Taktisch gibt es (fast) keinen Unterschied zwischen Langnau und dem grossen SC Bern. Heinz Ehlers und Kari Jalonen sind beide Grossmeister des taktischen Schachspiels auf dem Eis. Stark vereinfacht erklärt: Beide setzen auf Spielkontrolle. Oder noch einfacher: Wenn das Spiel gegen das eigene Tor läuft, dann haben sie durch geschickte Organisation in allen Situationen mehr Spieler zwischen dem Puck und dem eigenen Goalie als der Gegner.
Partien der SCL Tigers und der Berner begeistern daher jeden Coach. So viel System! So viel Ordnung! So viel taktische Disziplin! So wenig Freiräume für den Gegner! Coaches streben auf und neben dem Eis seit allen Zeiten nach Kontrolle. Keine einfache Sache bei einem so unberechenbaren Spiel auf glatter Unterlage. Mehr Spielkontrolle als in Bern und Langnau ist praktisch nicht mehr möglich.
Warum ist der SCB bei gleicher Taktik erfolgreicher? Ganz einfach: Den Unterschied machen die unterschiedlichen Figuren auf dem grossen, rutschigen Hockey-Schachbrett.
Langnau beherrscht zwar die Kunst, mit Mühlesteinen (also mit wenig Talent) Hockeyschach zu spielen. Aber zu viele taugen im grossen Hockey-Schach höchstens zum Bauer. Weil sie zu wenig talentiert sind. Kari Jalonen hat hingegen die Spieler für die verschiedensten Rollen im grossen Hockey-Schach: Bauer, Springer, Läufer, Turm, Dame oder König.
Auf dem Eis ist Langnau als Aussenseiter auf fremdem Eis dazu in der Lage, mit seinen Bauern in jeder Partie das Spiel des spielerisch besseren Gegners zu blockieren und offene Räume für Gegenstösse zu nützen. Aber wenn der Gegner ins Emmental kommt, sich in die Aussenseiter-Rolle begibt, sorgsam alle Räume schliesst, dann fehlen die verschiedenen Schachfiguren, die Läufer, Springer, die Türme, die Dame und der König, um den Gegner auszuspielen und schachmatt zu setzen.
Die Bauern werden zwar oft als «die Seele des Schachspiels» bezeichnet. Aber der Bauer ist die schwächste Figur im Schachspiel. Mit Bauern lässt sich gegen einen gut organisierten Gegner weder eine echte Schachpartie noch ein Hockey-Schachspiel gewinnen.
Also gelingen auswärts gegen anstürmende, auf dem Papier bessere Gegner die Sensationssiege (4:1 in Zürich, 4:1 in Lugano, 7:0 in Davos). Aber zu Hause reicht es nicht, um gleichwertige Teams zu knacken, die aufmerksam und diszipliniert defensiv spielen (0:2 gegen Ambri, 0:2 gegen Gottéron, 3:5 gegen Biel).
Wollen die Langnauer am Wochenende auf eigenem Eis den grossen SC Bern bodigen, müssen schon ein paar Bauern spielen wie Läufer, Springer, Türme, die Dame oder der König.
Die Frage stellt sich nur, wer dazu in der Lage ist. Wäre es nicht gelungen, Chris DiDomenico zurückzuholen, dann würden wir jetzt mit bedeutungsschwerer, wichtiger Miene sagen, dem Hockey-Mühlespiel der Langnauer fehle ein unberechenbarer, feuerköpfiger, leidenschaftlicher, charismatischer Leitwolf wie DiDomenico.
Der Kanadier könnte alles sein: Bauer, Läufer, Springer, Turm, Dame und König. Er hätte sicherlich in den Heimspielen gegen Ambri und Gottéron die erlösenden Treffer erzielt und das Team zum Sieg mitgerissen. Mit Chris DiDomenico hätte Langnau sechs Punkte mehr und stünde gleich hinter Biel – aber vor dem SCB – auf Platz 2. Potz Donner! Das wäre gar Stoff für eine Polemik.
Aber Chris DiDomenico ist da. Und warum ist er nicht viel mehr als ein Bauer im Hockey-Schach? Weil unter Heinz Ehlers das System grösser ist als der Einzelspieler, sogar grösser als Chris DiDomenico. Er ist drauf und dran, ein System-Soldat zu werden. Aber Langnau funktioniert auf Dauer nur, wenn das System grösser ist als der Einzelspieler.