Die Hinrunde hatte so viel Mut gemacht. So viele Hoffnungen geschürt. Der FC Schalke 04 überzeugte unter dem neuen Trainer David Wagner. Er verlor nur drei Spiele und überwinterte auf Rang 5, in Tuchfühlung mit den Champions-League-Plätzen und nur sieben Punkte hinter dem Tabellenführer RB Leipzig.
Und jetzt? Ist Schalke so tief im Schacht wie die Kumpel einst im Ruhrgebiet in ihren Zechen. Nach der Corona-Pause gab es zunächst ein 0:4 im Revierderby bei Borussia Dortmund. Und gestern im eigenen Stadion eine 0:3-Niederlage gegen den FC Augsburg.
Their plans: 2020: pic.twitter.com/uqzyQEjDa7
— FC Augsburg (@FCA_World) May 24, 2020
Das wäre ja alles noch halb so schlimm, wären nicht die Resultate vor der Zwangspause ebenso verheerend gewesen. Seit mittlerweile neun Bundesliga-Spielen ist Schalke ohne Sieg. Das ist die längste Durststrecke seit 20 Jahren. Nur vier von maximal 27 möglichen Punkten holten die Königsblauen, bei einem desaströsen Torverhältnis von 2:22. Schalke ist das zweitschlechteste Team des Kalenderjahrs 2020, bloss Schlusslicht Paderborn steht noch schlechter da. Da ist es wieder, das andere Gesicht dieser ewigen Wundertüte aus Gelsenkirchen.
Schalkes Captain, Daniel Caligiuri, fordert von sich und seinen Kollegen, dass sie weiterhin positiv nach vorne schauen: «Wir müssen wieder so agieren wie in der Hinrunde.» Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Trainer Wagner sagte nach dem 0:3 gegen Augsburg, die Psyche spiele bei den Fehlern, die seine Spieler machen, eine grosse Rolle: «Die Situation geht an den Jungs nicht spurlos vorbei.»
Wagner weiss, was es geschlagen hat. Die englische Woche mit den Spielen gegen Augsburg, in Düsseldorf (Mittwoch) und gegen Werder Bremen (Samstag) hatte der Trainer zur «Woche der Vorentscheidung» ausgerufen. Wie Augsburg stecken die anderen beiden Gegner ebenfalls in der Krise – und mitten im Abstiegskampf.
Die Fortuna, deren vier letzte Partien allesamt unentschieden endeten, belegt den Relegationsplatz. Werder ist Vorletzter, hat aber am Samstag endlich wieder einmal gewonnen. Das 1:0 in Freiburg gibt den Bremern Mumm zurück, dass sie den zweiten Bundesliga-Abstieg nach 1980 vielleicht doch verhindern können.
Schalke hält sich an die Abstandsregel. Zum sportlichen Erfolg #S04FCA
— christoph hildebrand (@christophhilde2) May 24, 2020
Die sportliche Talfahrt kommt für Schalke zu einer Zeit, in welcher der Klub offen über seine Zukunft spricht. Präsident Clemens Tönnies regte Diskussionen über die Ausgliederung des Profibetriebs an. Noch ist Schalke 04 ein Verein im herkömmlichen Sinn, keine Aktiengesellschaft wie andere Grossklubs. Aber weil der Klub einen Schuldenberg von fast 200 Millionen Euro angehäuft hat, soll er sich nun Investoren öffnen können. Um so aufgestellt zu sein wie die Konkurrenz. «Wir erarbeiten intern Konzepte, wie das aussehen kann», sagte Tönnies. Der umstrittene Fleischfabrikant bastelt an einer Lösung, die er mehr als 150'000 Vereinsmitgliedern schmackhaft machen muss – in der sportlichen Krise ein noch schwierigeres Unterfangen als ohnehin.
Finanzvorstand Peter Peters und Sportvorstand Jochen Schneider stehen hinter der Absicht von Tönnies. «Wir sind als Manager angetreten, nicht als Verwalter», liess Schneider am Wochenende durchblicken. Für eine Umwandlung der Struktur sind an der Mitgliederversammlung drei Viertel der Stimmen nötig.
Gemessen am Publikumsinteresse ist Schalke einer der grössten Klubs in Deutschland. Als solcher ist er für potenzielle Investoren lukrativ. Und, das ist das perfide: Je schlechter der Klub die Saison abschliesst, umso günstiger könnte er zu haben sein. Auch um den eigenen Preis wieder in die Höhe zu treiben, ist Schalke also gut beraten, möglichst schnell den Turnaround zu schaffen.
Immerhin könnte Amine Harit bald wieder im Kader stehen. Der Mittelfeldspieler, der im Herbst so überragend gespielt hatte, schied gegen Dortmund verletzt aus. Und auch Suat Serdar, den es gegen Augsburg erwischt hat, könnte weniger lang ausfallen als zunächst befürchtet.
Trainer Wagner sitzt noch im Sattel. Unlängst betonte Sportvorstand Schneider: «Vor drei Monaten wurde seine Arbeit von allen gelobt – und zwar vollkommen zu Recht. Seitdem ist David kein anderer Trainer geworden.» Trotzdem dürfte dem Coach klar sein, dass sein Arbeitsplatz auf der Kippe steht, sollte Schalke nun auch gegen Fortuna Düsseldorf und Werder Bremen verlieren.
«Wir sind als Manager angetreten, nicht als Verwalter»
Haha, er sollte vielleicht noch den einen oder anderen Franken in einen Englisch- und einen zu Kommunikationskurs investieren.