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Aufstieg und Fall, schier grenzenlose Euphorie und tiefste Niedergeschlagenheit in weniger als einer halben Stunde. Playoffs eben.
Biel endlich ein Spitzenteam! Biel am Ende gar ein Finalist? Zehn Minuten lang fliegen die Bieler übers Eis. Gegen die Davoser, gewiss nicht die langsamsten der Liga. Mathias Joggi trifft zum 1:0. Fabian Lüthi zum 2:0. Beide Tore zwingend herausgespielt. Ist das nach 6 Minuten und 51 Sekunden schon die Entscheidung? HCD-Trainer Arno Del Curto nimmt nach dem zweiten Gegentreffer bereits sein Time-Out. Stimmung wie noch nie im neuen Bieler Hockey-Tempel. Biel rockt.
Wenn schon «Hinterbänkler» wie Mathias Joggi und Fabian Lüthi treffen – was, wenn erst die offensiven Titanen auch noch in Fahrt kommen? Nichts und niemand scheint Biel aufhalten zu können.
In der ersten Pause unterhalten sich zwei Herren über «ihren» EHC Biel. Die Kunde vom 4:0 in Bern ist bis nach Biel gekommen.
«Da haben wir Glück gehabt, dass der Mayer seinerzeit den Vertrag gebrochen hat und nicht zu uns gekommen ist.» – «Ja, gottseidank. Sonst hätten wir den Hiller wahrscheinlich gar nicht bei uns.»
So ist es. Servettes Torhüter Robert Mayer hat im Frühsommer 2013 den Vertrag mit Biel wieder aufgelöst, ist ein weiteres Jahr in Nordamerika geblieben und zügelte dann 2014 nach Genf. Bei aller Zuversicht gibt es bei den beiden Herren doch eine bange Frage. «Hoffentlich geht es uns nicht wie Lausanne» – «Nein, nein, wir sind viel solider».
Lausanne? Ja, Lausanne, die Überraschungsmannschaft der letzten Saison, hatte vor einem Jahr im Viertelfinale im ersten Spiel gegen Davos nach 17 Minuten sogar 3:0 geführt. Und dann das Spiel 3:5 und die Serie glatt 0:4 verloren. Von dieser Playoff-Pleite hat sich Lausanne bis heute nie mehr ganz erholt. Inzwischen droht nach dem zweiten Trainerwechsel der Sturz in die Playouts.
Wir sind kurz vom Thema abgekommen. Zurück zum Drama im Bieler Hockeytempel. Gut 10 Minuten nach der ersten Pause ist die ganze Herrlichkeit verfolgen. Davos braucht nicht einmal ganz sieben Minuten, um aus dem 0:2 ein 3:2 zu machen. Nach 30 Minuten und 14 Sekunden trifft Enzo Corvi zum 3:2. Und jeder im Stadion spürt es: Das ist das Ende. Biel Torhüter Jonas Hiller ist kein Titan. Ganz schlimm ist das 2:2. Ganz einfach haltbar. Es ist der Gegentreffer, der bei Biel die Lichter löscht. Wenn ein Goalie solche Gegentreffer zulässt, sind seine Vorderleute chancenlos. Und verlieren alle Hoffnung.
Von nun an dominieren die mitgereisten HCD-Fans die Stimmung und die Davoser mit Wucht und Tempo das Spiel. Wie konnte es bloss zu dieser dramatischen Wende kommen?
Die Davoser steigern nach der ersten Pause das Tempo und die Intensität und das Forecheckeing noch einmal, die Bieler, mit dem 2:0-Vorsprung im Kopf sind zu passiv und werden schliesslich überrollt. Gilles Senn ist im bisher wichtigsten Spiel der Saison überragend. Sicher. Charismatisch. Keine Abpraller. Ganz klar besser als Jonas Hiller. Die Abwehrquoten lügen nicht: 92,86 Prozent für Gilles Senn. 84,38 Prozent für Jonas Hiller.
Ist Biel halt doch noch kein Spitzenteam? Setzt sich die immense Playofferfahrung der Davoser (als einziges aktuelles NLA-Team noch nie die Playoffs verpasst) halt doch durch? Haben die Bieler nach einer frühzeitig feststehenden Playoff-Qualifikation zu viele leichte Siege gefeiert? Haben wir Biel überschätzt? War die Zuversicht ein Irrtum?
Ja, wahrscheinlich ist es so. Aber es ist noch nicht vorbei. Die alles entscheidende Frage ist nun, wie viel Schaden diese verheerende Niederlage in den Köpfen und Seelen der Bieler angerichtet hat. Verdunkeln jetzt die Schatten der Zweifel den Mut? Ja, erleiden nun die Bieler gar das gleiche Schicksal wie Lausanne vor einem Jahr?
Die Ernüchterung bei den Bieler ist für die Chronisten fast körperlich spürbar. Natürlich sagt keiner, dass man nicht mehr ans Halbfinale glaubt. Mit einem gewissen Fatalismus sagen alle brav die Sprüchlein auf, die vor den Playoffs auswendig gelernt werden. Wir kennen diese Aussagen. Spiel für Spiel nehmen. Es ist erst ein Spiel. Und so weiter und so fort.
Auf der Gegenseite ist keine Euphorie zu spüren. Die Davoser wissen aus Erfahrung, dass noch nichts gewonnen ist. Aber auch sie sagen die Sprüchlein auf, die vor den Playoffs auswendig gelernt werden. Wir kennen diese Aussagen. Spiel für Spiel nehmen. Es ist erst ein Spiel. Und so weiter und so fort. Sie sagen es in aufgeräumter Stimmung. Mit kühlem Selbstvertrauen
Auch HCD-Trainer Arno Del Curto ist im Element. Er freut sich über den Sieg, ist in guter Stimmung und wenn man ihn jetzt kurz und knapp reden hört, könnte ein neutraler Beobachter zum Schluss kommen, er habe soeben einer gewaltigen Sensation beigewohnt. Arno Del Curto stapelt wieder einmal tief und sagt, als krasser Aussenseiter – ja, diese Bezeichnung benützt er – sei man doch viel besser als allseits erwartet in die Playoffs gestartet. Tja, wenn der HCD als krasser Aussenseiter die Playoffs mit einem Auswärtssieg in Biel beginnt, dann deutet vieles darauf hin, dass diese Playoff-Messe schon fast gelesen ist. Und meine Prognose einmal mehr falsch war.