Nach diesem Spiel gibt es keinen Anlass für eine Polemik. Wir dürfen für einmal tiefschürfende spielerische und taktische Analysen vernachlässigen. Gottéron verliert gegen Lugano 1:3. Die Niederlage hat keine Folgen. Der Trainer wird nicht schon wieder des Amtes enthoben. In Lugano sowieso nicht.
Grosse Hockeyunternehmen wie Gottéron bieten ohnehin mehr als nur ein Schauspiel auf rutschiger Unterlage. Der SCB hat beispielsweise vor zehn Jahren die Werbe-Ikonen Denis Jeitziner und Fritz Kobi zu einem Kriminalroman («Sudden Death») inspiriert. Lesenswert!
Aber Gottéron bietet im Dezember viel, viel mehr als bloss eine Krimivorlage. Die halbfertige Arena wird ab und an als Baustelle bezeichnet. Eine Respektlosigkeit sondergleichen. Nicht einmal Steven Spielberg könnte eine solche Film-Kulisse entwerfen. Sie taugt mindestens für einen «Tatort». Eher aber für ein grosses Hollywood-Drama.
Um alle Missverständnisse auszuräumen: Alles geht bei Gottéron mit rechten Dingen zu. Es ist die die halbfertige Arena - also die Kulisse - die die Phantasie eines Besuchers mit einem Faible für Historie, Verschwörungstheorien, Literatur, Hockey und Okkultes befeuert.
Könnte allein schon die Umgebung besser sein? Nein. Die Zufahrt von der Autobahn zur Arena führt über eine Einfallstrasse, die mit Tankstellen, Fastfood-Krippen und Ladengeschäften an eine seelenlose Kleinstadt im mittleren Westen Amerikas mahnt. Aber gleich hinter der Arena sehen wir die alten Mauern des Friedhofes und nach einem zügigen viertelstündigen Fussmarsch befinden wir uns im Kern der historischen, vor mehr als 800 Jahren erbauten Stadt. Hier trifft Mittelalter auf Moderne.
Die Arena, die den Namen der Staatsbank trägt, wird erst im nächsten Herbst fertig sein. Diese Saison ist sie ein Provisorium mit dem eigenartigen, irritierenden und ein wenig unheimlichen Charme einer Raumstation kurz vor der Räumung.
Das Kernstück sind je zwei verschlungene Wendeltreppen an allen vier Ecken des Gebäudes. Das gibt es so architektonisch in keinem anderen Hockeystadion der Welt.
Diese Wendeltreppen führen paarweise bis ganz nach unten. Aber nach oben nicht beide in alle Etagen. Ein babylonisches Gewirr, das den unkundigen Besucher in die Irre führt.
Diese steinernen Treppen sind in einem düsteren schwarz und grau gehalten, das durch die schlechte Baustellenbeleuchtung noch beklemmender wirkt. Und nimmt der Besucher den Lift und drückt den falschen Knopf, landet er auf unbenutzten Stockwerken, die mit Plastikbändern abgesperrt sind, wie wir sie aus den Tatort-Krimis kennen.
Aber auch dort, wo er Zutritt hat, blickt er seitlich immer wieder in dunkle, leere Nischen und Abstellräume (wahrscheinlich vorgesehen für Verpflegungsstände). Hin und wieder trifft er in den nach aussen hin noch offenen Etagen auf Raucher, die an Zugvögel mahnen, die den Abflug nach Süden verpasst haben.
Kabel hängen von den Decken und recken wie vom Frost erstarrte Fangarme aus den Mauern. Schubkarren, Baumaterialen und Werkzeuge stehen und liegen herum. Die Baustellenlampen liefern eine Beleuchtung wie in den unterirdischen Geheimgängen eines Films von Indiana Jones.
Der Charme des Unvollkommenen und Provisorischen ist selbst in der VIP-Loge zu spüren in die der Besucher von einem alten Kumpel geführt wird. Die Kälte wird nur ein wenig von einem kleinen Elektro-Öfeli gemildert. Aber der Kaffee ist gut.
Ganz unten, im Bauch der Arena führt der Weg zu den Kabinen um so viele Baustellen-Abschrankungen herum und durch so viele Türen wie im Overlook-Hotel aus dem Film «Shining».
Ein sensibler Besucher kommt auf den Gedanken, dass in diesem Gebäude ein Mensch für immer verschwinden könnte.
So ist es also im halbfertigen Tempel Gottérons. In Verbindung mit der Geschichte des Klubs und der Stadt liefert diese Arena die perfekte Drehbuchvorlage für eine grandiose Story. Hier hat das Eishockey Wirtschaft und Politik, ja die ganze Gesellschaft fast so tief durchdrungen wie die Katholische Kirche.
Berühmte Männer Gottérons wie René Fasel, ein Duzfreund von Wladimir Putin und NHL General Gary Bettman, haben Beziehungen in alle vier Ecken der Welt. Im Verwaltungsrat sitzt mit Slawa Bykow einer der grössten russischen Hockeyspieler aller Zeiten mit Verbindungen von Moskau bis Wladiwostok. Und der Bischof hat sicherlich gute Drähte in den Vatikan.
In der ganzen Finanzstruktur Gottérons und des 90 Millionen Franken teuren Umbaus des Hockey-Tempels spielt die Staatsbank eine Schlüsselrolle. Und da ist ja auch noch diese uralte, beängstigende Sage des Drachen aus dem Tal der Galtern (französisch: Gottéron), die dem Klub Namen und Wappentier liefert. Solche Vorlagen lassen sich wunderbar auch zu einem internationalen Polit-, Finanz- oder Tempelritter-Thriller verarbeiten.
Jeder nur erdenkliche Titel kommt einem im kalten, dunklen Dezember 2019 bei einem Gang durch die halbfertige «BCF Arena» in den Sinn: «Tod im Schloss der dunklen Treppen», «Die Rückkehr der Tempelritter», «Die Bankiers des Vatikans», «Harry Potter und die Kobolde des Eises» oder «Der Fluch des Drachen im Palast der dunklen Treppen».
Es gibt nur ein Problem: Ausgerechnet in dieser inspirierenden Kulisse spielt Gottéron gewöhnliches Hockey wie seit Menschengedenken nicht mehr.
Ein bisschen mehr Hollywood auf dem Eis könnte Gottéron wahrlich nicht schaden. Zumal Cheftrainer Christian Dubé und sein Assistent Sean Simpson noch nicht die Hockey-Antwort auf Sherlock Holmes und Dr. Watson sind.
Im Gegensatz zu all deinen anderen Artikeln, gell Zaugg.
Ich glaube, der Eine oder Andere hat keine Ahnung, um was es eigentlich geht. Eishockey ist Teil der Unterhaltungsindustrie. Auch Watson ist Teil der Unterhaltungsindustrie. Und auch Klaus Zaugg ist Teil davon.
Jetzt gibt es halt Eishockeyinteressierte, die fühlen sich eher durch die Analysen von Adrian Bürgler unterhalten. Andere haben es eher mit den Geschichten von KZ. Wie die Analysen von Bürgler sind auch die Geschichten von Zaugg nicht immer relevant. Aber beide finden ihre Leserschaft, die damit unterhalten wird. Und das ist gut so.