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Lieber brav verlieren, als zornig siegen – so emotionslos nimmt der SC Bern das Scheitern hin

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Musterschüler

Lieber brav verlieren, als zornig siegen – so emotionslos nimmt der SC Bern das Scheitern hin

Es ist vollbracht: Der SC Bern hat seinen Titel schon vor den Playoffs verloren. Aber das grosse Drama hat nicht stattgefunden. Das ist höchst beunruhigend.
05.03.2014, 06:5005.03.2014, 10:16
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Zorn? Fluchen? Zertrümmerte Stöcke? Toben in der Kabine? Nein. Die Berner marschieren nach der 2:5-Pleite emotionslos vom Hallenstadion-Eis, die Treppe hinauf und verschwinden in der Kabine. Nicht einmal eine Türe wird zugeknallt. Nicht einer hat seiner Enttäuschung in irgendeiner Form Luft gemacht. Wer nicht um die Folgen dieser Niederlage weiss, der denkt: Ach, das war halt wieder eines dieser unzähligen unbedeutenden Qualifikationsspiele. Ob Sieg oder Niederlage ist einerlei.

Wir sollten anständiges Verhalten nicht kritisieren. Aber Eishockey ist nun mal ein raues, emotionales Spiel. Gerade nach dem 50. Spiel zeigt sich in der Banalität des Scheiterns einer der Gründe für das SCB-Versagen: zu viele Musterschüler ohne Emotionen. Zu berechenbar, zu brav, zu weich. Zu viel Erfolg in der Vergangenheit. Zu wenig Erfolgshunger in der Gegenwart. Wir haben versagt. Na und?

Die geschlagenen Berner präsentieren sich als Musterschüler ohne Emotionen.Bild: KEYSTONE

Eine gut inszenierte Show

Wenigstens sind die Berner nicht einsam untergegangen. Das letzte Mal warteten im letzten Frühjahr nach dem Heimsieg gegen Fribourg (der dem SCB den Titel bescherte) so viele Chronisten vor der SCB-Kabine wie jetzt nach dem 2:5 gegen die ZSC Lions im Zürcher Hallenstadion.

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Als erster kommt SCB-General Marc Lüthi heraus. Mit einem Becher Kaffee in der Hand. Er bittet um eine kurze Bedenkzeit. Es komme sonst nicht gut, wenn er jetzt gleich drauflosrede.

Es ist eine gut inszenierte Show. Der grosse SCB-Manager mit den unentgleisbaren Gesichtszügen hat sich nämlich sehr gut unter Kontrolle. Aber ein wenig Dramatik schadet ja nichts. Aber eben: Es ist bloss Operetten-Dramatik. Dem Augenblick geschuldet. Zumal es das letzte Mal in dieser Saison ist, dass sich die nationalen Medien für ein SCB-Spiel interessieren. 

Eismeister Zaugg fühlt SCB-CEO Marc Lüthi auf den Zahn.
Eismeister Zaugg fühlt SCB-CEO Marc Lüthi auf den Zahn.Bild: Daniela Frutiger

Am nächsten Dienstag beginnt für den Meister ja das «Spiessrutenspielen» in der Abstiegsrunde mit der Partie gegen Biel. Den Ligaerhalt hat der SCB übrigens bereits seit dem letzten Samstag auf sicher.

Nach ein paar Minuten kehrte Lüthi zurück und stellt sich den Fragen. Der grosse SCB-General gibt anständig seiner Enttäuschung Ausdruck, ärgert sich ein wenig über die Art und Weise, wie der SCB das Spiel noch aus der Hand gegeben hat und spricht dann bereits von der Zukunft. «Ab jetzt beginnt die neue Saison. Einen ersten Schritt haben wir mit der Verpflichtung von Trainer Guy Boucher ja bereits getan.»

Fast schon wie die Lakers

Damit ist klar, dass der kanadische SCB-Trainer bleibt. Und dass es auch sonst zu keinen spektakulären personellen Konsequenzen kommen wird. Krisenkommunikation wie aus dem Lehrbuch. Und das ist ein Grund zur Sorge: Wenn das Scheitern so banal ist, dann sind die Berner offenbar noch immer davon überzeugt, dass dieser Sturz in die Abstiegsrunde eigentlich bloss ein Betriebsunfall ist. Ein Irrtum der Hockeygeschichte.

Hätten die Lakers so gespielt wie der SCB in dieser letzten Partie im Hallenstadion – dann würden wir sagen: Nun ja, die sind halt nicht besser. Aber es war der Meister! Der grosse, mächtige SCB! Offensichtlich wagt – wie bei Kaisers neuen Kleidern – niemand zu sagen: Aber dieser SCB spielte ja nicht besser als die Lakers! Die Lakers!

Die Berner setzen in diesem letzten Qualifikationsspiel erstmals in ihrer Geschichte drei ausländische Verteidiger ein (Kinrade, Grillfors, Roche). Sie erreichen so defensive Stabilität und Spielkontrolle. Es kommt sogar ein bisschen Dramatik auf: Um 20.31 Uhr geht der SCB 1:0 in Führung und in Fribourg steht es immer noch 0:0. So hätten die Berner einen Punkt mehr als Lausanne geholt und wären doch noch in die Playoffs eingezogen.

Gegen die ZSC Lions kommt sogar ein wenig Dramatik auf, aber am Ende jubeln doch die Zürcher.
Gegen die ZSC Lions kommt sogar ein wenig Dramatik auf, aber am Ende jubeln doch die Zürcher.Bild: KEYSTONE

Aber um 20:47 Uhr geht Lausanne in Fribourg in Führung und schliesslich wird der SC Bern im Schlussdrittel von der rauen Wirklichkeit eingeholt und verliert sang- und klanglos 2:5. 

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So wie dem Meister während der ganzen Qualifikation die Energie, die Emotionen und die Disziplin für konstant gutes Hockey gefehlt haben, so ist die Mannschaft nun auch nicht dazu in der Lage, das Spiel durchzustehen: Nach einem Stockschlag muss Geoff Kinrade in die Kabine (53. Min.). Seinen Fünfminuten-Ausschluss nützen die ZSC Lions zu vier Powerplaytoren. Sie machen aus einem 1:2 ein 5:2. So verlieren sonst eigentlich nur noch die Lakers. Die Lakers!

Der SC Bern hat sich ans Verlieren gewöhnt

Nun wird es still in Bern. Zum grossen Krisenspektakel wird es nicht kommen. Die Saison wird in Bern so in Anstand zu Ende gehen wie diese letzte Qualifikationspartie in Zürich. Diese Banalität des Scheiterns sagt uns: SCB-General Marc Lüthi hat den Ernst der Lage nach wie vor nicht erfasst. 

Er sagt es nicht so. Aber die Botschaft seines Auftrittes nach dem 2:5 im Hallenstadion lautet: Nur jetzt keine Unruhe bitte! Keine Polemik! Seid alle nett zueinander! Lieber brave Verlierer als zornige Sieger. Ja, einem neutralen, sachlichen, nur der Wahrheit verpflichteten Beobachter bleibt nach diesem letzten Qualifikations-Auftritt nur eine Erkenntnis: Der SCB hat sich ans Verlieren gewöhnt. Der SCB ist ein Verlier-Team geworden. Das muss man wiederholen, um es glauben zu können: Verlierermentalität beim SCB!

Unter diesen Voraussetzungen ist es mehr als fraglich, ob es die dringend notwendigen und möglichen Veränderungen auf allen vier Ausländerpositionen geben wird. Ob Marc Lüthi die Wehrkraft seines Teams durch entsprechende Investitionen in neue Ausländer verstärken wird. Der grosse SCB-Zampano hat offensichtlich immer noch nicht erkannt, dass der SCB auf das Niveau von 2002 zurückgeworfen worden ist.

Im Winter 2001/02 hatte Marc Lüthi nach fünf mageren Jahren mit bloss einem Halbfinal persönlich den Transfer von Christian Dubé angeordnet, orchestriert und persönlich das damals wahnwitzige Salär (brutto über eine halbe Million) verantwortet. Weil er wusste: Der SCB muss als Sportunternehmen in den Sport investieren. 

2001 reagierte Marc Lüthi mit Vehemenz auf das Scheitern und orchestrierte persönlich den Millionentransfer von Christian Dubé.
2001 reagierte Marc Lüthi mit Vehemenz auf das Scheitern und orchestrierte persönlich den Millionentransfer von Christian Dubé.Bild: KEYSTONE

2008 öffnete Marc Lüthi den Tresor erneut und machte Martin Plüss zum damals bestbezahlten Spieler der Liga. Weil er wusste: Der SCB muss als Sportunternehmen in den Sport investieren. Diese beiden Transfers haben dem SCB letztlich drei Titel und zwei Finals gebracht und die Voraussetzungen geschaffen, um den Tempel umzubauen und den Konzernumsatz auf gut 50 Millionen zu verdreifachen.

Jetzt braucht Marc Lüthi erneut den Wagemut von 2002 und 2008. Sonst steht der SCB zuerst sportlich und dann wirtschaftlich vor mageren Jahren.

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