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Eismeister Zaugg

Unnötig mit dem Trainer verlängern, um ihn dann bald darauf zu feuern

Patrick Fischer: Im September verlängerte Lugano mit dem Trainer, im Oktober entliess es ihn.
Patrick Fischer: Im September verlängerte Lugano mit dem Trainer, im Oktober entliess es ihn.
Bild: TI-PRESS
Eismeister Zaugg

Weshalb oft unnötig mit Trainern verlängert wird, die dann trotzdem bald darauf gefeuert werden

Bald ist Advent und in der National League A laufen wieder die Verhandlungen mit den Trainern um eine vorzeitige Verlängerung des Vertrags. Die Klubs werfen dadurch Millionen zum Fenster hinaus.
27.11.2015, 09:0727.11.2015, 10:12
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Die Nordamerikaner sagen, es sei einfacher, den Stuhl als das Klavier zu zügeln. Deshalb werden die Trainer gefeuert und nicht die Spieler entlassen. Die Absetzung, Suspendierung, Beurlaubung, Entlassung oder Amtsenthebung des Trainers war, ist und bleibt die häufigste Massnahme in Zeiten der Krise.

Die Auswechslung des Trainers kostet viel Geld. In der Regel muss der Lohn bis zum Ende des laufenden Vertrages bezahlt worden. Oder zumindest ein Teil davon. Das geht bei Kontrakten über mehrere Jahre (bei Patrick Fischer bis ins Jahr 2018) ganz schön ins Geld. Natürlich unterliegt der geschasste Trainer der sogenannten Schadenminderungspflicht. Aber nur ein gleichwertiger Job ist ihm zuzumuten. Die Klubs haben seit Einführung der Playoffs im Jahr 1986 mindestens 20 Millionen Franken für die Auszahlung gefeuerter Trainer buchstäblich zum Fenster hinausgeworfen.

Hat viel Kohle und bezahlt deshalb nun zwei Trainer: Lugano-Präsidentin Vicky Mantegazza.
Hat viel Kohle und bezahlt deshalb nun zwei Trainer: Lugano-Präsidentin Vicky Mantegazza.
Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Kaum verlängert, schon entlassen

Inzwischen müssten die Klubmanager das grösste Interesse daran haben, die Trainer nicht mit langfristigen Verträgen auszustatten. Logisch wäre es, wenn die Coaches nur Einjahresverträge bekommen würden.

Aber die Klubmanager «vergolden» ihre Trainer (bzw. den Klavierstuhl). Fribourg-Gottéron verlängerte Anfang September 2014 mit Hans Kossmann vorzeitig bis 2016 – und feuerte ihn ein paar Wochen später. Lugano prolongierte den Kontrakt mit Patrick Fischer im September 2015 vorzeitig bis 2018 und hat ihn bereits im Oktober entlassen. Soeben hat Fribourg schon wieder den gleichen Fehler gemacht wie bei Hans Kossmann und dem neuen Trainer Gerd Zenhäusern ohne Not den Vertrag vorzeitig um zwei Jahre verlängert. Nun können wir davon ausgehen, dass auch Lugano wenig aus der Vergangenheit gelernt hat und Doug Shedden – er ist vorerst nur bis Saisonende verpflichtet – den Klavierstuhl bald mit einer vorzeitigen Vertragsverlängerung vergolden wird (um beim Bild mit dem Klavier und dem Stuhl wieder zu bemühen).

Doug Shedden steht auf einem Bänkli. Wahrscheinlich hat er seinen Klavierstuhl zuhause vergessen.
Doug Shedden steht auf einem Bänkli. Wahrscheinlich hat er seinen Klavierstuhl zuhause vergessen.
Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

«Nur zwei Dinge wecken Emotionen: Eishockey und Sex.»

Spätestens im November laufen also jedes Jahr die ersten Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung – obwohl die Qualität der Trainerarbeit erst im Frühjahr, nach dem letzten Saisonspiel verlässlich beurteilt werden kann.

Warum ist das so? Weil Sport Emotionen weckt. Es ist nie der Verstand, der einen Investor dazu verleitet, sein Geld ins Eishockey zu investieren. Es sind immer Emotionen. Oder wie es Biels Verwaltungsrätin Stéphanie Mérillat einmal so treffend gesagt hat: «Eigentlich wecken nur zwei Dinge Emotionen: Eishockey und Sex.»

Daher ist es logisch, dass auch die Mehrzahl der Personalentscheide emotional und nicht rational gefällt werden. Kluge Agenten kapitalisieren diese Emotionen, indem sie für ihre Trainer und Spieler langfristige Verträge herausholen. Die Befürchtung, der im Augenblick erfolgreiche Trainer könnte gehen und gar bei der Konkurrenz anheuern, verleitet immer wieder zu unnötigen, emotionalen Vertragsverlängerungen.

Das Vorbild Bill Gilligan

Ein Trainer, der auf einen Mehrjahresvertrag drängt, ist allerdings kein Erfolgstrainer. Ihm fehlt das für ganz grosse Trainer so typische Selbstvertrauen. Bis heute ist Bill Gilligan der erfolgreichste Trainer seit Einführung der Playoffs und der bestbezahlte aller Zeiten. Seine Bilanz aus vier Jahren Amtszeit beim SCB: Drei Titel (1989, 1991 und 1992) und ein Final (1990).

Legendärer Berner Bandengeneral: Bill Gilligan.
Legendärer Berner Bandengeneral: Bill Gilligan.
Bild: KEYSTONE

Der smarte Amerikaner hat immer nur Einjahresverträge unterschrieben. Mit der Vertragsverlängerung liess er sich nach der Saison wochenlang Zeit. Kein Wunder, ist er nach wie vor der bestverdienende NLA-Trainer aller Zeiten. Im Frühjahr 1991 handelte er einen bis heute unerreichten Vertrag aus: 400'000 Franken netto Basissalär, 200'000 Franken Prämie für das Erreichen der Halbfinals und noch einmal 200'000 Franken Meisterprämie. Im Frühjahr 1992 musste ihm der damalige SCB-Manager Willi Vögtlin 800'000 Franken überweisen. Allerdings hatte nicht Vögtlin den Vertrag ausgehandelt, sondern der Präsident.

So viel wie damals Bill Gilligan könnte Arno Del Curto seit mehr als zehn Jahren jede Saison verdienen. Wenn er nach seinem ersten Titel im Frühjahr 2002 in jedem Frühjahr mit der Vertragsverlängerung bis im Juni gewartet hätte. Erst jetzt ist er bei den Verhandlungen so cool wie Bill Gilligan und hat erst nach dem Saisonende um bloss ein Jahr verlängert. Aber so viel wie Bill Gilligan verdient er nicht.

Wer nimmt die Wette des Eismeisters an?

Der Mehrjahresvertrag bietet dem Trainer ja sowieso keine Jobsicherheit. Nur eine angemessene Abgangsentschädigung. Wenn der Erfolg ausbleibt, muss jeder Trainer gehen. Weil im Sport für das Führungspersonal nichts so gefährlich ist wie enttäuschte Emotionen. Das Beispiel von Patrick Fischer hat uns zudem gezeigt: Selbst eine demonstrative vorzeitige Vertragsverlängerung rettet die Autorität des Trainers so wenig wie ein Cabrio als Zweitauto für die Gattin eine Ehe. Und hätte Kevin Schläpfer im Mai den Ende Saison auslaufenden Vertrag nicht vorzeitig bis 2018 verlängert, dann hätte er sich im nächsten Frühjahr den Traum vom Nationaltrainer erfüllen können.

Ich nehme nun jede Wette an, dass Kevin Schläpfer Biel vor Vertragsablauf verlässt. Und trotzdem nicht Nationaltrainer wird.

Kevin Schläpfer überkommen bei der Pressekonferenz die Emotionen

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Kevin Schläpfer überkommen bei der Pressekonferenz die Emotionen
Der Eishockey-Trainer des EHC Biel, Kevin Schläpfer, gab 2015 bei einer Pressekonferenz Auskunft über seine berufliche Zukunft.
quelle: keystone / peter klaunzer
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3 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Brian
27.11.2015 11:03registriert April 2014
Ich gehöre eigentlich zu den KZ-Kritikern, versuche jedoch auch objektiv seine Berichte zu lesen und dieses Mal muss ich sagen: Bravo KZ, das ist wirklich ein sehr guter und treffender Artikel. Eine Wette gehe ich mit Dir nicht ein, da auch ich von Deiner Aussage über Schläpfer überzeugt bin, hier hast Du wirklich recht!!
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mukeleven
27.11.2015 10:40registriert Februar 2014
Wette gilt: Ich meine Kevin bleibt bis Vertragsende in Biel.
Einsatz: 6 Flaschen PURO gold von Dieter Meier und 1 gemeinsames Bier.
Dabei?
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Was du schon immer sehen wolltest: Ein Gespräch zwischen Eismeister Zaugg und Marc Lüthi

In der Playoff-Zeit, da widmet sich selbst das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der Schweiz wieder dem Eishockey. Zumindest teilweise. Live-Spiele gibt es beim SRF keine mehr zu sehen, echte Zusammenfassungen auch nicht. Aber gestern hat «10 vor 10» dafür watson-Eismeister Klaus Zaugg porträtiert.

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