So kommt es, wenn zwei Coaches alles im Griff haben. Der SCB gewinnt gegen Langnau mit einem nahezu perfekten Spiel 3:0.
Eine Partie wie aus dem Lehrbuch: eine frühe Führung (1:0 nach 1:45 Minuten), noch vor der ersten Pause die Absicherung (2:0 nach 19:30 Minuten), dann ein wenig durch die Partie surfen. Als die Jungs etwas nachlässig werden, nimmt Kari Jalonen sein Time-Out genau zum richtigen Zeitpunkt und schliesslich fällt das 3:0 30 Sekunden vor Schluss ins leere Netz.
Kari Jalonen mag zwar nicht von einem perfekten Spiel reden. Aber er ist sehr zufrieden. Zwei Partien, ein Gegentor und Leonardo Genoni mit einer Fangquote von 98,06 Prozent. Mehr Kontrolle ist in diesem unberechenbaren Spiel nicht möglich. Mehr geht nicht.
Der SCB ist im dritten Jahr unter Kari Jalonen eine schier unheimliche Hockey-Maschine geworden. Sie funktioniert defensiv so gut wie keine andere Mannschaft in den letzten Jahren. Und so zeichnet sich ab, dass der SCB unerbittlich an die Tabellenspitze vorrücken und sich dort wochenlang behaupten wird. Diese Balance zwischen Talent und Taktik erreicht kein anderer Trainer.
Auch Heinz Ehlers hat in Langnau alles im Griff und spielt SCB-Hockey. Aber halt mit viel weniger Talent. 0:3 gegen ist das logische Resultat. Die Langnauer hätten hundert Stunden gegen diesen perfekten SCB spielen können und keine Chance gehabt.
Und doch trägt das SCB-Spiel bereits den Keim des Scheiterns in sich. Im letzten Frühjahr sind die SCB-Leitwölfe im Halbfinale gegen die ZSC Lions mit leeren Energie-Tanks stehengeblieben. Andrew Ebbett brachte kein Tor mehr zustande. Und sollte der SCB diese Saison in der Champions Hockey League und im Cup erfolgreich sein, wird die Belastung nicht geringer sein als letzte Saison.
Weil das SCB-Spiel nahezu perfekt funktioniert – bereits viel besser als jenes der potenziellen Herausforderer aus Zürich, Zug oder Lugano – könnte Kari Jalonen die Belastung für seine Stars dosieren. Gerade in der Partie gegen das chancenlose Langnau hätten die Hinterbänkler die Leistungsträger entlasten und die Talente wertvolle Erfahrungen sammeln können.
Aber Kari Jalonen ist unerbittlich. Er vertraut nur den Stars. Den 35-jährigen Andrew Ebbett schickte er gegen die freundlichen Emmentaler 20 Minuten und 34 Sekunden aufs Eis, den 30-jährigen Mark Arcobello gar für 22 Minuten und 38 Sekunden.
Der 20-jährige André Heim konnte hingegen seine Eiszeit mit dem Tropenzähler abmessen: 8 Minuten und 18 Sekunden und nicht ein einziger Einsatz im Powerplay.
Kari Jalonen ist ein kluger Kommunikator und rühmt André Heim ungefragt, und dessen Agent Gaétan Voisard ergänzt: «Jalonen schätzt Heim sehr.»
Alles Blabla. Schon das Buch der Bücher lehrt uns: An ihren Taten, nicht an ihren Worten sollt ihr sie messen. Die einzige Währung der Anerkennung ist Eiszeit. Die bekommt André Heim, noch bis 2020 vertraglich an den SCB gefesselt, nicht. Er riskiert seine Karriere. Wenn der neun Jahre ältere Grégory Sciaroni wieder eingesetzt werden kann, ist er der Ersatzbank näher als einem Powerplay-Einsatz.
Ein Blick zurück als Mahnung. Marco Müller bekam 2016/17 von Kari Jalonen durchschnittlich nicht einmal 10 Minuten Eiszeit pro Partie. Er flüchtete rechtzeitig. Inzwischen ist er Ambris wichtigster Schweizer Center. In Davos erzielte er soeben beim 5:2 den Siegestreffer (das 3:2) und wurde während fast 18 Minuten eingesetzt.
Ich will jetzt nicht auch noch das Beispiel von Samuel Kreis bringen, der von Kari Jalonen 2016/17 mit durchschnittlich 6 Minuten und 49 Sekunden Eiszeit abgefertigt, zwischendurch nach Olten in die NLB verbannt und in der darauffolgenden Saison in Biel Nationalverteidiger geworden ist – mit 23 Punkten. Es sähe sonst wie eine Polemik aus.
Marc Lüthi jammert über zu hohe Spielerlöhne und moniert durchaus zu Recht vor allem die hohen Bezüge der Hinterbänkler. Dabei ist er längst der schlimmste Lohntreiber für Mitläufer geworden. Er kauft die vierte Linie völlig überteuert ein (auf diese Saison Daniele Grassi und Matthias Bieber). Dabei könnte er diese Positionen mit eigenen Junioren besetzen.
Der freundliche, kluge Sportchef Alex Chatelain lässt diese Kritik nicht gelten und sagt, die Eiszeiten für die Spieler der vierten Linie seien auch bei der Konkurrenz nicht anders.
Er sollte sich ein wenig mit den ganz offiziellen neusten Statistiken befassen, bevor er solche Märchen erzählt. Biel führt die Tabelle an. Beim heftig umstrittenen 4:1 in Lausanne (das 2:1 fiel erst in der 52. Minute) hat bis auf Michael Hügli jeder eingesetzte Spieler mindestens 11 Minuten Eiszeit bekommen und keiner ist 20 Minuten oder länger aufs Eis geschickt worden.
Gegen Langnau mussten beim SCB in einer Partie, die schon nach 20 Minuten entschieden war, drei Schlüsselspieler länger als 20 Minuten arbeiten. Dafür kamen sage und schreibe sechs (!) nicht auf 10 Minuten Einsatzzeit (Berger, Bieber, Grassi, Heim, Kamerzin, Burren).
Wie kann es sein, dass ein so exzellent gemanagtes Hockeyunternehmen wie der SCB seinen Trainer so fuhrwerken lässt? Ganz einfach: Das süsse Gift des Erfolges entschuldigt alles. Niemand wagt einem Trainer zu widersprechen, der in zwei Jahren zweimal die Qualifikation gewonnen und einmal den Titel geholt hat. Aus den Bernern sind längst tiefgläubige «Jaloner» geworden.
Aber im Frühjahr 2020 läuft der Vertrag des finnischen Erfolgstrainers aus. Dann wird der SCB mit einer überalterten und überteuerten Mannschaft vor schweren Jahren stehen. Kein talentierter junger Spieler, der noch bei Sinnen ist, wechselt inzwischen nach Bern, und wer seine Karriere retten will, verlässt Bern.
Dabei könnte kein anderer Spitzenklub so gut eine «Hybrid-Politik» betreiben; einerseits erfolgreich sein und andererseits die Mannschaft mit eigenen Talenten erneuern.
Das wäre umso einfacher, weil die Mannschaft dank eines exzellenten Trainers ja systemsicher und taktisch so gut geschult ist. Aufstieg und Niedergang von Mannschaften sind unvermeidlich. Weil sich Mannschaften erneuern müssen. Gerade der SCB hätte alles, um diesen Niedergang so abzufedern, dass die Position in der Spitzengruppe der Tabelle nicht geräumt werden müsste.
Und kein kritisches Wort gegen Kari Jalonen. Für seine Reputation zählen nur Siege. Er muss sich nicht darum kümmern, was in Bern nach ihm kommt. Er wird in Finnland nie gefragt werden, ob er André Heim im Powerplay eingesetzt hat. Es ist nicht sein Problem, dass es beim grössten Hockeyunternehmen in diesem Land niemanden mehr mit einem klaren sportlichen Verstand gibt, der dem Trainer sagt, dass nicht die ganze Zukunft der Gegenwart geopfert werden darf.