Petr Svoboda ist Lausannes allmächtiger Boss. Er hat entschieden, dass Joël Vermin (28), einer der komplettesten Stürmer der Liga trotz eines noch bis 2022 laufenden Vertrages gehen muss. Der Grund: ein Streit mit Torhüter Luca Boltshauser, der nicht mehr zu schlichten sei. Dabei ist diese Sache längst aus der Welt geschafft. Die beiden haben inzwischen sogar gemeinsame Motorradtouren unternommen.
Es gibt also keinen Grund mehr, Joël Vermin aus der Kabine zu entfernen. Dieses Theater entbehrt jeder vernünftigen Grundlage.
Aber Petr Svoboda hat längst verkündet, auch in aller Öffentlichkeit, dass Joël Vermin gehen muss. Also muss er gehen. Punkt. Und natürlich will der Boss ein Gegengeschäft machen. Sonst sieht ihn das Publikum als Verlierer und seine Autorität leidet nach innen und aussen.
Genf offeriert voreilig Floran Douay (25), Tim Bozon (26) und Guillaume Maillard (21). Um es polemisch zu formulieren: Die drei Namen muss man sich eigentlich nicht einmal merken, so wenig sportliche Bedeutung haben sie im Vergleich mit Joël Vermin. Sie wären auch in Lausanne bloss Hinterbänkler.
So weit, so gut. Aber Lausanne kann Joël Vermin nicht einfach zwingen, nach Genf zu gehen. Das lässt unser Arbeitsrecht nicht zu. Und ein so guter Spieler muss sich auch nicht in einen absurden Deal fügen, um seine Karriere nicht zu gefährden.
Kommt dazu: Lausanne hat Joël Vermin vom Trainingsbetrieb und vom Spiel ausgeschlossen und verunmöglicht ihm die Ausübung seines Berufes. Auf dieser Grundlage könnte der Spieler seinen Vertrag sofort auflösen und gehen, wohin er will. Aber er müsste seine fristlose Kündigung zuerst durchsetzen. Sonst gibt Lausanne die Lizenz nicht her und der Transfer-Einzelrichter müsste entscheiden, ob er wechseln darf oder ob sein neuer Arbeitgeber die Konventionalstrafe von einer Million für Transfers aus laufendem Vertrag ohne Einverständnis des alten Arbeitgebers zahlen muss.
Der SC Bern wäre bereit, Joël Vermins Vertrag mit 525'000 Franken Salär zu übernehmen. Sportchefin Florence Schelling würde in diesem Falle vorerst auf eine Anstellung eines weiteren Ausländers verzichten. Aber SCB-Manager Marc Lüthi stellt klar: «Ich sage zu diesem Fall nichts. Aber ich sage, dass wir niemals ein Transfergeschäft machen werden, das vor irgendeinem Richter landen könnte.»
Damit ist klar: Der SCB ist so weise, sich aus diesem unberechenbaren welschen Theater herauszuhalten, bis sich der Pulverdampf verzogen hat und die Sachlage geklärt ist.
Dummerweise hat Servettes Sportchef-Zauberlehrling Marc Gautschi seinen drei tapferen Hinterbänklern längst erklärt, dass sie für Joël Vermin nach Lausanne geschickt werden. Obwohl er ja noch gar nicht weiss, ob der ehemalige SCB-Junior tatsächlich kommen wird. Noch schlimmer: Statt die Verhandlungen und Gespräche diskret zu führen, ist inzwischen alles ausgeplaudert worden. Die grossen Tageszeitungen in Lausanne («24 Heures») und Genf («La Tribune de Genève») haben den obskuren Spielerhandel in grossen Aufmachern angekündigt. In Lausanne sogar auf der Frontseite.
Nun kann niemand mehr zurück, ohne das Gesicht zu verlieren. Der Handel muss über die Bühne. «Coûte que coûte». Es ist wahrlich ein Segen für die Unterhaltung, wenn es nicht mehr bloss um einen Deal, sondern mehr noch um Eitelkeiten geht.
Scheitert das Geschäft, ist Servettes neuer Sportchef und mit ihm das ganze Unternehmen bis auf die Knochen blamiert. Und Floran Douay, Tim Bozon und Guillaume Maillard müssten bleiben und erklären, dass es für sie eine Ehre war, in Lausanne ein Thema zu sein, und sich als echte «Servettiens» freuen, nun doch in der Genfer Hockeyfamilie bleiben zu dürfen. Wäre schampar gut für die Chemie im Team.
In Lausanne kann es sich Petr Svoboda gar nicht mehr leisten, Joël Vermin zu «begnadigen». Warum in aller Welt hat er denn einen seiner wichtigsten Spieler so ziemlich jedem Klub für ein Tauschgeschäft angeboten? Es wäre für sein schillerndes Image und seine Autorität auch nicht gut, wenn er kein Gegengeschäft machen und den WM-Silberhelden einfach so an den SCB verlieren würde.
Das alles versetzt Joël Vermin in eine wunderbare Ausgangslage. Er möchte im Herzen lieber nach Bern. Aber Servette wird alles Menschenmögliche unternehmen, um ihm eine Züglete nach Genf doch noch schmackhaft zu machen. Und wie tut man das? Richtig: mit einer schönen Lohnaufbesserung. Wenn sein Agent geschickt verhandelt, kann er für seinen Klienten den aktuellen Lohn von 525'000 Franken auf mehr als 700'000 Franken erhöhen – auf drei oder vier Jahre hinaus.
Geht das? Klar, das geht. Servette steht unter der Obhut der «Rolex-Stiftung». Der Stiftungszweck ist – stark vereinfacht erklärt – die Förderung talentierter junger Leute. Nun würde die Stiftung eben drei junge Eishockey-Künstler aus Genf fördern. Indem sie ihnen ermöglicht, zum grossen Lausanne zu wechseln und dort noch besser zu werden – und im Gegenzug bekommt mit Joël Vermin ein junger Mann aus Lausanne die Chance, in Genf noch besser zu werden. Alles wunderbar im Sinne von Stiftungsgründer Hans Wilsdorf. Oder?
In Kürze werden wir den Schlussakt dieses absurden Theaters erleben. Der grosse Sieger ist jetzt schon Joël Vermin. Entweder darf er zum SCB oder er wird bei Servette Jungmillionär. Nach allem, was er sich im Laufe dieser absurden Geschichte schon anhören musste, hat er es verdient, als Sieger von der Bühne zu laufen.