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Eismeister Zaugg

Eismeister Zaugg: «Verfall-Datum» der meisterlichen SC Bern Dynastie

Eismeister Zaugg

«Verfall-Datum» einer meisterlichen Dynastie – wo Wille ist, da ist nicht immer ein Weg

Berns meisterliche Veteranen haben nicht mehr die Luft für zwei Spiele hintereinander auf der Überholspur. Das hat sogar Marc Lüthi eingesehen. Die krachende Niederlage in Biel (0:4) ist zwar spektakulär. Aber ohne Dramatik und nicht schlimmer als ein 0:1. Resignation beim Meister? Nein, Weisheit in der Chefetage.
16.02.2020, 05:0416.02.2020, 14:45
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0:4 in Biel! In der «Endzeit» der Qualifikation! Jeder Punkt zählt! Weltuntergang! Heilantonner! Zeit für einen Kabinenauftritt von SCB-Manager Marc Lüthi! So wie damals im Januar 2016, als sein Zorn nach einer Verlängerungspleite in Biel (3:4) den Hockey-Tempel erzittern liess. So wuchtig schmetterte er nach seiner Kabinenpredigt die schwere Türe zur SCB-Kabine zu. Es nützte. Der SCB schaffte doch noch die Playoffs und holte vom 8. Platz aus den Titel.

Portrait vom CEO des SC Bern, Marc Luethi, am Montag, 13. August 2018, in der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Hart Marc Lüthi die Playoffs bereits abgeschrieben? Bild: KEYSTONE

Marc Lüthi war am Samstag auch in Biel. Er stieg wie damals im Januar 2016 in den Kabinengang hinunter. Aber er ging diesmal still, leise und unauffällig nach Hause. Mit der Bemerkung «es ist, wie es ist». Hat Marc Lüthi aufgegeben? Keineswegs. Sein Satz enthält die ganze Wahrheit rund um taumelnden Meister.

Ein kurzer Blick zurück: Angeführt von Leitwolf Simon Moser ringt der Meister am Freitagabend Tabellenführer und Titelfavorit Zug nieder (2:1). Es ist ein intensives, schnelles Spiel. Hockey auf der Überholspur. Die Entscheidung erzwingen die Veteranen Simon Moser und Andrew Ebbett.

Aber der Meister hat die älteste Mannschaft der Liga (im Schnitt 28,81 Jahre). Was noch schwerer ins Gewicht fällt: die Titanen des Teams sind alle im Herbst ihrer Karriere angelangt: Captain Simon Moser ist 30, Topskorer Mark Arcobello 33, Leitwolf Andrew Ebbett 37, Schillerfalter Jan Mursak 32, Enfant terrible Thomas Rüfenacht 34. Und auch hinten stehen Veteranen im gegnerischen Sturmwind: Eric Blum ist 33, Beat Gerber 37 und Justin Krueger 33.

Berns Topscorer Mark Arcobello dreht sich um beim Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem EHC Biel und dem SC Bern, am Samstag, 15. Februar 2020 in der Tissot Arena in Biel. (PP ...
Berns Topskorer Mark Arcobello ist bereits 33 Jahre alt – er passt perfekt in die älteste Mannschaft der Liga.Bild: KEYSTONE

Sie bilden die kampferprobte, ruhmbekränzte, taktisch schlaue und beinahe unerschütterliche Kerngruppe einer Mannschaft, die in den letzten vier Jahren dreimal Meister geworden ist. Aber wie sagte doch der grosse Dichter Francesco Petrarca, der Umberto Ecco der Renaissance: Alles besiegt und raubt die geizende Zeit, auch den Ruhm.

Der Spruch könnte in der SCB-Kabine an der Wand hängen. Die Zeit, sie raubt dem SCB den meisterlichen Ruhm. Die alternden Graubärte sind zwar noch immer zu Heldentaten fähig. Wie beim 2:1 am Freitagabend gegen Zug. Aber nicht mehr zu zwei solchen Partien in 24 Stunden. In Biel gehen sie 0:4 unter. Gegen eine im Schnitt um zwei Jahre jüngere Mannschaft, die am Vortag kein Spiel zu absolvieren hatte und an einem guten Abend noch extremer auf der Überholspur zu sausen und zu brausen pflegt als die Zuger.

Auch die Bieler beschäftigen ein paar Veteranen: Torhüter Jonas Hiller ist 37, Verteidigungsminister Beat Forster 37, Captain Mathieu Tschantré 35. Aber geprägt wird das Spiel eben auch durch die Dynamik einer neuen Generation. Die entscheidenden Treffer erzwingen die Flaumbärte: Jason Fuchs (25) zum 1:0 und Valentin Nussbaumer (19) zum 3:0.

Berns meisterliche Titanen haben in Biel alles versucht. Nach dem Motto: wo Wille ist, da ist auch ein Weg. Ein halbes Spiel lang trotzen sie dem gegnerischen Ansturm wie die Arve in felsigen Höhen dem Föhnsturm. Aber mit jeder Sekunde schwinden die Kräfte. Allen ist klar: Nur ein «lucky punch», ein Treffer zum 1:0 wird dem Meister noch einmal die Energie zuführen, die er zum Durchhalten braucht. Gelingt hingegen Biel das 1:0, dann wird das meisterliche Kartenhaus zusammenbrechen. In der 32. Minute fällt dieses 1:0. Vier Minuten später steht es 3:0. Mit 10:6 Abschlussversuchen hatte der Titelverteidiger den Bielern in den ersten 20 Minuten noch tapfer getrotzt. Mit 11:3 Torschüssen überrollen die Bieler nun ihren Gegner in den zweiten 20 Minuten.

Auch Simon Moser kann es nicht mehr richten. Er geht mit der Mannschaft unter wie einst Captain Edward John Smith mit der Titanic. Nun haben wir auf die Frage: was der SCB ohne Simon Moser wäre eine Antwort erhalten.

Der SCB hatte die Erfahrung, das Talent und den Willen, um dieses Spiel zu gewinnen. Aber nicht mehr die Kadertiefe, die Kraft und die Energie. Der Meister hat diese Saison nicht weniger als acht Spieler pro Partie länger als 19 Minuten forciert. Biels Trainer Antti Törmänen hat bisher nur einem einzigen mehr als 19 Minuten Eiszeit zugemutet. Die extreme Belastung der Besten – Simon Moser musste diese Saison im Schnitt in jeder Partie länger als 20 Minuten «an die Säcke» – wirkt sich im Alltag einer mühseligen, monatelangen Qualifikation ganz anders aus als in den Playoffs, wenn das Adrenalin und die Aussicht auf meisterlichen Ruhm die Müdigkeit aus den Muskeln schwemmt.

Wie Marc Lüthi gesagt hat: Es ist, wie es ist. Es geht inzwischen in der «Endzeit» der Qualifikation nicht mehr, wenn in 24 Stunden zweimal auf der Überholspur gepowert wird. Wo Wille ist, da ist halt nicht immer ein Weg. Die Worte von Marc Lüthi stehen nicht für Resignation. Sie stehen für Weisheit in der Chefetage.

Deshalb gibt es am Samstagabend nach dem Spiel keine dramatischen Auftritte im Kabinengang. Türen werden nicht zugeknallt. Die SCB-Garderobe bleibt auch nicht länger geschlossen als üblich. Trainer Hans Kossmann ist ruhig, ja er wirkt beinahe gelassen und fasst in Worte, was alle gesehen haben: Der Wille sei da gewesen. Aber die Kraft habe gefehlt. Es ist, wie es ist.

SCB Cheftrainer Hans Kossmann weist seine Spieler an beim Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem EHC Biel und dem SC Bern, am Samstag, 15. Februar 2020 in der Tissot Arena in B ...
Hans Kossmann gönnt seiner Mannschaft einen Ruhetag – den brauchen die Berner dringend.Bild: KEYSTONE

Hans Kossmann gewährt seinen Männern nun einen freien Sonntag. Dann beginnt ab Montag der behutsame «Wiederaufbau» mit viel Lauftraining. Ein Schongang wie in den Wochen der Playoffs. Der Spielplan meint es gut mit den Bernern. Erst am Freitag folgt der nächste Auftritt. Auf eigenem Eis gegen den Tabellenletzten aus Rapperswil-Jona. Da ist nicht schon wieder Eishockey auf der Überholspur zu erwarten. Der Kräfteverschliess sollte sich im Rahmen halten und es möglich machen, 24 Stunden später am Samstag in Lugano zu rocken. Noch einmal müsste es doch gelingen das «Verfall-Datum» einer meisterlichen Dynastie hinauszuschieben.

Und doch zieht ein Drama auf: Nach wie vor hat der SCB die Erfahrung, um in den Playoffs weit zu kommen. Wenn das Adrenalin die Veteranen auf wundersame Weise verjüngt. Aber was, wenn der Meister in die Abstiegsrunde muss? Wo statt Ruhm und Preis nur Frust und Schweiss und Aussenseiter mit jahrelanger Erfahrung im Existenzkampf warten?

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63 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lümmel
16.02.2020 07:32registriert Mai 2016
Aaaah, der langersehnte SCB Artikel...! 😌
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Zum Kommentar
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bullygoal45
16.02.2020 07:40registriert November 2016
Der grosse Kampf wird wahrscheinlich zwischen Fribourg und Bern ausgefochten. Ich schätze Fribourg jedoch im besserer Verfassung als den SCB ein.

Stelle es mir noch schwierig vor nach einem 0:4 eine Woche zu trainieren, um da am Freitag gegen den SCRJ zu spielen wo man gewinnen MUSS.

2 von 3 Duellen haben wir schon gewonnen gegen die Bärner.. bin gespannt! 💪🏻🔴🔴
18230
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Zum Kommentar
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Bobby Sixkiller
16.02.2020 10:01registriert Oktober 2017
Lieber Chlöisu

Die NLA besteht nicht nur aus dem Kanton Bern. Auch ist in der NLB die Qualifikation zu Ende gegangen und die Playoff Paarungen stehen. Wie wärs mal mit Polemiken zur NLB oder anderen NLA Teams?
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