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«Nach diesem WM-Auftakt kann die FIFA den Videobeweis nicht mehr verhindern»

Schiri Nishimura wird nach seinem Penaltypfiff von erbosten Kroaten bestürmt.
Schiri Nishimura wird nach seinem Penaltypfiff von erbosten Kroaten bestürmt.Bild: FABRIZIO BENSCH/REUTERS
Kommentar

«Nach diesem WM-Auftakt kann die FIFA den Videobeweis nicht mehr verhindern»

Viele Tore und ein begeisternder Sieg Hollands gegen Titelverteidiger Spanien prägten den Beginn der Weltmeisterschaft. Aber auch: gravierende Fehler der Schiedsrichter. Es führt kein Weg mehr am Videobeweis vorbei.
14.06.2014, 10:0824.06.2014, 23:22
Ralf Meile
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Ein Penalty für Gastgeber Brasilien, der keiner war. Zwei korrekte Tore, die Mexiko aberkannt werden. Ein umstrittener Elfmeter-Entscheid zugunsten von Titelverteidiger Spanien. Es steht ausser Frage, dass die WM 2014 für die Schiedsrichter unglücklich angefangen hat.

Dabei müssen die Unparteiischen nur ausbaden, was die Funktionäre des Weltfussballverbands FIFA zu verantworten haben. Diese lassen die Schiedsrichter nämlich im Regen stehen, während die ganze Welt dank Zeitlupen innert Sekunden jede zweifelhafte Szene aus jedem Winkel betrachten und ein Urteil fällen kann.

Schiedsrichter Wilmar Roldan versucht, Mexikos Trainer Miguel Herrera zu beruhigen.
Schiedsrichter Wilmar Roldan versucht, Mexikos Trainer Miguel Herrera zu beruhigen.Bild: Getty Images South America

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Das Spiel wird schneller und schneller

Natürlich kann man an dieser Stelle einwenden, die Schiedsrichter könnten auch ganz einfach keine Fehler machen – dann wären sie auch kein Thema. Doch es ist nicht fair, dies zu fordern. Das Spiel ist bisweilen so schnell wie ein 100-Meter-Sprint, Offside-Entscheide sind oft eine Frage von Zentimetern, Stürmer suchen im Zweikampf lieber den Penalty als den erfolgreichen Abschluss.

Gerade weil sich das Spiel, vor allem sein Tempo, verändert hat – wie es dies stets tat und auch weiterhin tun wird – müssen auch die Regeln angepasst werden. Es darf nicht länger der Fall sein, dass die ganze Welt mit den Füssen auf dem Stubentisch und dem Bier in der Hand ein korrektes Urteil fällen kann, die einzige massgebende Person in dieser Frage sich aber auf ihren einmaligen, in Sekundenbruchteilen gefällten Beschluss verlassen muss.

Es wird genau so hitzig diskutiert werden

Traditionalisten, die sich gegen den Videobeweis sträuben, führen gerne das Argument ins Feld, dass der Fussball eben zu einem grossen Teil von den Emotionen lebe, welche die Schiedsrichter-Entscheide hervorrufen.

Mit Verlaub: Diese Begründung ist Stumpfsinn. Wenn diskutiert werden soll nach einem Spiel, dann doch lieber über ein grossartiges Solo, eine Wahnsinnsparade oder einen spektakulären Fallrückzieher zum 4:3 in der Nachspielzeit.

Und überhaupt: Wer sagt denn, dass mit einem Videobeweis nicht mehr über fragliche Szenen diskutiert wird? Die Debatten werden genau so hitzig geführt werden. Nehmen wir als Beispiel den Penalty, den Schiedsrichter Yuichi Nishimura für Brasilien pfiff. Hätte er Freds Fallen am TV nochmals betrachten können, wer weiss, wie er dann entschieden hätte?

Gut möglich, dass der Japaner auf seinem Entscheid beharrt hätte. Er selber könnte mit Überzeugung hinter dem Pfiff stehen, die Fans könnten weiterhin über dessen Richtigkeit diskutieren. Das Gleiche gilt beim Penalty, den Spaniens Diego Costa herausgeholt hat.

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Der umstrittene Penaltypfiff im Eröffnungsspiel.GIF: SRF
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Der umstrittene Penaltypfiff bei Spanien – Holland.Gif: SRF

Sorge um «Veränderung des Charakters des Spiels»

Ein anderes Argument, mit dem die Einführung des Videobeweises verhindert wird, ist jenes des Spielflusses, der unterbrochen wird. Auch dieses ist bloss vorgeschoben. Ein Beispiel gefällig? Kaum ist es in der Schweiz wärmer als 30 Grad, werden die Spiele der Super League nach rund 20 Minuten für eine Trinkpause unterbrochen. Niemand stört sich am fehlenden Spielfluss.

Die Frage ist nicht, ob man den Videobeweis einführen muss, sondern bloss wie. Noch sträuben sich die FIFA und das für die Regeln massgebende Gremium IFAB dagegen. Es bestehe die Gefahr, dass der Videobeweis den Charakter des Spiels ändere, sagte FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke im März.

Wird es heiss in Luzern, dürfen Michel Renggli und Adrian Winter sich anlässlich einer offiziellen Trinkpause für alle kurz erfrischen.
Wird es heiss in Luzern, dürfen Michel Renggli und Adrian Winter sich anlässlich einer offiziellen Trinkpause für alle kurz erfrischen.Bild: KEYSTONE
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Jedes Team darf zwei Entscheide anfechten

Wie ist dieser Vorschlag? Pro Spiel erhalten die Trainer der beiden Teams jeweils zwei «Joker», die sie bei Bedarf einsetzen können. Sind sie mit einem Entscheid des Schiedsrichters nicht einverstanden, rufen sie ihn an die Linie. Dort werden dem Unparteiischen die gleichen Fernsehbilder gezeigt, wie sie der Zuschauer zuhause auch sieht. Anschliessend fällt er sein endgültiges Urteil.

Weder wird der Charakter des Spiels gestört noch geht Zeit verloren. Denn künftig können sich die Spieler ihr ewiges Nörgeln sparen und der Schiedsrichter kann, statt mit ihnen zu diskutieren, die Zeitlupen anschauen.

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Wird im Rugby zugunsten einer näheren Betrachtung einer Szene entschieden, signalisiert das der Schiedsrichter und sie wird allen im Stadion auf der Anzeigetafel präsentiert. GIF: Youtube/Alexej Bulanenko

Der Videobeweis muss und wird kommen

Wenig ist der FIFA heiliger als Fairplay. Gerecht wäre es, dieses Fairplay nicht nur von den Spielern zu fordern. Sondern aktiv dafür zu sorgen, dass Spiele nicht durch offensichtliche Fehler entschieden und Spieler und Fans um Penaltys, Tore oder Siege betrogen werden.

FIFA-Präsident Sepp Blatter betont immer und immer wieder, wie wichtig ihm der Fairplay-Gedanke ist.
FIFA-Präsident Sepp Blatter betont immer und immer wieder, wie wichtig ihm der Fairplay-Gedanke ist.Bild: AP dapd

Dass die FIFA manchmal auch handelt, lässt für die Zukunft hoffen. Der Freistoss-Spray ist nach zwei WM-Tagen problemlos akzeptiert und auch eine Torlinientechnik gibt es bereits.

Spätestens an der WM 2018 in Russland gibt es den Videobeweis für alle umstrittenen Szenen. Diese Wette gehe ich ein. Halten Sie dagegen?

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