Protokoll eines dramatischen Niederganges und des Zerfalls einer intakten Mannschaft. Im Januar hängt der Himmel über Langnau noch voller Playoffgeigen. Am 18. Januar überrollen die SCL Tigers den Tabellenführer EV Zug mit 5:1 und stehen auf Rang 7. Seit dem Herbst 2018 haben sie sich in mehr als 80 Partien in den Playoffrängen behauptet.
Aber das Glück der Emmentaler steht auf dünnem Eis. Den erstaunlichen Erfolg verdanken sie im Wesentlichen (aber natürlich nicht nur) fünf Männern: dem eigenwilligen taktischen Hexenmeister Heinz Ehlers, den überragenden ausländischen Stürmern Harri Pesonen und Chris DiDomenico und dem Torhüter-Duo Ivars Punnenovs/Damiano Ciaccio. Sie machen eine Mannschaft konkurrenzfähig, die nominell zu den schwächsten der Liga gehört.
Wer will, kann bereits Mitte Januar Knarren im Gebälk hören. Schon im Herbst hat Trainer Ehlers nachgefragt, ob es denn nicht möglich sei, Jörg Reber wieder zum Sportchef zu machen und Marco Bayer auf eine andere Position zu versetzen. Seine Bitte kann natürlich nicht erfüllt werden. Was seine Laune nicht bessert. Am Ende steht die Trennung. Heinz Ehlers hat um Auflösung seines noch ein Jahr laufenden Vertrages gebeten. Seinem Begehren ist entsprochen worden. Er ist nach Dänemark zurückgekehrt. Langnau hat keinen Trainer mehr.
Mitte November inszeniert Bayer einen Machtkampf mit DiDomenico und der Kanadier unterschreibt schon im Dezember für die kommende Saison bei Gottéron. Am 5. März muss der Kanadier sogar vorzeitig gehen.
Punnenovs und Ciaccio bilden eines der besten Goalie-Duos der Liga. Ciaccio murrt leise, weil er diese Saison hinter dem überragenden Punnenovs kaum mehr zum Einsatz kommt – und schon ist der nächste Eklat da. Er darf trotz weiterlaufendem Vertrag auf nächste Saison nach Ambri wechseln und wird durch Gianluca Zaetta ersetzt. Der neue Goalie aus Zugs Farmteam hat noch nie in der höchsten Liga gespielt. Aber er ist billig.
Am Ende der Qualifikation sind die Langnauer auf den zweitletzten Platz abgerutscht. Punktgleich mit Ambri. Nur der Abbruch der Saison rettet die SCL Tigers vor einem nervenaufreibenden Abstiegskampf mit ungewissem Ausgang.
Inzwischen ist Sportchef Marco Bayer durch den Wechsel zum Verband (U20-Nationaltrainer) seiner intern längst beschlossenen Amtsenthebung zuvorgekommen. Noch ist Geschäftsführer Peter Müller dabei, mit Verbands-Sportdirektor Lars Weibel die Bedingungen für den vorzeitigen Wechsel (Bayers Vertrag läuft noch bis Ende Jahr) auszuhandeln. Aber unter diesen Bedingungen ist Langnaus Sportchef nicht mehr handlungsfähig. Er wird vorerst nicht ersetzt. Reber ist ja noch da (als Chef strategische Entwicklung Sport) und mit Martin Gerber, Alfred Bohren und Simon Schenk gibt es genügend Sportkompetenz in der Firma.
Erst wenn die Krise vorbei und Marco Bayer verabschiedet ist, wird ein neuer Sportchef eingestellt – und eigentlich sollte der neue Sportchef auch den neuen Trainer suchen.
Kein Trainer, kein Sportchef, nur noch ein bewährter NL-Goalie – und wenn es dumm läuft, bald auch keinen einsatzfähigen Ausländer mehr. Erst einmal erinnert die «Berner Zeitung» daran, dass ja Topskorer Harri Pesonen eine Ausstiegsklausel für die KHL hat. Einen Tag später meldet lematin.ch bereits ein Angebot aus Magnitogorsk. Sein Agent Simo Niiranen bestätigt das Interesse, ohne Details zu verraten. Er sagt lediglich, seinem Klienten gefalle es sehr gut in Langnau.
Geht Harri Pesonen? Ja, aber nur wenn sein neuer Arbeitgeber 400'000 Franken bezahlt. Die KHL-Freigabe ist nämlich an diese Ablösesumme gekoppelt. Zahlt Magnitogorsk so viel? Das ist sehr fraglich. Transfers von ausländischen Spielern in Zeiten der Welt-Viruskrise sind riskant und die Geldverschwendungs-Bereitschaft der KHL-Klubs hat nachgelassen. Bereits im Dezember 2018 ist ein Transfer von Pesonen in die KHL (damals zu Omsk) am «Nein» von Langnau und am fehlenden Zahlungswillen gescheitert. 400'000 Franken sind eigentlich zu viel. Im Herbst 2018 hatte Omsk nur 264'000 Dollar an Zug überwiesen, um Victor Stalberg (jetzt bei Gottéron) während der Saison übernehmen zu können.
Harri Pesonen ist zur Zeit der einzige voll einsatzfähige ausländische Spieler mit einem Vertrag. Robbie Earl leidet nach wie vor an den Folgen einer Gehirnerschütterung. Die Gewährsleute melden, das gesundheitliche Risiko weiterer Einsätze sei fast nicht mehr zu verantworten. Es werde nach Möglichkeiten gesucht, den noch ein Jahr laufenden Vertrag vorzeitig aufzulösen. Der Amerikaner war sowieso ein Fehleinkauf (19 Punkte aus 35 Spielen) von Marco Bayer.
Ben Maxwell möchten die Langnauer eigentlich weiterbeschäftigen. Der Kanadier hat eine Offerte, ausgestellt vor der Welt-Viruskrise. Da die SCL Tigers inzwischen einen Personal-Einstellungsstopp verfügt haben, wird er weiterhin ohne Vertrag bleiben. Der finnische Stürmer Eero Elo ist in Langnau noch daran, eine Handverletzung auszukurieren. Er und auch der Kanadier Aaron Gagnon bekommen wegen des Personalstopps so oder so keine Verlängerungsofferte.
Marco Bayers Transfer-Bilanz ist beängstigend: Heinz Ehlers weg, Chris DiDomenico weg, Damiano Ciaccio weg, Verteidiger Claudio Cadonau weg (nach Zug). Torhüter Gianluca Zaetta und Stürmer Flavio Schmutz sind die einzigen Zuzüge.
Immerhin sind die SCL Tigers finanziell stabil. Sie haben unter der umsichtigen Führung von Präsident Peter Jakob und Geschäftsführer Peter Müller die Finanzen seit der Abstiegssaison (2012/13) im Griff und sind inzwischen neben dem SC Bern das einzige NL-Unternehmen, das ohne die Zuschüsse eines Mäzens schwarze Zahlen schreibt.
Es ist wie beim SC Bern: Das Unternehmen SCL Tigers ist durch und durch solid. Das Problem ist die sporttechnische Führung – die SCL Tigers sind die neuen Lakers. Sie haben inzwischen weniger sportliche Substanz als nach dem Wiederaufstieg von 2015. Sie fangen sportlich wieder ganz von vorne an. Wenn es nicht gelingt, mindestens drei überdurchschnittliche Ausländer zu verpflichten und einen Trainer zu finden, der die Nachwuchsspieler integriert und taktisch so gut ist wie sein Vorgänger, um aus dem limitierten Kader ein Maximum herauszuholen, ist der Sturz ans Tabellenende programmiert.
Ich wünschte es ... denn Rappi ist seit dem Aufstieg eine tolle Mannschaft und es macht Spass diesem Team zuzuschauen ... im Gegensatz zu den Tigers.
Immerhin ist Bayer jetzt weg, darauf kann man aufbauen.
Aber ich habe es ja gesagt, dass Pesonen und als nächstes auch Punnenovs geht ...
Aber ich jedenfalls freue mich auf die kommende Saison :)
#läbeslangnou
Vielleicht hat man sich in Langnau zu fest auf den Lorbeeren der Saison 18/19 ausgelassen und die Zeichen der Zeit nicht erkannt?
Rein rechnerisch sollten wir nächste Saison noch ein Stücklein besser sein und hoffentlich die Laterne im 3. Jahr abgeben.
Überigens haben wir auch kein Mäzen. Jöggi Rihs ist so viel ich weiss im VR, bezahlt aber nichts. Dank Cup und gutem Budget sind auch unsere Zahlen schwarz. 👍🏻