Am Sonntag ist Gökhan Inler türkischer Meister geworden. Schon wieder. Nachdem der frühere Captain der Schweizer Nationalmannschaft diesen Titel schon 2017 mit Besiktas gewonnen hatte, errang er ihn dieses Mal mit einem anderen Team aus Istanbul. Der 36-jährige Inler ist Mitglied jener Mannschaft, das den ersten Meistertitel in der Klubgeschichte von Basaksehir feiern darf.
Hinzu kommt der sensationelle Gewinn der englischen Meisterschaft mit Leicester City im Jahr 2016. Laut dem Magazin «Zwölf» macht das aus Gökhan Inler den ersten Schweizer Fussballer, der im Ausland mit drei verschiedenen Klubs Meister geworden ist. Hinzu kommen zwei Cupsiege mit der SSC Napoli, es waren die ersten Erfolge des Klubs seit der sagenumwobenen Ära von Diego Maradona am Fusse des Vesuv. In der Serie A, zuvor spielte er in Udine, hatte er seine beste Zeit.
89 Mal lief Inler für das Schweizer Nationalteam auf, an zwei Weltmeisterschaften und an der Euro 08 im eigenen Land. Bevor er ins Ausland aufbrach, wurde er mit dem FC Zürich zwei Mal Meister, das erste Mal in der legendären 93. Minute beim FC Basel.
All diese Erfolge müssten aus Inler, dem Sohn türkischer Immigranten aus Olten, eine in Fussballkreisen hochgeachtete Persönlichkeit machen. Sein Palmarès spricht für sich.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Trotz der Titel wird Inler zunehmend belächelt. Der Grund: Er spielt kaum noch. Sein Anteil an den drei Meistertiteln von Leicester, Besiktas und Basaksehir liest sich auf dem Papier bescheiden. Bei Leicester brachte er es in der Meistersaison auf fünf Teileinsätze von insgesamt 195 Minuten. Beim Erfolg mit Besiktas wurde Inler in 14 der 34 Runden eingesetzt, nur drei Mal über 90 Minuten. Und in dieser Saison bei Basaksehir kam er auf neun Einsätze, keiner dauerte länger als eine Halbzeit.
Aufgrund der fehlenden Spielpraxis bot ihn Trainer Vladimir Petkovic vor der EM 2016 nicht mehr für die Nationalmannschaft auf. Es war ein Entscheid, der sportlich nachvollziehbar war, aber auch ein Abgang, der eines langjährigen Captains etwas unwürdig war.
In der Nati weg – und im Klub galt: Inler, der Ergänzungsspieler. Eine Rolle, die er aus jungen Jahren kannte. Einst hielt man ihn beim FC Aarau für untauglich, er drückte die Ersatzbank. Bis Lucien Favre seine Qualitäten erkannte, ihn zum FC Zürich lotste und ihn dort zu dem Spieler formte, der er wurde.
Ottmar Hitzfeld, ein anderer hoch angesehener Trainer, wird seine Gründe gehabt haben, weshalb er Inler zum Captain des Nationalteams gemacht hatte. Er gilt als ruhiger, sensibler Zeitgenosse. Das Spiel mit den Medien beherrscht er weniger gut als jenes mit dem Ball. Interviews mit Inler haben in der Regel noch weniger Aussagekraft als jene mit den meisten seiner Berufskollegen. Trainer kümmert das weniger, für sie gilt Alfred Preisslers Motto: «Entscheidend is' auf'm Platz.»
Und auf dem Trainingsplatz. Dort und in der Kabine werden Spieler wie Inler geschätzt. Er ist sehr erfahren, in der Fussballwelt herumgekommen, ein seriöser Arbeiter und die jüngeren Mitspieler wissen, dass sie seiner Meinung Gewicht schenken sollten. Schliesslich wollen sie alle auch einmal ein Palmarès wie Gökhan Inler vorweisen können. Deshalb ist sein Anteil an den Titeln trotz der wenigen Einsätze dennoch nicht zu unterschätzen.
Während rund einem Jahrzehnt war Inler beim FCZ, Udinese und Napoli ein oft überragender Mittelfeldspieler. Vorher hatte er Mühe, seither ebenfalls. Doch zehn Jahre auf Topniveau sind zehn Jahre mehr als ihm als 21-jähriger Ersatzspieler des FC Aarau zugetraut wurden.
Gökhan Inler sollte nicht belächelt werden, weil er im Herbst seiner Karriere nur noch selten auf dem Platz steht. Er hat das verdient, was sein Nationalmannschafts-Mitspieler Riccardo Cabanas einst bei seinem legendären Ausraster für GC gefordert hatte: Respekt.
Freue mich hat er nochmals einen Titel gewonnen, auch wenn er nicht mehr so oft spielt..trotzdem hatte er eine absolut beeindruckende Karriere! Chapeau...
Eine ehrenvolle Verabschiedung im Rahmen eines Nati-Spiels hätte er auf jedenfall verdient!
bitte nachholen