Der Spruch kommt in Italien alle Jahre so zuverlässig wie das viel zitierte Amen in der Kirche. «Inter gewinnt den Scudetto im August, Juventus Turin im Mai.» Auch in diesem Sommer gilt Inter Mailand zumindest als Mitfavorit auf den Titel und als erster Herausforderer von Juventus Turin, das die Meisterschaft nun acht Mal in Folge dominiert hat.
Ein Name soll dafür bürgen, dass die Hoffnungen nicht spätestens nach der Hinrunde Schall und Rauch sind und der Erzrivale aus Turin frühzeitig ausser Reichweite liegt: Antonio Conte.
Ausgerechnet er, der Ur-Juventino, soll Inter zum ersten Titel seit zehn Jahren und der Tripel unter Jose Mourinho (Scudetto, Champions League, Cup) führen. Conte ist in den Augen vieler Inter-Fans die Symbolfigur vieler Turiner Erfolge. Als Spieler (1992 bis 2004) und später als Trainer (2011 bis 2014) wurde er mit Juventus achtmal Meister sowie einmal Cup-, Champions-League- und UEFA-Cup-Sieger.
Der Trainer Conte ist ein Garant für schnellen Erfolg. Mit Juventus (2012) und Chelsea (2017) wurde er auf Anhieb Meister, obwohl seine Teams nicht zu den Favoriten zählten. Das italienische Nationalteam führte er trotz mässigem Kader an der EM 2016 zu Siegen gegen Belgien und Spanien und in die Viertelfinals. Deshalb also sind sie in Mailand zuversichtlich, dass es auch mit Inter klappt – und zwar schon in diesem Jahr.
Nur mit Conte allein lässt sich die Aufbruchstimmung bei Inter aber nicht erklären. Die Mannschaft ist durchaus gut zusammengestellt; im Gespann mit Sportdirektor Giuseppe Marotta, mit dem er bereits bei Juventus grosse Erfolge erzielte, drehte Conte personell an den richtigen Schrauben. Die Dreierabwehr wurde mit Diego Godin von Atlético Madrid komplettiert, im Mittelfeld sollen die italienischen Nationalspieler Nicolo Barella von Cagliari und Stefano Sensi von Sassuolo für spielerische Qualität sorgen und für den Angriff wurde das Schwergewicht Romelu Lukaku von Manchester United verpflichtet.
Hard work and Happiness @Inter 💙🖤
— R.Lukaku Bolingoli9 (@RomeluLukaku9) August 17, 2019
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Inter könnte damit eine fast vorbehaltlos rosige Zukunft prognostiziert werden, wäre da nicht ein ungelöster heikler Fall. Noch immer ist der abgesetzte Captain Mauro Icardi zumindest halbwegs an Board. Der Stürmer aus Argentinien hat für Inter in der Serie A in 219 Spielen 124 Tore erzielt. Doch Conte will ihn nicht im Team haben.
Der Klub hat längst ein Angebot von Napoli akzeptiert. Aber Icardi und noch mehr seine Lebenspartnerin und Managerin Wanda Nara, ein argentinisches Playmate, das in Italien für verschiedene TV-Sender arbeitet, wollen das mondäne Mailand nicht durch das schmuddelige Neapel eintauschen. Auch eine lukrative Offerte von Monaco hat Icardi abgelehnt. Solange Icardi die Drehkreuze des Trainingszentrums in Appiano Gentile passiert, sind Ärger und Missstimmung bei Inter ebenso möglich wie sportlicher Erfolg.
Auch wegen des ungelösten Falls Icardi bleibt Juventus Turin mit Superstar Cristiano Ronaldo der Topfavorit auf den Titel. Doch während bei Inter die Euphorie riesig ist, bewegt sich das Stimmungsthermometer in Turin im erstaunlich kühlen Bereich.
Der Klub hat weniger Saisonkarten verkauft als in den letzten Jahren. Da ist der Dauererfolg, welcher die Tifosi etwas träge macht. Da ist aber auch der neue Trainer Maurizio Sarri, mit dem die Turiner Klientel nicht richtig warm wird. Zu lange hat dieser, als er noch im Sold von Napoli stand, Giftpfeile gegen Juventus abgeschossen wegen der Spielweise der Turiner und der angeblichen Bevorteilung durch Schiedsrichter und Verband.
Sarri hat immer die Schönheit des Spiels über den Erfolg gestellt. Damit ist er auf dem Rasen regelmässig an Juventus gescheitert, dessen Kernkompetenz seit Jahrzehnten der Pragmatismus ist. Nun aber kehrte Sarri als Erfolgstrainer nach Italien zurück, weil er mit Chelsea die Europa League gewann.
Die Klubführung von Juventus hofft, dass Sarri sportlichen Erfolg mit Ästhetik vereint. Etwas, das der Rekordmeister in den letzten Jahren unter Massimiliano Allegri nicht geschafft hat. Ebenso wenig übrigens wie unter dessen Vorgänger Conte, der nun versucht, im Mailänder Feindesland seine eigentliche Liebe mit deren eigenen Waffen zu schlagen.
Nur noch drei Schweizer sind in der Serie A engagiert. Weniger waren es letztmals vor 13 Jahren. In der vergangenen Saison spielten neun Schweizer in der höchsten Liga Italiens. 2010/11 waren es 15. Remo Freuler, Ricardo Rodriguez und Blerim Dzemaili steht ein schwieriges Jahr bevor – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Der Mittelfeldspieler hat sich im Nationalteam einen Stammplatz erkämpft und ist auch bei Atalanta Bergamo im zentralen Mittelfeld gesetzt. Für das letztjährige Überraschungsteam dürfte es schwierig werden, den 3. Platz zu verteidigen. Die Teilnahme an der Champions League wird viel physische und mentale Kraft kosten. Der Druck und der Anspruch sind gewachsen. Ein schlechter Start – in der letzten Saison scheiterte Atalanta in der Europa League in der Qualifikation und war in der Serie A an Weihnachten nur auf Platz 11 klassiert – würde dieses Mal medial durchaus kritischer beäugt.
Der Zürcher Aussenverteidiger steigt bei Milan in seine dritte Saison – und ist erstmals nicht mehr unbestritten. Zum Auftakt wird Rodriguez dabei sein, doch danach muss er um seinen Stammplatz kämpfen. Auf seiner Position hat Milan für 20 Millionen Euro von Real Madrid Theo Hernandez verpflichtet, der dank seinem aggressiven und offensiven Spielstil in der Gunst des neuen Trainers Marco Giampaolo höher zu stehen scheint als Rodriguez. Allerdings ist Hernandez derzeit noch verletzt.
Der Routinier hat wegen einer Wadenverletzung mehrere Wochen der Vorbereitung verpasst. Als Captain dürfte er in die Stammformation zurückkehren, sobald er ganz fit ist. Diese Woche hat Dzemaili wieder mit der Mannschaft trainiert. Wegen der Leukämieerkrankung von Coach Sinisa Mihajlovic hat Bologna eine schwierige Zeit hinter sich. Der Trainer ist physisch abwesend, aber doch immer irgendwie präsent. Er tausche sich mit Mihajlovic über jedes Detail aus, sagte Assistent Emilio De Leo, der vorläufig die Verantwortung an den Spieltagen trägt. Ob und wann Mihajlovic zurückkommt, ist ungewiss. «Es war eine spezielle Vorbereitung, aber wir haben hart gearbeitet – auch für den Trainer und dessen Staff, die uns letzte Saison vor dem Abstieg gerettet haben», sagte Dzemaili.