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Ajoie, der Tanz der letzten Gaukler und ein verschlafener Transfer

L'attaquant jurassien Jonathan Hazen lors du match a huis clos du championnat suisse de hockey sur glace de Swiss League entre le HC Sierre et le HC Ajoie, ce mercredi, 2 decembre 2020, a la pati ...
Jonathan Hazen tanzt sich durch die gegnerischen Reihen.Bild: keystone
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Ajoie, der Tanz der letzten Gaukler und ein verschlafener Transfer

Sie bieten ein Spektakel wie aus einer längst vergangenen Zeit. Die kanadischen Stürmer Philip-Michaël Devos und Jonathan Hazen haben Ajoie ein 5:3 in Langenthal und damit den Gleichstand im Halbfinal beschert.
07.04.2021, 12:1607.05.2021, 09:28
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Eigentlich sind sie einfach zu gut. Viel zu gut. Seit Jonathan Hazen und Philip-Michaël Devos im Sommer 2015 nach Ajoie gekommen sind, hat stets einer der beiden die Skorerwertung der zweithöchsten Liga gewonnen. Fünfmal haben die beiden 30-jährigen Kanadier die Ränge 1 und 2 in der Skorerliste belegt. Auch diese Saison.

Sie sind so produktiv, dass sie sich für taktisches Eishockey und damit für die National League nicht mehr eignen. Ihr Trainer Gary Sheehan sagt es so: «Sie haben inzwischen zu viele schlechte spielerischer Gewohnheiten …» Was er damit sagen will: schlechte Gewohnheiten sind es nur im taktischen, aber nicht im spielerischen Sinne. Die Gegenspieler in der Swiss League sind langsamer. Sie lassen seinen beiden offensiven Titanen so viel Zeit und Raum, dass sie sich eine Spielweise angeeignet haben, die in der höchsten Liga nicht mehr funktionieren könnte. System-Trainer wie Heinz Ehlers oder Kari Jalonen würden durch die beiden taktischen Freidenker um den Hockey-Verstand gebracht.

Ajoie schafft gegen Langenthal das Re-Break.Video: YouTube/MySports

Seit den Zeiten von Slawa Bykow und Andrej Chomutow bei Gottéron hat es bei uns nie mehr ein Team gegeben, das über eine so lange Zeitspanne (seit 6 Jahren) so sehr von zwei Spielern abhängig ist wie Ajoie. Von den bisher neun Treffern im Halbfinal gegen Langenthal hatten Jonathan Hazen und Philip-Michaël Devos bei neun den Stock im Spiel.

Der Coach einer «normalen» Mannschaft versucht in der Regel, seine beste Linie gegen die schwächste des Gegners laufen zu lassen und mit einer defensiven Formation den besten gegnerischen Sturm zu neutralisieren.

Bei Ajoie funktioniert es auch in diesem Halbfinal anders: Garry Sheehan setzt seine beiden Kanadier wenn immer möglich gegen die beste Formation der Langenthaler um Eero Elo, Topskorer Dario Kummer und Marc Kämpf ein. Immer wieder «Gelbhelm» gegen «Gelbhelm». «Weil wir gar keine Linie haben, die defensiv gut genug ist, um Langenthals besten Sturm im Schach zu halten.»

So kommt es, dass Philip-Michaël Devos und Jonathan Hazen, die ja geradezu Gegenentwürfe zu Defensiv-Stürmern sind, nicht nur Ajoies produktivste, sondern zugleich Ajoies wichtigste Defensivspieler sind. Sie binden allein mit ihrer Präsenz die besten gegnerischen Stürmer.

Langenthal versucht deshalb das Spiel so schnell wie möglich ins gegnerische Drittel zu verlagern. Damit das Offensivspektakel der beiden Kanadier nicht vor dem eigenen Tor stattfindet. Die aber machen es genau gleich. Diese Ausgangslage führt immer wieder zu mitreissendem hin und her, zu Tänzen der offensiven Gaukler, die allein den Matchbesuch wert sind.

Die Stärke von Jonathan Hazen und Jean-Michaël Devos ist ihre völlige Unberechenbarkeit. Sie sind schlaue, stocktechnische Magier, erstaunlich flink und vor allem: sie spekulieren mit höchstem Risiko und überraschen so immer wieder ihre Gegenspieler, schneiden Passlinien ab, tauchen auf einmal wie aus dem Nichts in bester Abschlussposition auf.

Wehe dem Torhüter, der sich einen Konzentrationsfehler leistet: schlau nützt Jonathan Hazen schon in der Startminute einen Scheibenverlust von Pascal Caminada zum 1:0 aus. Fortan werden die Langenthaler während der restlichen 59 Minuten und 33 Sekunden vergeblich einem Rückstand nachrennen.

Ueli Huber: «Heute hatten wir das nötige Glück.»Video: YouTube/MySports

Gary Sheehan gehört zu den wenigen glücklichen Coaches, die zwei Spieler zur Verfügung haben, die einfach funktionieren, die er einfach aufs Eis schicken und machen lassen kann. So wie einst Glen Sather in Edmonton Wayne Gretzky alle Freiheiten geben konnte.

Ajoies beste Skorer spielen zusätzlich auch im Powerplay, oft sogar im Boxplay. Garry Sheehan schätzt, ohne nachzuschauen, dass auch in Langenthal mehr als 20 Minuten Eiszeit zusammengekommen sind. Er hat recht: Jonathan Hazen kam auf 24:02 Minuten und Philip-Michaël Devos auf 24:25 Minuten. Marathonmänner.

Kein Problem. Energie haben die beiden genug. Sie sind eben nicht nur verspielte Schillerfalter. Sie sind auch zäh, robust und mutig. Skorer, Gaukler und zugleich Vorkämpfer und Leader.

Die gegnerischen Teams stellen sich natürlich auf diese Besonderheit ein. Langenthals Luca Christen:

  • Er ist der schnellste Verteidiger der Swiss League
  • Sagt es so: «Wir wissen, dass die beiden Kanadier gerne spekulieren.»

Das Ziel sei es, die Scheibe zu erobern und schnell zu kontern. Was immer wieder gelingt und zu zwei Treffern führt, die Luca Christen orchestriert hat.

Eigentlich ist es schier unfassbar, dass der «Schoren-Josi» – Langenthal spielt in der kultigen «Flachland-Valascia» Schoren - auch nächste Saison nicht in der National League spielt. Er war in der Qualifikation der drittproduktivste Verteidiger der Liga und jetzt ist er gar der punktbeste der Playoffs (8 Spiele/6 Assists).

Der 22-jährige Huttwiler hat in Langenthal bereits um zwei Jahre verlängert und darf erst Ende der nächsten Saison vorzeitig in die höchste Liga wechseln. «Ich wollte Sicherheit», sagt Luca Christen. Zum Zeitpunkt, als Sportchef Kevin Schläpfer eine Offerte vorlegte, hätten sich die Sportchefs der National League noch nicht festlegen wollen. Und so habe er erneut bei Langenthal unterschrieben. «Ich denke, dass noch eine Saison bei Langenthal gut für meine Entwicklung ist.»

Da hat er wohl recht. Er wird seinen Weg machen. Er hat das Potenzial zu einer schönen Karriere in der höchsten Liga und vielleicht sogar für die Nationalmannschaft. Und doch: in diesem Fall hat Langnaus Sportchef Marc Eichmann – bis im letzten Frühjahr bei Langenthal tätig – ganz einfach versagt und einen hochkarätigen Transfer verschlafen.

Luca Christen hätte den Langnauern nächste Saison Andrea Glauser (zu Lausanne) bald einmal bei weitem ersetzt.

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ricardo Tubbs
07.04.2021 09:08registriert März 2019
sollte ajoie ins finale kommen (und kloten auch) wird es ganz schwierig für kloten...sehe da ajoie leicht favorisiert. wäre sowieso eine bereicherung für das A (und ein herber verlust fürs B)

in der zwischenzeit verkrieche ich mich in die ecke und beweine wie jede saison meinen unaufsteigbaren ehc olten :-(
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Liebu
07.04.2021 12:32registriert Oktober 2020
Also das 4:2 gestern von Hazen war der Hammer. Wie er praktisch stehend im Slot, erst den Verteidiger und auch den Torhüter „ausgetöggelet“ hat, ist schon Extraklasse.
Schön zuzusehen, was sie aus ihrer Trickkiste zaubern. Als Gegenspieler siehst du dann halt nicht immer so vorteilhaft aus.
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Linksanwalt
07.04.2021 08:23registriert September 2015
Schön dass es sowas noch gibt. Beide spielen noch dieses Oldschool-Hockey, das mit der Hochglanzvariante in der obersten Liga nichts zu tun hat. Aber kann die Langenthaler Defensive dieses Duo nicht aufhalten, wird es auch für Kloten sehr schwierig.
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