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Mit Lionel Messi startete der Kinderhandel der Fussball-Topklubs

Ob ein 6-Jähriger wirklich so aussehen sollte?

Mit Lionel Messi startete der Kinderhandel – die dreisten Tricks der Topklubs

Fussballprofi ist der Traum, vielfach geht er nicht in Erfüllung. Ein Blick auf den modernen Kinderfussball.
28.07.2020, 07:2528.07.2020, 07:44
raphael gutzwiler / ch media
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Das Video dauert 23 Sekunden. Es zeigt einen Jungen im Barcelona-Trikot. Er blickt in die Kamera und sagt: «Hello Lionel Messi. I love you.» Dann schnappt er sich einen Fussball, jongliert diesen gekonnt, zum Abschluss vollführt er einen perfekt ausgeführten Fallrückzieher, der Ball landet im Tor. Arat Hosseini heisst der Junge, sechs Jahre alt ist er, auf Instagram hat er 4,1 Millionen Follower.

Hosseini ist das neuste Beispiel eines talentierten Fussballwunderkindes. Er stammt aus dem Iran, mit seinem Vater ist er inzwischen nach England gezügelt mit der Hoffnung bei einem grossen Profiklub zu unterschreiben. Inzwischen trainiert der Sechsjährige, der schon ein Sixpack besitzt, in der Liverpool Academy. Der englische Meister FC Liverpool kann ihn aber nicht unter Vertrag nehmen. In diesem bekannten Fall würde es wohl auffallen, wenn ein Vertrag unterschrieben würde. Internationale Transfers von Kindern sind verboten. Die Website des Fussballweltverbandes Fifa bezeichnete Hosseini in einem Artikel als neuen Lionel Messi.

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Eines von unzähligen Videos von Arat Hosseini.

Ausgerechnet. Mit Lionel Messi startete der lukrative Kinderhandel im Fussball. 13 Jahre als ist Messi, als der FC Barcelona 2000 auf den kleinwüchsigen Jungen aus Argentinien aufmerksam wird. Der spanische Topklub verpflichtet Messi, ermöglicht ihm eine Hormontherapie, damit er wächst, seine Eltern erhalten Jobs. Später ist Lionel Messi Millionen wert, er wird sechs Mal Weltfussballer.

Vom Hobbit zum Hipster: Lionel Messi im Wandel der Zeit

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Vom Hobbit zum Hipster: Lionel Messi im Wandel der Zeit
Lionel Messi betritt im Sommer 2005 erstmals die grosse Fussballbühne. Bei der U20-WM schiesst er Argentinien mit sechs Toren und Schulbuben-Frisur zum Titel.
quelle: x00175 / â© reuters photographer / reuter
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Kinder werden zur Wegwerfware

Um den Handel mit Minderjährigen zu verbieten, hat die Fifa 2001 den Paragrafen 19 im Transferreglement ein­geführt. Spieler unter 18 Jahren dürfen nicht international transferiert werden, innerhalb der EU (inklusive Schweiz) liegt diese Grenze bei 16 Jahren. Lange kümmern sich die Topvereine wenig um den Paragrafen, ehe 2014 der FC Barcelona eine zweijährige Transfersperre kassiert. Mindestens zehn Spieler unter 16 Jahren hat Barcelona verpflichtet. Zum Beispiel Takefusa Kubo aus Japan, der mit 10 Jahren zum FC Barcelona wechselt und nach der Bestrafung des Vereins nach Japan zurückkehrt. Heute gehört er Real Madrid.

epa07951262 RCD Mallorca's Japanese midfielder Takefusa Kubo prior to the Spanish LaLiga soccer match between CD Leganes and RCD Mallorca at Butarque stadium in Leganes, Madrid, Spain, 26 October ...
Kubo wechselte bereits mit 10 Jahren zum FC Barcelona.Bild: EPA

Wer dachte, Kinderhandel gehöre damit der Vergangenheit an, täuschte sich. Später wurden auch Atletico Madrid und Chelsea bestraft. Häufig schaffen es die Topvereine aber, Schlupflöcher zu finden. So wird versucht, die Familie ins Land des Vereins zu lotsen. Dies wäre nicht erlaubt, ein Umzug müsste unabhängig vom Fussball geschehen. Bei Andreas Christensen fliegt es auf. Als der Däne mit 16 Jahren zu Chelsea wechselt, erhält sein Vater einen Job im Verein.

«Das kann man auch als innovative Ausbeutung bezeichnen. Oder sogar als eine Art von Sklaverei»
Sportwissenschaftler Earnest Acheampong

Besonders dreist ist der Handel mit Talenten aus ärmlichen Verhältnissen. Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich 15'000 Kinder und Jugendliche von Beratern nach Europa verschleppt werden, in der Hoffnung Fussballprofis zu werden. Die wenigsten finden einen Verein, viele landen auf der Strasse.

Dreist ist auch das Vorgehen des englischen Spitzenteams Manchester City, wie Fussball-Leaks aufgedeckt hat. Der reiche Verein lässt sich die Fussball-Akademie mit dem Namen «Right to Dream» in Ghana eine Million Euro jährlich kosten. Durch die Investition sichert sich Manchester City das Vorkaufsrecht für die Talente. «Das kann man auch als innovative Ausbeutung bezeichnen. Oder sogar als eine Art von Sklaverei», sagt Sportwissenschaftler Earnest Acheampong von der Universität Winneba gegenüber NDR. Die Talente verkommen zur Spekulationsware. Eine andere Strategie wird Real Madrid und Barcelona vorgeworfen. Die Talente werden nicht offiziell verpflichtet, sondern zügeln angeblich unabhängig vom Fussball nach Spanien und spielen zunächst für ein Farmteam in der Region. Wenn sie sich gut entwickeln, werden sie von den Topvereinen verpflichtet.

Schweizer Talente wechseln oft mit 16 ins Ausland

Transfers von Minderjährigen innerhalb eines Landes sind legal. Dennoch sorgte der Transfer von Supertalent Youssoufa Moukoko im Alter von 11 Jahren von St. Pauli ins über 300 Kilometer entfernte Dortmund für Schlagzeilen. Ähnlich war es bei zwei 13-Jährigen, die von Berlin nach Hoffenheim wechselten.

Fälle von Schweizer Talenten, die illegal transferiert wurden, sind nicht bekannt. Doch oft wechseln sie mit 16 Jahren zu Topklubs. Was mit Philippe Senderos oder Johan Djourou begann, ist immer noch häufig. Ein aktuelles Beispiel dafür ist Sturmtalent Bradley Fink, der im Sommer 2019 mit 16 von Luzern zu Dortmund wechselte.

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quelle: keystone / pablo garcia
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48 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Grohenloh
28.07.2020 07:47registriert August 2018
Ich hoffe, das Bild am Anfang ist nicht echt. Sonst gehören die Eltern und alle Beteiligten wegen Kindsmissbrauchs verurteilt!
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Nik G.
28.07.2020 08:40registriert Januar 2017
Ach deshalb hat Barcelona UNICEF von ihren Shirts entfernt....
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Roro Hobbyrocker
28.07.2020 08:04registriert August 2016
In Afrika oder Arabien verstehe ich der Antrieb dieser Kinder schnell zu einem grossen Europäischen Klub zu wechseln. In der Schweiz jedoch nicht. Warum sollte ein 16 Jähriger in der Schweiz Aufgewachsener nach England wechseln. Dort müsste er sich gegen andere 100 Jugendliche durchsetzen und darf im Glücksfall einmal mit einem Star trainerien. Nach 4 Jahren dann wieder zurück in die Schweiz und vielleicht in der 1.Liga spielen. Warum nicht zu einem besseren Schweizer Klub und sich zuerst dort durchsetzen. Dies Verspricht mehr Erfolg.
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