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Einzigartig und doch belächelt – Gökhan Inler mit Basaksehir Meister

Sofiane Feghouli of Galatasaray and Gokhan Inler C , Mehmet Topal R of Basaksehir FK during the Turkish Super league football match between Basaksehir FK and Galatasaray at Basaksehir Fatih Terim Stad ...
Inler versucht, Galatasarays Feghouli den Ball abzujagen.Bild: www.imago-images.de

Einzigartig und doch belächelt – Gökhan Inler ist erneut Meister

20.07.2020, 11:4821.07.2020, 08:32
Ralf Meile
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Am Sonntag ist Gökhan Inler türkischer Meister geworden. Schon wieder. Nachdem der frühere Captain der Schweizer Nationalmannschaft diesen Titel schon 2017 mit Besiktas gewonnen hatte, errang er ihn dieses Mal mit einem anderen Team aus Istanbul. Der 36-jährige Inler ist Mitglied jener Mannschaft, das den ersten Meistertitel in der Klubgeschichte von Basaksehir feiern darf.

Zu den Gratulanten gehören auf Instagram auch Xherdan Shaqiri, Didier Drogba, Dries Mertens oder Reto Ziegler, für den Inler immer noch der «Capitano» ist.

Hinzu kommt der sensationelle Gewinn der englischen Meisterschaft mit Leicester City im Jahr 2016. Laut dem Magazin «Zwölf» macht das aus Gökhan Inler den ersten Schweizer Fussballer, der im Ausland mit drei verschiedenen Klubs Meister geworden ist. Hinzu kommen zwei Cupsiege mit der SSC Napoli, es waren die ersten Erfolge des Klubs seit der sagenumwobenen Ära von Diego Maradona am Fusse des Vesuv. In der Serie A, zuvor spielte er in Udine, hatte er seine beste Zeit.

Beeindruckendes Palmarès

89 Mal lief Inler für das Schweizer Nationalteam auf, an zwei Weltmeisterschaften und an der Euro 08 im eigenen Land. Bevor er ins Ausland aufbrach, wurde er mit dem FC Zürich zwei Mal Meister, das erste Mal in der legendären 93. Minute beim FC Basel.

All diese Erfolge müssten aus Inler, dem Sohn türkischer Immigranten aus Olten, eine in Fussballkreisen hochgeachtete Persönlichkeit machen. Sein Palmarès spricht für sich.

Drei Titel – als Ergänzungsspieler

Doch das Gegenteil ist der Fall. Trotz der Titel wird Inler zunehmend belächelt. Der Grund: Er spielt kaum noch. Sein Anteil an den drei Meistertiteln von Leicester, Besiktas und Basaksehir liest sich auf dem Papier bescheiden. Bei Leicester brachte er es in der Meistersaison auf fünf Teileinsätze von insgesamt 195 Minuten. Beim Erfolg mit Besiktas wurde Inler in 14 der 34 Runden eingesetzt, nur drei Mal über 90 Minuten. Und in dieser Saison bei Basaksehir kam er auf neun Einsätze, keiner dauerte länger als eine Halbzeit.

Aufgrund der fehlenden Spielpraxis bot ihn Trainer Vladimir Petkovic vor der EM 2016 nicht mehr für die Nationalmannschaft auf. Es war ein Entscheid, der sportlich nachvollziehbar war, aber auch ein Abgang, der eines langjährigen Captains etwas unwürdig war.

Coach Vladimir Petkovic, rechts, mit Goekhan Inler, links, beim Training mit der Fussball-Nationalmannschaft bei Training in Jona (SG) am Dienstag, 10. November 2015. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Unter Vladimir Petkovic lief Inler noch 14 Mal für die Schweiz auf, im November 2015 bestritt er sein letztes Länderspiel.Bild: KEYSTONE

«Entscheidend is' auf'm Platz»

In der Nati weg – und im Klub galt: Inler, der Ergänzungsspieler. Eine Rolle, die er aus jungen Jahren kannte. Einst hielt man ihn beim FC Aarau für untauglich, er drückte die Ersatzbank. Bis Lucien Favre seine Qualitäten erkannte, ihn zum FC Zürich lotste und ihn dort zu dem Spieler formte, der er wurde.

Ottmar Hitzfeld, ein anderer hoch angesehener Trainer, wird seine Gründe gehabt haben, weshalb er Inler zum Captain des Nationalteams gemacht hatte. Er gilt als ruhiger, sensibler Zeitgenosse. Das Spiel mit den Medien beherrscht er weniger gut als jenes mit dem Ball. Interviews mit Inler haben in der Regel noch weniger Aussagekraft als jene mit den meisten seiner Berufskollegen. Trainer kümmert das weniger, für sie gilt Alfred Preisslers Motto: «Entscheidend is' auf'm Platz.»

Swiss soccer player Goekhan Inler, right, wears a lion mask as a surprise for his supporters,while posing with Napoli's president Aurelio de Laurentiis, during his official presentation, in Naple ...
Legendär: Napoli-Präsident Aurelio de Laurentiis, ein Filmproduzent, lässt Inler bei seiner Vorstellung eine Löwenmaske tragen. Nie vorher wurde so viel für einen Schweizer Fussballer bezahlt als 2011 für Inler.Bild: AP

Mehr Respekt verdient

Und auf dem Trainingsplatz. Dort und in der Kabine werden Spieler wie Inler geschätzt. Er ist sehr erfahren, in der Fussballwelt herumgekommen, ein seriöser Arbeiter und die jüngeren Mitspieler wissen, dass sie seiner Meinung Gewicht schenken sollten. Schliesslich wollen sie alle auch einmal ein Palmarès wie Gökhan Inler vorweisen können. Deshalb ist sein Anteil an den Titeln trotz der wenigen Einsätze dennoch nicht zu unterschätzen.

Spannende Übungen im Training von Basaksehir.

Während rund einem Jahrzehnt war Inler beim FCZ, Udinese und Napoli ein oft überragender Mittelfeldspieler. Vorher hatte er Mühe, seither ebenfalls. Doch zehn Jahre auf Topniveau sind zehn Jahre mehr als ihm als 21-jähriger Ersatzspieler des FC Aarau zugetraut wurden.

Gökhan Inler sollte nicht belächelt werden, weil er im Herbst seiner Karriere nur noch selten auf dem Platz steht. Er hat das verdient, was sein Nationalmannschafts-Mitspieler Riccardo Cabanas einst bei seinem legendären Ausraster für GC gefordert hatte: Respekt.

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35 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Shabbazz
20.07.2020 12:04registriert Juni 2020
Ich mochte Inler immer sehr gerne!! Ein absoluter Musterprofi der sich auf seine Arbeit auf dem Platz fokussiert und von dem man nie Geräusche neben dem Platz gehört hat. Auch als er aus der Nati flog nahm er das absolut Professionell auf ohne zu motzen, das zeugt von viel Charakter!
Freue mich hat er nochmals einen Titel gewonnen, auch wenn er nicht mehr so oft spielt..trotzdem hatte er eine absolut beeindruckende Karriere! Chapeau...
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Toerpe Zwerg
20.07.2020 12:03registriert Februar 2014
Danke. Ich mag Inler und mochte ihn schon immer.
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c_meier
20.07.2020 12:15registriert März 2015
Da es eher unrealistisch ist, dass er wieder für die Nati auflaufen wird:
Eine ehrenvolle Verabschiedung im Rahmen eines Nati-Spiels hätte er auf jedenfall verdient!
bitte nachholen
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