Am Anfang steht ein Hosentelefon-Anruf. Und daraus wird eine vergnügliche Reise an den Saum unserer Hockeywelt.
Melvin Nyffeler (26) ist seit vier Jahren die Nummer 1 bei den Rapperswil-Jona Lakers (nachfolgend Lakers genannt). Ein Torhüter mit Kultstatus. Aufstiegsheld. Cup-Held. So robust, dass er mehr als 40 Partien pro Saison zu schultern vermag.
So wie der Hausbau mit dem Fundament beginnt, so fängt die Zusammenstellung einer Mannschaft mit dem Torhüter an.
Ein Goalie ist zwar nicht alles. Aber ohne den Schlussmann ist alles nichts.
Also wird ein Sportchef, so er bei Sinnen ist, seine Nummer eins hegen und pflegen. Ihr chüderlen (= liebevoll umsorgen) und schmeicheln. Kurzum: alles tun, damit sie sich wohl fühlt. Zumal der letzte Mann nicht selten ein bisschen ein kauziges Wesen hat. Wer wählt denn schon einen Beruf, bei dem Tag für Tag, Training für Training, Spiel für Spiel Hartgummischeiben wie Geschosse mit mehr als 100 km/h auf ihn prasseln.
Ein weitsichtiger Sportchef achtet darauf, dass er seine Nummer 1 für die kommende Saison spätestens im Dezember unter Vertrag hat. Damit nicht an Weihnachten noch der Transferbaum brennt. So einfach. So wahr. So klar. Oder doch nicht?
Nicht ganz. Inzwischen hat Lugano mit Niklas Schlegel verlängert und alle Klubs der höchsten Liga haben ihre Nummer 1 für die nächste Saison. Oder fast alle. Nur die Lakers nicht. Das ist der Grund, um mal nachzufragen.
Auf die Erkundigung, warum er nach wie vor nicht verlängert hat, sagt Melvin Nyffeler, kurz angebunden, es werde bald eine Lösung geben. Mehr gebe es nicht zu sagen. «Ich konzentriere mich darauf, mein bestes Hockey zu spielen.»
Das ist eine etwas knochige Auskunft für die einzige Nummer 1 der Liga, die noch keinen Vertrag für nächste Saison signiert hat. Da könnte es sich lohnen, noch ein paar andere Hosentelefone brummen zu lassen.
Und siehe da: es rockt bei den Lakers. Der Chronist unternimmt den Versuch, das Resultat aus mehr als sieben Hosentelefonaten in Form einer Hockey-Novelle zusammenzufassen. Mag sein, dass er da und dort angelogen worden ist. Aber er hat sich bemüht, nach bestem Wissen und Gewissen der Spur der Wahrheit zu folgen.
Also: Alles beginnt ganz harmlos und nach Drehbuch. Es hat noch Blätter in den Bäumen, als Sportchef Janick Steinmann (33) das Gespräch mit Melvin Nyffeler und seinem Agenten sucht. Er rühmt und bauchpinselt und skizziert seine Vorstellungen: ein Vierjahresvertrag bis 2025 im Gesamtwert von gut und gerne 1,3 Millionen.
Ein eher tiefes Angebot für einen Spieler mit der Ausstrahlung und Bedeutung von Melvin Nyffeler. Aber in Zeiten der Krise zählen auch Sicherheit und Kontinuität.
Melvin Nyffeler signalisiert Einverständnis. Aber ein schriftliches Angebot gibt es noch nicht. Kein Problem. Das wird schon folgen. Wir sind schliesslich eine grosse Hockeyfamilie. Kommt dazu, dass sich Melvin Nyffeler von einer Corona-Infektion erholen muss.
Die Blätter fallen aus den Bäumen. Die Nebel ziehen vom See über die Stadtmauern und die Tage werden kürzer. Die Lage auf dem Torhütermarkt klart auf. Ivars Punnenovs verlängert in Langnau. Damiano Ciaccio erweist sich in Ambri als taugliche Nummer 1. Philip Wüthrich weckt in Bern vage Erinnerungen an Renato Tosio. Lugano verlängert mit Niklas Schlegel.
Ehe der erste Schneesturm durchs Land fegt, wird das Torhüterkasino geschlossen: Rien ne va plus. Nichts geht mehr. Alle guten Jobs sind vergeben.
Vier Jahre für insgesamt 1,3 Million? Das war mal. Janick Steinmanns schlaues Pokerspiel geht auf. Nun offeriert er Melvin Nyffeler nur noch eine Verlängerung um ein Jahr zum bisherigen Salär von 270'000 Franken. Also nicht mal eine Lohnerhöhung. Take it or leave it.
Der schlaue, tüchtige Sportchef der Lakers hat sehr gute Chancen, dass «Magic Melvin» wohl oder übel akzeptiert, für ein Jahr unterschreibt und nächste Saison die Nummer 1 mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis sein wird.
Pokern in Zeiten des Virus. Gut gemacht. Oder doch nicht? Melvin Nyffeler ist ein Musterprofi. Er wird nicht schmollen. Seinen Marktwert kann er nur halten, wenn er nächste Saison sein bestes Hockey spielt. Nur dann kann er von einer zu seinen Gunsten veränderten Marktsituation profitieren. Wenn in Bern, Langnau, Biel, Lausanne oder Zürich die Torhüterfrage neu geregelt wird. Und natürlich auch bei den Lakers.
Wie klug ist es, eine Nummer eins mit einem schlauen Pokerspiel in der Eitelkeit zu kränken und die «innere Bindung» zum Klub womöglich irreparabel zu verletzen? Und wie wird diese Übung im Markt aufgenommen? Werden die Lakers so die begehrte Adresse, die sie so gerne sein möchten? Oder zementieren sie eher den Ruf eines Provinzclubs? Währt die Freude über den heruntergepokerten Lohn nicht lange? Heisst es bald: Kurzer Wahn, lange Reue? Und ist es gut für die «Chemie» der Mannschaft, wenn alle mitbekommen, welches Spielchen mit dem Torhüter getrieben wird?
Pulverdampf steigt bei den Lakers auch bei einer anderen Schlüsselposition auf. Wie geht es weiter mit Trainer Jeff Tomlinson (50)?
Der Kanadier dürfte einer der meistunterschätzten Trainer der Liga sein. Es geht ihm ein wenig wie Melvin Nyffeler. Auch er ist mit den Lakers gross geworden und inzwischen so lange (seit 2015) dabei, dass seine Vertragsverlängerung erwartet wird. Und der Sportchef ganz tief in seinem Herzen – dort wo niemand hineinsieht – denkt: Der funktioniert doch nur bei uns. Der bleibt. Zumal die Erinnerungen an gemeinsam gemeisterte schwierige Zeiten zusammenschweissen. Und die Verdienste womöglich nicht mehr so gewürdigt werden, wie es sich gehört. Sinngemäss so wie es im Markus-Evangelium steht: «Nirgendwo gilt ein Prophet weniger als in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner eigenen Familie.»
Beim Cheftrainer, der die Lakers aus den Niederungen der Swiss League erlöst und zum Cup-Sieg geführt hat und jetzt auf Playoff-Kurs hält, geht es nicht in erster Linie um Geld.
Mischt sich Janick Steinmann immer mehr ins Tagesgeschäft seines Trainers ein? Bis hin zur Mannschaftsaufstellung und zu den Einsatzzeiten? So wird es erzählt. Wenn es stimmt – niemand, der bei Sinnen ist, wird sich in einer so heiklen Lage für eine Bestätigung zitieren lassen – ist es nicht ganz ausgeschlossen, dass die Lakers in absehbarer Zeit ihr Bandenkommando neu besetzen müssen.
So geht also die Geschichte aus der Stadt der Rosen. Aufgeschrieben nach bestem Wissen und Gewissen. Sie ist nicht untypisch für eine gut gemanagte Hockeyfirma in der Übergangsphase vom Provinzclub zum national respektierten Titanen. Veränderungen provozieren Unruhe. So ist es zu allen Zeiten.
In den Zeiten des Virus wird nicht nur gepokert. Da und dort wird auch geprasst. Auch das gehört zu dieser Geschichte.
Die Lakers verlieren ihren Verteidigungsminister Dominik Egli (22). Er wechselt mit einem Dreijahresvertrag nach Davos. Natürlich ist seine anstehende Züglete in die Berge ein Gesprächsthema in der Kabine. Seine Spielkameraden gehen davon aus, dass ihm der Dreijahres-Vertrag in Davos insgesamt 1,6 Millionen einbringen wird.
Der grosse Martin Plüss hat in seiner neuen Tätigkeit als Spieleragent zum ersten Mal so richtig am grossen Rad gedreht und schlau mit der Aussicht auf einen Transfer nach Schweden, auf eine neue Herausforderung gepokert. Schliesslich hat der einstige SCB-Kultcaptain ja einst erfolgreich in Schweden gespielt. Der «Egli-Handel» wird ihm neue Kundschaft bescheren.
Es gibt eben Sportunternehmen, die investieren in diesen unruhigen Zeiten klug in die Qualität der Mannschaft und andere lieber ins Büropersonal.
So können wir unsere Geschichte rund um die Lakers auch so zusammenfassen: Pokern und Prassen in Zeiten des Virus.
Come on macht aus einer Mücke keinen Elefanten
Ich denke Nyffeler weiss wie es ist von Klubs verarscht zu werden (z.B. Kloten) dass er wieder darauf reinfällt kann ich mir nicht vorstellen