalker gestanden, Erfolg hatte bisher keiner. Im Gegenteil, es wurde nur noch schlimmer. Nach der gestrigen Niederlage in Bielefeld müssen die Schalker nun definitiv den Gang in die zweite Bundesliga antreten.

Ein harter Schlag für den Klub und seine Fans. Gerald Asamoah, einer Legende in Gelsenkirchen, sah man die Fassungslosigkeit nach dem Spiel an. Im Interview kämpfte er mit den Tränen und den Spielern: «Wir sind letzter und haben 13 Punkte geholt. Wenn jetzt einer sagt, dass er alles gegeben hat, weiss ich nicht, was ich mit dieser Person machen würde.» Nun wird die Bundesliga nächste Saison zum ersten Mal seit dreissig Jahren ohne Schalke stattfinden. Wie konnte das passieren?

Gerald Asamoah im Interview nach dem Spiel.Video: YouTube/Shot Goal Interviews

Wenn ein Rudy einen Goretzka ersetzen soll

Die Leistungsträger der Vizemeistermannschaft waren zum Teil sehr jung. Innenverteidiger Naldo war der einzige Stammspieler, der die 30 bereits überschritten hatte. Natürlich war das Interesse an den talentierten Jungspunden gross und einige Spieler mussten abgegeben werden. Auch, weil Schalke schon seit Jahren mit finanziellen Problemen zu kämpfen hatte.

Schalke's Leon Goretzka celebrates after he scored the opening goal during the German Bundesliga soccer match between FC Schalke 04 and FSV Mainz 05 at the Arena in Gelsenkirchen, Germany, Friday ...
Leon Goretzka war einer der Erfolgsgaranten bei Schalke. Heute ist er im Mittelfeld des FC Bayern gesetzt. Bild: AP/AP

Umso schwerwiegender, dass sowohl Leon Goretzka (Bayern München) als auch Max Meyer (Crystal Palace) ablösefrei wechseln konnten, da ihre Verträge ausgelaufen waren. Einzig Thilo Kehrers Wechsel zu PSG spülte mit 37 Millionen Euro eine beträchtliche Summe in die Kasse.

Die Einnahmen wurden gleich reinvestiert. Die Abgänge mussten ersetzt und der Kader Champions-League-tauglich gemacht werden. So wurde Sebastian Rudy, der durch den Goretzka-Wechsel bei Bayern überflüssig wurde, für 16 Millionen Euro verpflichtet. Der Rekordmeister bekam also den ablösefreien Goretzka plus eine saftige Geldsumme für Sebastian Rudy. Das war für den damaligen Manager Christian Heidel ein klares Verlustgeschäft.

Rudy machte in der folgenden Saison nur 21 Spiele für die «Königsblauen» und konnte nie richtig überzeugen. In den letzten beiden Saisons wurde er jeweils an Hoffenheim ausgeliehen. Der Mittelfeldspieler war zwar der teuerste, aber nicht der einzige Fehlkauf seit dem Vizemeistertitel bei Schalke 04.

Sebastian Rudy wurde bei Schalke auch unter Trainer Huub Stevens nicht glücklich.
Sebastian Rudy wurde bei Schalke auch unter Trainer Huub Stevens nicht glücklich.Bild: IMAGO / Team 2

Die teuersten Einkäufe seit der Saison 2017/18

  • Nabil Bentaleb, Mittelfeld, 2017 von Tottenham: 19 Mio. €. 3 Saisons/50 Bundesligaspiele/7 Tore/4 Vorlagen.
  • Sebastian Rudy, Mittelfeld, 2018 von Bayern: 16 Mio. €. 2/23/0/0.
  • Ozan Kabak, Verteidiger, 2019 von Stuttgart: 15 Mio. €. 2/40/3/1.
  • Yevgen Konoplyanka, Flügel, 2017 von Sevilla: 12,5 Mio. €. 2/40/5/6.
  • Suat Serdar, Mittelfeld, 2018 von Mainz: 11 Mio. €. 3/70/10/3.
  • Omar Mascarell, Mittelfeld, 2018 von Real Madrid: 10 Mio. €. 3/61/1/4.
  • Rabbi Matondo, Flügel, 2018 von ManCity U23: 9 Mio. €. 3/30/2/0.
  • Amine Harit, Mittelfeld, 2017 von Nantes: 8 Mio. €. 4/98/11/18.

Die Verantwortlichen bei Schalke 04 gaben seit 2017 139,5 Mio. Euro für neue Spieler aus. Das ergibt ein Transferdefizit von 61,25 Mio. Euro und trotzdem waren die Gelsenkirchener eines der erfolglosesten Teams der letzten drei Jahre. Das deutet auf klares Fehlwirtschaften der Führung.

Wenn ein Verein mit finanziellen Problemen dann neben Goretzka und Meyer auch noch Spieler wie Sead Kolasinac (2017 zu Arsenal), Eric Maxim Choupo-Moting (2017 zu Stoke) und Alexander Nübel (2020 zu Bayern) ablösefrei ziehen lässt, ist das Geld für Ersatz knapp.

Christian Heidel war von 2016-2019 als Sportvorstand bei Schalke 04 tätig.
Christian Heidel war von 2016-2019 als Sportvorstand bei Schalke 04 tätig.Bild: IMAGO / Revierfoto

Wenn dem Trauzeugen jeder Baum noch zu Gross ist

Seit Domenico Tedesco entlassen wurde, versuchten fünf weitere Trainer ihr Glück bei den «Königsblauen», doch besser wurde es unter keinem. Huub Stevens agierte zweimal nur als Interimstrainer, aber weder David Wagner, Manuel Baum, Christian Gross noch Dimitrios Grammozis konnten das Ruder herumreissen.

Nach dem Vizemeistertitel waren die Erwartungen an Domenico Tedesco in Gelsenkirchen riesig. Diesen konnten die Schalker nicht gerecht werden. Nach 22 Spielen stand man in der Bundesliga auf Platz 14. Es folgten Niederlagen gegen Mainz (0:3), Düsseldorf (0:4) und Bremen (2:4), wodurch Schalke einem Abstiegsplatz immer näher kam. Als sie sich dann auch noch mit 0:7 gegen Manchester City aus der Champions League verabschiedeten, zogen die Verantwortlichen die Reissleine. Neben Tedesco wurde auch Manager Christian Heidel durch Jochen Schneider ersetzt.

Die Schalker Trainer seit 2017
07/2017 - 03/2019: Domenico Tedesco, 75 Spiele, 1,57 PPS
03/2019 - 06/2019: Huub Stevens, 10, 1,00
07/2019 - 09/2020: David Wagner, 40, 1,20
09/2020 - 12/2020: Manuel Baum, 11, 0,64
12/2020 - 12/2020: Huub Stevens, 2, 1,5
12/2020 - 02/2021: Christian Gross, 11, 0,45
03/2021 - heute: Dimitrios Grammozis, 7, 0,57

Die Schalke-Legende Huub Stevens übernahm bis zum Saisonende und erreichte den Klassenerhalt. Als Nachfolger wurde David Wagner vorgestellt, der mit Huddersfield 2017 in die Premier League aufsteigen konnte, nach einer schwachen Hinrunde aber im Januar 2019 entlassen wurde. Zunächst schien das Experiment mit dem Trauzeugen von Jürgen Klopp zu funktionieren. Schalke spielte eine starke Hinrunde und befand sich punktgleich mit Borussia Dortmund auf Platz 5.

epa08425944 Schalke's head coach David Wagner gestures during the German Bundesliga soccer match between Borussia Dortmund and Schalke 04 in Dortmund, Germany, 16 May 2020. The German Bundesliga  ...
David Wagners Zeit bei Schalke 04 fing sehr gut an, dann ging aber nichts mehr.Bild: EPA

Der Sieg gegen Borussia Mönchengladbach am 18. Spieltag sollte dann aber lange der letzte Bundesligaerfolg des Teams von David Wagner sein. In den verbleibenden 16 Spielen holten die Schalker noch mickrige sechs Punkte und rutschten auf Platz 12 ab. Der Hauptgrund für den Leistungsabfall war die fehlende Effizienz in der Rückrunde. Bereits in der Hinrunde spielte die Offensive der Schalker nur wenige Chancen heraus, doch nutzten sie sie da noch viel effizienter. In der Rückrunde war das nicht mehr der Fall. Noch dazu kam die schlechtere Leistung der Verteidigung, die im Vergleich zur Hinrunde nicht mehr so sattelfest stand.

Die «Analytics» im Fussball
Jeder Fussballfan kennt die traditionellen Statistiken wie Tordifferenz oder erzielte Punkte. Da muss man nichts erklären. Doch mit der gesteigerten Wertschätzung von Daten auch im Sport und den damit verbundenen neuen Erkenntnissen wurden neue Statistiken entwickelt. Dazu gehören auch die erwarteten Tore, Gegentore und Punkte.
Die Berechnung dieser wird durch Computer durchgeführt. Dabei werden die Torschüsse aufgrund ihrer Distanz zum Tor, dem Winkel, der Position der Verteidiger und weiteren Faktoren mit früheren Spielsituationen verglichen und dem Schuss dann eine Torwahrscheinlichkeit zwischen
0 und 1 zugewiesen. So werden die erwarteten Tore («xG») und die erwarteten Gegentore («xGA») berechnet. Daraus folgen dann auch die erwarteten Punkte («xPTS»).
Die Tabelle der Saison 2019/20 nach 18 Spieltagen mit den Erwartungswerten.
Die Tabelle der Saison 2019/20 nach 18 Spieltagen mit den Erwartungswerten.screenshot: understat.com
Die Tabelle der letzen 16 Spieltage der Saison 2019/20 mit den Erwartungswerten.
Die Tabelle der letzen 16 Spieltage der Saison 2019/20 mit den Erwartungswerten.screenshot: understat.com

Der Vergleich der beiden Tabellen zeigt: Kein Team übertraf die erwartete Punktzahl in der Hinrunde stärker als Schalke. Sowohl bei den Toren als auch den Gegentoren sind die effektiven Zahlen deutlich besser als die Daten vorhersagen würden. In der Rückrunde ist das Gegenteil der Fall. Die Chancen wurden nicht mehr genutzt und zudem liessen die Königsblauen gleich zehn Gegentore mehr zu als zu erwarten gewesen wäre.

Glücklos: In 21 Bundesligaspielen 2019/20 blieb Guido Burgstaller ohne Tor.
Glücklos: In 21 Bundesligaspielen 2019/20 blieb Guido Burgstaller ohne Tor.Bild: IMAGO / Kirchner-Media

Trotzdem entschieden sich die Verantwortlichen an David Wagner festzuhalten, nur um ihn nach zwei Niederlagen zum Saisonstart gegen Bayern (0:8) und Bremen (1:3) dann doch zu entlassen.

«Wir alle hatten gehofft, dass wir die sportliche Wende zusammen mit David Wagner schaffen können. Leider haben die ersten beiden Spieltage der neuen Saison nicht die dafür notwendigen Leistungen und Resultate erbracht.»
Jochen Schneider, Sportvorstand bei Schalke, nach der Entlassung von David Wagner.

So suchten die Schalker also nach zwei Spieltagen der neuen Saison schon wieder einen Trainer. Die Auswahl war so kurz nach dem Saisonstart nicht wirklich gross. Die Entscheidung fiel auf den Trainer der U18-Nationalmannschaft Manuel Baum. Der ehemalige Trainer von Augsburg tippte Schalke vor der Saison bei «Sky» auf Platz 15 und sagte bei seiner Antrittsrede, dass er das Team besser als seine Prognose sehe.

Die Entscheidung Baum einzustellen entpuppte sich aber wie dessen Einschätzung schnell als falsch. Nach drei Unentschieden in den ersten fünf Spielen konnten die Schalker unter Baum aus den darauffolgenden fünf Spielen nur noch einen Punkt einfahren, woraufhin der 41-Jährige seinen Spind schon wieder räumen musste.

Die Nachfolge Baums trat Christian Gross an. Huub Stevens war in der Zwischenzeit während zweier Spiele eingesprungen. Gross' Verpflichtung war eine Überraschung, war der Schweizer doch seit mehreren Jahren aus dem europäischen Fussballgeschäft verschwunden. Nun sollte der 66-Jährige die Katastrophe abwenden.

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Mit seinem Hattrick sorgte Matthew Hoppe (m.) für den ersten Sieg der Saison.Bild: keystone

Immerhin gelang im zweiten Spiel unter Gross gegen Hoffenheim der erste Sieg der Saison und seit fast einem Jahr. Dadurch konnte man zumindest verhindern, den Tasmania-Rekord für die meisten Spiele ohne Sieg in Folge zu brechen. Doch die Stimmung wurde in den folgenden Partien schnell gedämpft.

Unter Gross gelangen in den weiteren acht Spielen nur noch zwei Punkte und nach den Niederlagen gegen Dortmund (0:4) und in Stuttgart (1:5) wurde dann auch der vierte Trainer der Saison freigestellt. Auch Jochen Schneider musste die Koffer packen, für ihn übernahm Peter Knäbel die sportliche Leitung.

«Die sportliche Situation ist eindeutig, deshalb müssen wir bei jeder noch zu treffenden Personalentscheidung auch über die Saison hinausdenken.»
Mitteilung des Aufsichtsrates nach den Entlassungen von Christian Gross und Jochen Schneider.

In der Folge wurde mit Dimitrios Grammozis ein jüngerer Trainer geholt, der über die Saison hinaus bleiben und den Verein wieder in die erste Liga führen soll. Die Wende schaffte er in den verbleibenden Spielen erwarteterweise nicht, doch kann man ihm keinen grossen Vorwurf machen. Das Team, das er vorfand, war in keinster Weise bundesligareif und nun muss er die Scherben, die ihm seine Vorgänger und die sportliche Leitung hinterlassen haben, erstmal wieder zusammensetzen. In den ersten Spielen mit dem Sieg gegen Augsburg war zumindest ein Aufwärtstrend erkennbar, der durch die herbe Niederlage in Freiburg und dann in Bielefeld wieder jäh gestoppt wurde.

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Dimitrios Grammozis ist der neuste Trainer in der Veltins Arena.Bild: keystone

Wenn weder der Kader noch das Training zusammenpasst

Der dritte Trainerwechsel der Saison zeigte die Fehler der Führung um Jochen Schneider nicht nur bei der Trainerwahl, sondern auch bei der Kaderplanung. Das Team war schlecht zusammengestellt. Bereits David Wagner beklagte sich über fehlende Transfers. So fehlen gerade in der Offensive Spieler, die das Heft in die Hand nehmen können. Die wenigen Chancen, die sich den Stürmern boten, nutzten diese ineffizient. Zudem konnte einzig Amine Harit mehr als zwei Tore vorbereiten.

Für Sky-Experte Lothar Matthäus ist das Kader «einfach schlecht zusammengestellt und nicht zeitgemäss». Es fehle die Geschwindigkeit, vor allem auf den Flügeln seien die falschen Entscheidungen getroffen worden. Die Ursache sei, dass man Spieler für viel Geld geholt habe, die wenig Leistung gebracht hätten, während man gute Spieler abgegeben oder ablösefrei ziehen gelassen habe.

Lothar Matthäust kritisiert die Schalker scharf.
Lothar Matthäust kritisiert die Schalker scharf.Bild: IMAGO / Team 2

Doch nicht nur das Kader war falsch zusammengestellt, auch das Training der verschiedenen Trainer war nicht immer förderlich. Der Mannschaft fehlte die nötige Fitness. Bevor Grammozis übernahm, war die Laufleistung der «Königsblauen» die schlechteste der Liga. In den letzten Spielen hat sich das deutlich verbessert. Beim Sieg gegen die Augsburger liefen die Spieler des FC Schalke im Ligavergleich am sechstmeisten. Hatten die Schalker in der Schlussviertelstunde über die ersten 23 Spieltage gesehen ein Torverhältnis von 3:17 – beides Tiefstwerte der gesamten Liga – wurde es unter Grammozis zumindest in diesem Bereich besser. In sieben Spielen schossen die Schalker ab der 76. Minute ein Tor und kassierten auch nur eins.

Die Gründe für diese Missstände wurden in einem Bericht der «Sport Bild» offengelegt. Vor allem Christian Gross wurde für seine Trainingsmethoden kritisiert. Der Schweizer unterbrach die Einheiten immer wieder für mehr als zehn Minuten. Angeblich baten die Spieler ihn auch mal, das Training fortzusetzen, da ihnen kalt wurde. Die Folgen sah man auf dem Platz. Gerade in den letzten Spielen unter Gross waren die Schalker im Ligavergleich das lauffaulste Team.

epa08892085 Schalke players warm up during their team's training session with new interim head coach Huub Stevens (not pictured) in Gelsenkirchen, Germany, 18 December 2020. German Bundesliga soc ...
Keine Stärke der Schalker in dieser Saison: das Laufen.Bild: keystone

Doch auch Gross' Vorgänger machten nicht alles richtig. Vor der Saison wurde ein Fitnesschef eingestellt, der die Mannschaft fitter machen sollte. Seine strengen Massnahmen konnte David Wagner aber nicht sinnvoll mit seinem Training verbinden und einzelne Spieler waren der Meinung, dass ein Teil der Verletzungen mit einem besser dosierten Training hätte verhindert werden können.

Manuel Baum gelang dies in der Folge besser, unter ihm liefen die Schalker am meisten. Er kontrollierte die Daten der Spieler auch während des Trainings, Gross hielt davon nicht viel. Für Dimitrios Grammozis war die Zeit dann zu kurz, um sowohl Fitness als auch Erfolg in die Mannschaft zurückzubringen. Zumindest beim ersten Punkt hat das Team unter dem 42-Jährigen einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, die Sache mit dem Siegen wird sich nächste Saison in Liga zwei zeigen.

Wenn der «Knappen-Schmiede» das Eisen ausgeht

Die Schalker waren immer bekannt für ihre gute Jugendarbeit. Die sogenannte «Knappen-Schmiede» brachte Spieler wie Manuel Neuer oder Mesut Özil hervor. Auch Julian Draxler, Thilo Kehrer (beide PSG), Joel Matip (Liverpool) und Leroy Sané (Bayern) schafften es mit Schalker Ausbildung zu internationalen Topklubs.

STUTTGART, GERMANY - SEPTEMBER 20: Leroy Sane of Schalke celebrates scoring the opening goal during the Bundesliga match between VfB Stuttgart and FC Schalke 04 at Mercedes-Benz Arena on September 20, ...
Leroy Sané ist nur einer von vielen Stars, die aus der Schalker Jugend kamen.Bild: Bongarts

Doch seit Sané 2016 für 50.5 Mio. Euro zu Manchester City wechselte und Thilo Kehrer 2018 für 37 Mio. Euro nach Paris ging, wurde kein Juwel aus der eigenen Jugend mehr verkauft. Im aktuellen Kader befinden sich zwar immer noch einige Spieler, welche die Schalker Jugendmannschaften durchlaufen haben, doch keiner besitzt einen Marktwert von über 4.5 Mio. Euro. Matthew Hoppe ist die grösste Hoffnung der «Königsblauen», aber auch er zeigte nicht die Effizienz, die man sich nach seinem Hattrick gegen Hoffenheim von ihm erhofft hatte.

Die aktuellen Spieler aus der eigenen Jugend im Kader von Schalke
Sead Kolasinac (Alter: 27, von Arsenal ausgeliehen): 8 Mio. € (Marktwert)
Matthew Hoppe (20): 4.5 Mio. €
Can Bozdogan (20): 2.5 Mio. €
Malick Thiaw (19): 2.0 Mio. €
Ralf Fährmann (32): 1.6 Mio. €
Nassim Boujellab (21): 1.2 Mio. €
Timo Becker (24): 1.0 Mio. €
quelle: transfermarkt.ch

Wenn der Fleischbaron kein Fettnäpfchen auslässt

Clemens Tönnies war 19 Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender und teilweise auch Geldgeber bei Schalke 04. Der 65-Jährige ist einer der reichsten Deutschen, sein Geld hat er mit der Fleischfabrik, die er mit seinem Bruder gegründet hat, gemacht. Tönnies sorgte immer wieder für Nebengeräusche, so wurde wegen Steuerhinterziehung gegen ihn ermittelt und auch bei den Cum-Ex-Geschäften sei er involviert gewesen.

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Clemens Tönnies war lange im Verein von Schalke 04 tätig.Bild: keystone

Im Sommer 2019 sorgte er allerdings für einen Eklat. In einer Rede äusserte sich Clemens Tönnies dazu, wie der Klimawandel aufgehalten werden könne. Er sprach sich gegen höhere Steuern aus, schlug aber vor, 20 Kraftwerke in Afrika zu finanzieren.

«Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren»
Clemens Tönnies

Tönnies entschuldigte sich in der Folge, doch der Schaden war angerichtet. Der Aufsichtsratsvorsitzende wurde des Rassismus beschuldigt und die Fans forderten seinen Rausschmiss. Wirklich bestraft wurde der Fleischfabrikbesitzer aber nicht. Der fünfköpfige Ehrenrat von Schalke hielt die Rassismusvorwürfe für «unbegründet». Tönnies entschied sich, das Amt drei Monate ruhen zu lassen, doch entging einer Amtsenthebung. Den Fans, die bereits vor dem Entscheid Widerstand ankündigten, gefiel der Entscheid nicht und bezogen sich dabei auf das Leitbild des Vereins, das mit den Aussagen von Tönnies nicht vereinbar ist.

Huesmann zum Schalke-Eklat

Video: Roberto Krone

Trotz der heftigen Reaktionen und Vorwürfen auch aus dem eigenen Klub von Gerald Asamoah hielt sich der Beschuldigte also im Amt – bis der nächste Skandal kam. Mitten in der Coronakrise brachten die Vorfälle in einer von Tönnies' Fleischfabriken das Fass zum Überlaufen. In Gütersloh waren über 1'500 Angestellte positiv getestet worden.

Die Arbeitsbedingungen und hygienischen Verhältnisse waren sehr schlecht und trieben die Infektionen mit voran. Clemens Tönnies war als Geschäftsführer einer der Hauptverantwortlichen und musste dafür herbe Kritik einstecken. Die Fans der Schalker protestierten gegen den langjährigen Vorsitzenden unter dem Motto «Schalke ist kein Schlachthof – gegen die Zerlegung unseres Vereins». Der Fanszene missfiel ausserdem, dass Tönnies plante, die Profiabteilung auszugliedern.

Nach 19 Jahren als Aufsichtsratschef legte Clemens Tönnies Ende Juni 2020 sein Amt nieder. Einen Grund gab er nicht an, doch die Vorfälle in der Fleischfabrik und die anhaltende Kritik der Fans schienen ihn zu seinem Entscheid bewogen zu haben. Die Aufregung rund um Tönnies sorgte mitten in der sportlich katastrophalen Rückrunde erneut dafür, dass der Fokus im Verein nicht alleine auf den Leistungen auf dem Platz lag. Mit dem Rücktritt und dem Nachfolger Jens Buchta sollte wieder etwas mehr Ruhe in den Verein einkehren.

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Bei den Fans war Tönnies spätestens seit seinen rassistischen Aussagen nicht mehr gerne gesehen.Bild: EPA

So ganz gelang das aber nicht und als sich Schalkes wirtschaftlichen und finanziellen Probleme durch die Folgen von Corona noch verschlimmerten, bot Tönnies seine Hilfe an. Obwohl der Verein diese zunächst noch ablehnte, stimmte der Aufsichtsrat dann doch für den finanziellen Zustupf von Tönies' Fleischkonzern. Die finanziellen Probleme kommen zu den sportlichen noch dazu und auf der Tilgung der Schulden wird auch in der zweiten Bundesliga ein Hauptaugenmerk liegen.

Wie geht es jetzt weiter?

Den Führungswechsel haben die Schalker im Laufe der Entlassung von Christian Gross und Sportchef Jochen Schneider vollzogen. Dimitrios Grammozis soll der Trainer der Zukunft sein und den Verein so schnell wie möglich zurück ins Oberhaus bringen. Die Ansätze, die in den ersten Spielen unter dem neuen Coach zu sehen waren, deuten in die richtige Richtung.

Die Nachfolge Schneiders übernahm Peter Knäbel. Der SRF-Experte zeigte sich realistisch und sprach bereits bei Amtsantritt von der zweiten Liga. Auf den 54-Jährigen warte eine «Herkulesaufgabe», denn der Kader muss nach dem Abstieg radikal umgebaut werden. Der Schuldenberg von 240 Millionen Euro drückt und das Budget schrumpft in der 2. Bundesliga auf rund 20 bis 30 Millionen Euro.

Peter Knäbel arbeitet schon am Kader für die zweite Liga.
Peter Knäbel arbeitet schon am Kader für die zweite Liga.Bild: IMAGO / RHR-Foto

Das Problem ist nur, dass einige der Topverdiener laut «Bild» mit Verträgen für die zweite Liga ausgestattet sind. So würde der an Hoffenheim ausgeliehene Sebastian Rudy bei einer Rückkehr sechs Millionen Euro Gehalt bekommen. Insgesamt sechs Spieler würden auch nach dem Abstieg mehr als 3 Millionen Euro jährlich erhalten. Knäbel & Co. müssen zumindest einen Teil der Verträge loswerden. Doch wer bezahlt so viel Geld für Spieler, die in der vergangenen Saison keinerlei Eigenwerbung betrieben haben?

Die teuersten Verträge für die 2. Bundesliga
Sebastian Rudy (31): 6.0 Mio. Euro
Mark Uth (29):
4.0 Mio. Euro
Matija Nastasic (28): 3.5 Mio. Euro
Salif Sané (30): 3.5 Mio. Euro
Amine Harit (23): 3.5 Mio. Euro
Omar Mascarell (28): 3.15 Mio. Euro
Ralf Fährmann (32): 2.5 Mio. Euro
Suat Serdar (24): 2.5 Mio. Euro
Bastian Oczipka (32): 2.0 Mio. Euro
Benjamin Stambouli (30): 2.0 Mio. Euro
quelle: «bild»

Weder Rudy noch Uth werden einen anderen Arbeitgeber finden, der ihr aktuelles Gehalt stemmen wollte – würden sie auf Gehalt verzichten, um Bundesliga spielen zu können? Auch die anderen Verträge kann sich Schalke nicht alle leisten und nur durch Verkäufe könnte man sich punktuelle Verstärkung wie beispielsweise Simon Terodde leisten.

03.02.2021 - Fußball, 2020/2021, DFB-Pokal, Achtelfinale, VfL Wolfsburg - FC Schalke 04: Malick Thiaw Schalke DFB regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video. Wol ...
Malick Thiaw soll eine der Stützen für die Zukunft bei Schalke sein – auch in Liga zwei.Bild: imago images/Noah Wedel

Immerhin: die jungen Spieler Malick Thiaw (19), Can Bozdogan (19) und Timo Becker (24) haben günstige Verträge für die zweite Liga. Rund um diese drei und Matthew Hoppe (20) soll ein Kader aufgebaut werden, der langfristig auch in der Bundesliga wieder bestehen kann.

Die Bundesliga ist in Gelsenkirchen aber erst einmal Vergangenheit und vor dem FC Schalke 04 steht eine Menge Arbeit, um den Kader für die zweite Liga konkurrenzfähig zu machen. Denn die Königsblauen sind nicht die einzigen, die sich nächste Saison Hoffnungen auf den Aufstieg machen. So bleiben viele Fragen noch offen, doch Peter Knäbel und Dimitrios Grammozis scheinen die richtigen zu sein, um die Antworten darauf zu finden.

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quelle: ap/ap / michael sohn
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16 Kommentare
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R10
21.04.2021 10:04registriert Juli 2016
Der Vizemeister-Titel hat S04 am Ende mehr geschadet als genutzt. Durch schwächelnde Konkurrenz und Glück hat man die Saison viel besser abgeschlossen als man eigentlich gespielt hat. Tedesco, eigentlich ein vielversprechender Trainer, wurde zu schnell zu hoch gelobt, konnte die hohen Erwartungen nicht erfüllen und wurde gefeuert sobald S04 wieder realistische Ergebnisse lieferte. Ein talentierter Trainer wurde verheizt und seitdem herrscht Chaos. Die katastrophale Transfer- u. Vertragspolitik tun ihr Übriges. Ich glaube nicht, dass wir S04 in naher Zukunft wieder in der 1. BL sehen werden.
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c-bra
21.04.2021 09:43registriert April 2016
Was einem dabei wieder klar wird, ist die Tatsache, dass es extrem schwierig ist in der deutschen Liga zu bestehen. Wenn du da als Verein nicht dran bleibst, wirst du nach hinten durchgereicht. Das spricht einfach für die Qualität der Bundesliga, da kann wirklich jeder jeden schlagen.

Schalke muss jetzt aufpassen, dass diese Negativspirale in der 2. Bundesliga nicht fortgesetzt wird, denn auch diese hat ein sehr hohes Niveau.
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In der 25. Minute brachte Verteidiger Santeri Alatalo die Luganesi mit dem zweiten Powerplay-Tor der Gastgeber in diesem Spiel 2:1 in Führung. Es war eine Premiere für die Bianconeri, hatten sie doch in den ersten fünf Partien in dieser Serie im Mitteldrittel kein Tor zu Stande gebracht. 67 Sekunden später erhöhte Stéphane Patry gar auf 3:1. Die Spieler von Lugano schienen nun über das Eis zu fliegen, vor lauter Euphorie wurden sie jedoch zu übermütig, was zu einer 3:1-Situation für Gottéron führte, die Killian Mottet (32.) mit dem erneuten Anschlusstreffer für den Qualifikations-Zweiten abschloss.

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