Ein Erstrundendraft (Nr. 18) geht im Sommer 2013 in der Glückseligkeit nach der Silber-WM beinahe vergessen. Und seither ist Mirco Müller nie aus dem Schatten von Mark Streit und Roman Josi, den Titanen unter den Schweizer Verteidigern, hinausgekommen, die mit Captain-Würde, Stanley-Cup-Final und Rücktritt Schlagzeilen geschrieben haben.
Mirco Müller ist auch ein Beispiel dafür, wie wichtig es für eine Karriere sein kann, im richtigen Zeitpunkt im richtigen Team zu landen – und einen Agenten zu haben, der sich um den Transfer ins richtige Team kümmert.
San José hat Mirco Müller kein NHL-Glück gebracht. Die zwei letzten der insgesamt drei Saisons nach dem Draft hat er mehrheitlich im Farmteam verbracht. Im dritten und letzten Jahr (2016/17) reichte es gerade noch zu vier NHL-Einsätzen.
Die Parallelen zum NHL-Karrierestart von Nino Niederreiter sind nicht zu übersehen. Auch er kam als Erstrundendraft der Islanders (Nr. 5/2010) einfach nicht weiter. Erst der von seinem Agenten André Rufener orchestrierte Wechsel zu Minnesota hat seine Karriere im letzten Vertragsjahr gerettet.
Mirco Müller hat – wie Nino Niederreiter – in diesen schwierigen ersten Jahren nie den Mut verloren. «Ich habe im Farmteam auch viel gelernt. Es ist wichtig, eine positive Einstellung zu bewahren und in jedem Spiel das Beste zu geben. Du stehst auch im Farmteam unter Beobachtung.» Der Konkurrenzkampf sei hart. «Vielleicht fünf Prozent der NHL-Spieler haben eine unantastbare Position. Alle anderen müssen sich täglich neu beweisen.»
Der Winterthurer, der mit 17 Kloten verliess und in die höchste Juniorenstufe in Nordamerika wechselte, hatte immerhin das Glück, dass San Josés Farmteam in der gleichen Stadt spielt. Er konnte die Wohnung behalten und weiterhin in seiner gewohnten Umgebung leben. Aber eben: die Sharks setzten nicht mehr auf ihn. Warum, wusste er eigentlich nicht. Es war einfach so, dass der Trainer nicht mehr auf ihn setzte. Punkt. Sein Dreijahres-Einstiegsvertrag war im Frühjahr 2017 abgelaufen und Müller hatte kaum mehr einen Marktwert.
Aber sein Agent André Rufener fand eine Lösung. Die New Jersey Devils haben ihn im letzten Sommer für zwei Jahre bis 2019 unter Vertrag genommen. Damit habe er nicht mehr gerechnet. Einen direkten Zusammenhang mit dem Draft von Nico Hischier und seiner Verpflichtung im gleichen Sommer vermutet er nicht. Von einem «Schweizer-Bonus» habe er jedenfalls nichts gemerkt. Gekannt habe er vorher erst Nicos älteren Bruder Luca.
Diese Saison verdiente Mirco Müller brutto 775'000 Dollar, nächste Saison werden es 925'000 Dollar sein. Das Geld ist in diesem Fall nicht der entscheidende Faktor. Viel wichtiger: Trotz Verletzungspech hat sich Mirco Müller in der Schlussphase bei New Jersey durchgesetzt. Das Austrittsgespräch vor dem Abflug in die Schweiz – es dauerte die übliche Viertelstunde – sei positiv gewesen.
Wenn sich Mirco Müller auf diesem Level halten kann, wird er im Sommer 2019 seinen ersten Millionen-Dollar-Mehrjahresvertrag bekommen. In New Jersey baut Manager Ray Shero um Nico Hischier herum ein neues Team auf – wie Paolo Duca in Ambri. Auf ganz anderem Level zwar, logo, aber durchaus mit einer ähnlichen Philosophie. Wer spektakuläre Vergleiche mag: Was Mirco Müller in New Jersey, ist Michael Fora in Ambri. Aber Paolo Duca hat keinen Nico Hischier.
Item, fünfmal hintereinander hatten die Devils die Playoffs verpasst – jetzt hat das junge neue Team mit Nico Hischier und Mirco Müller die Playoffs wieder erreicht. Und weil nach einer Playoff-Runde bereits Schluss war, kann der ältere Bruder von Olympia-Topskorerin Alina Müller (20) bei dieser WM zum ersten Mal für unsere Nationalmannschaft verteidigen. Er tut es an der Seite von Raphael Diaz, dem er zuvor nur einmal bei einem Nationalmannschafts-Kandidatentreffen im Sommer begegnet war. Beide haben jetzt nach vier Partien je 4 Skorerpunkte auf dem Konto. Als Verteidiger vier Punkte nach den vier ersten Länderspielen – das schafften einst nicht einmal Mark Streit oder Roman Josi.
Obwohl neun Jahre jünger, ist Mirco Müller im ersten Verteidigerpaar unseres WM-Teams auf dem Eis das «Alphatier» und an seiner Seite blüht der Captain auf. Das olympische Turnier hatte Raphael Diaz noch ohne Skorerpunkt und ohne Plus-Bilanz beendet. Jetzt, an der Seite von Mirco Müller, steht er bei +4. Und Mirco Müller hat mit +6 gar die beste Bilanz der ganzen Mannschaft.
Wir können es in einem Satz so zusammenfassen: Mirco Müller ist inzwischen nach Roman Josi (27) der beste Verteidiger mit Schweizer Pass.