Keine andere Hockey-Firma ausserhalb der NHL erreichte in den letzten 20 Jahren so konstant ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Vernunft und sportlichem Erfolg wie der SC Bern. Unter Manager und Mitbesitzer Marc Lüthi hat der SCB 21 Mal hintereinander schwarze Zahlen geschrieben und sechs (!) Meistertitel geholt (2004, 2010, 2013, 2016, 2017 und 2019).
Durch den Ausbau der Gastronomie ist es gelungen, den Umsatz von 15 auf fast 60 Millionen Franken zu steigern und sportlich konkurrenzfähig zu bleiben. Obwohl sich die Löhne seit Marc Lüthis Amtsantritt 1998 verdreifacht haben. Mit dem Verkauf von Bier, Wein, Wurst, Steaks und Brot ist der SCB dazu in der Lage, die Sportabteilung zu finanzieren. Eigentlich ist der SCB mit 16 Beizen in und um Bern das, was die Bindellas mit doppelt so vielen Gastrobetrieben im mehr als doppelt so grossen Zürich sind. Mit dem Unterschied, dass der SCB neben der Gastronomie eben auch noch eine Hockeyabteilung hat und die Gastronomie etwas weniger auf die italienische Küche ausgerichtet hat als die Bindellas.
Im Sommer 2017 hat mit Sven Leuenberger der wichtigste Mann des Sports den SCB verlassen. Er ist heute Sportchef der ZSC Lions. Mit Sven Leuenberger hat der SCB-Konzern den Mann verloren, der Konzernchef Marc Lüthi in sportlichen Dingen zu widersprechen wagte und als Einziger im Fuchsbau SCB so viel Selbstvertrauen hatte, um mit Marc Lüthi auf Augenhöhe und in gleicher Lautstärke zu reden.
Sven Leuenberger ist nicht ersetzt worden. Seit er weg ist, hat der Sport beim SCB intern keine Stimme mehr. Was nicht unbedingt an der Kompetenz seines Nachfolgers Alex Chatelain lag. Vielmehr war das Problem das fehlende Durchsetzungsvermögen gegenüber dem charismatischen Konzernchef und die ja an und für sich kluge Absicht, nur ja nichts zu tun oder zu sagen, das den Job kosten könnte. Die Folge: In zwei Jahren ist ein Meisterteam zerfallen. Aber Alex Chatelain ist bei Marc Lüthi so wohlgelitten, dass er auch nach der Absetzung als Sportchef beim SCB ein Pösteli bekommen hat.
Szenenwechsel. Schon seit einiger Zeit haben gleich mehrere SCB-Verwaltungsräte (Hans Dietrich, Rudolf Schnorf, Urs Schweizer, Jürg Bucher) den Wunsch geäussert, kürzer zu treten. So wie Alex Chatelain den Auftrag hatte, ein Meisterteam umzubauen, so standen Marc Lüthi und sein Präsident Beat Brechbühl vor der Aufgabe, einen erfolgreichen Verwaltungsrat zu erneuern. Die Verwaltungsräte beim SCB sind zugleich die Besitzer des Unternehmens.
Diese Erneuerung des Verwaltungsrates war mindestens so schwierig wie die Zusammenstellung eines neuen Meisterteams. Auch bei dieser Aufgabe ging es um Geld und Kompetenz. Die perfekte Lösung, sozusagen die eierlegende Wollmilchsau, wären neue Verwaltungsräte, die genug Geld haben, um den ausscheidenden Herren die Aktienpakete abzukaufen, etwas vom Hockeygeschäft verstehen und in Bern verwurzelt sind.
Und siehe da: Diese perfekte Lösung hat Marc Lüthi zusammen mit seinem Präsidenten gefunden. Die freiwerdenden Aktienpakete werden von Präsident Beat Brechbühl, Pascal Dietrich (dem Sohn des zurücktretenden Hans Dietrich) und den beiden ehemaligen SCB-Junioren Mark Streit und Roman Josi übernommen. Weil ein Verwaltungsratsmandat persönlich ausgeübt werden muss und Roman Josi ja in Nordamerika engagiert ist, zieht sein Vater Peter Josi in den SCB-Verwaltungsrat ein.
Nachfolgeregelung: Mark Streit und Roman Josi beteiligen sich am #SCBern | Mehr: https://t.co/rUgFjg7rn6 pic.twitter.com/uUOXx3kG1S
— SC Bern (@scbern_news) May 1, 2020
Wir können salopp auch sagen: Mark Streit und Roman Josi (vertreten durch seinen Vater) sitzen jetzt im SCB-Verwaltungsrat. Beide haben es in der NHL zu so viel Ruhm und Geld gebracht, dass sie Marc Lüthi auf Augenhöhe begegnen bzw. im Falle von Roman Josi telefonieren können. Beide haben schon mehr als 20 Millionen auf dem Bankkonto und konnten die SCB-Aktien der scheidenden Verwaltungsräte – um es salopp zu sagen – aus der Haushaltskasse bezahlen, beide können Hockey und beide sind in der Wolle gefärbte Berner.
Es ist die perfekte Lösung. Entstanden sozusagen aus einer zufälligen Bemerkung. Kürzlich hat einer der Verwaltungsräte im kleinen Kreis erzählt, auf der Suche nach neuen Herren habe einer gesagt, man solle doch den Josi und den Streit fragen. Was mehr als Scherz gemeint war, ist nun Wirklichkeit geworden.
Und ohne unhöflich zu sein, dürfen wir sagen: Roman Josi und Mark Streit sind nun beim SCB wichtiger als die neue Sportchefin Florence Schelling. Zumal sich beide auch noch über eine neugegründete GmbH im Nachwuchs engagieren. Oder um es politisch korrekt auszudrücken: Nun hat Florence Schelling das Ohr von zwei Hockey-Titanen, deren Rat wohl ihrem Vorgänger den Job gerettet hätten.
Um doch noch etwas polemisch zu sein: Eigentlich sind jetzt Mark Streit und Roman Josi (er allerdings meistens nur am Telefon) die wahren Sportchefs beim SCB. Florence Schelling obliegt es, umzusetzen, was von ihren neuen Hockey-Freunden angeregt wird. Das war nun, ich entschuldige mich, etwas polemisch.
Nun ist eigentlich alles vorgekehrt worden, damit der SCB schon mittelfristig wieder die Nummer 1 im Land werden kann. Der neue SCB-Verwaltungsrat: Beat Brechbühl (Präsident), Mark Streit, Peter Josi, Carlo Bommes (der Sohn des ehemaligen Präsidenten Fred Bommes), Pascal Dietrich und Marc Lüthi.
Wenn es diese neue Führungsliga versteht konstruktiv zusammen zu arbeiten, sind die Synergien einzigartig und bieten grosses Potential in vielen Bereichen!