Jeder Fan wusste es. Die Spatzen pfiffen es von den Dächern. Ja, man konnte im Bernbiet jeden beliebigen Menschen fragen, auch solche, die sich sonst nicht mit Eishockey befassen – und alle sagten stets das Gleiche: Dem SCB fehlt ein brauchbarer Torhüter.
Als der Meister schliesslich gar die löchrigste Defensive der Liga hatte, bis auf das Niveau der Lakers herabgesunken und in die grösste Krise der Neuzeit gerutscht war, merkte es wunderbarerweise sogar SCB-Sportchef Alex Chatelain. Er erlaubte seinem Trainer Kari Jalonen, einen finnischen Torhüter auszusuchen.
Es gibt halt ein paar einfache Lehren: Die Erde ist rund, die Aare mündet in den Rhein, die BLS fährt nicht mehr mit Dampf, sondern mit elektrischem Strom, und Schablonen-Hockey funktioniert nur mit einem grossen Torhüter.
Mit Tomi Karhunen (30) hat der SCB wieder einen grossen Torhüter. Und siehe da: Nach nur einem Spiel Anpassungszeit (beim 3:4 nach Penaltys gegen Davos) hat der finnische Goalie jedes Spiel für den SCB gewonnen: in Genf (2:1), gegen Gottéron (4:2), in Lausanne (5:2), in Zürich (4:1) und nun in Langnau (2:1 n. V).
Tomi Karhunen ist der perfekte «Schablonen-Goalie»: Gesegnet mit einer stoischen Ruhe. Aber nie passiv. Er kommuniziert sehr gut mit seinen Verteidigern, durchschaut mit einer phänomenalen Spielintelligenz die gegnerischen Absichten und steht immer schon da, wo die Scheibe erst hinkommt. Deshalb muss er nicht Spektakel-Paraden machen. Er kann sich mit coolen Intelligenz-Paraden begnügen. Er ist ein Scharnier in der SCB-Schablone. Sein Vorgänger Niklas Schlegel war ein Fremdkörper.
Nun sagt uns die Tabelle, dass der SCB punktemässig exakt auf Augenhöhe mit den SCL Tigers steht (allerdings mit einem Spiel mehr) und die Playoffs also noch nicht auf sicher hat. Doch die Tabelle täuscht: Der gefühlte Unterschied zwischen dem SCB und den SCL Tigers beträgt ungefähr zehn Punkte.
Der Meister ist nach dem Sieg in Langnau definitiv auf dem Weg in die obere Tabellenhälfte. Im Rückblick wird sich dieses Derby als Wendepunkt erweisen. Hin und wieder wird es zwar noch Niederlagen absetzen. Aber sie werden nur leise Erschütterungen auf der sicheren Fahrt in die Playoffs sein. Das Steigerungspotenzial ist enorm: Beim SCB sind zwei Drittel der Spieler noch gar nicht richtig in Form.
Oder hat der SCB in Langnau ganz einfach Glück gehabt und von Schiedsrichtern profitiert, die in der Schlussphase eine «Todsünde» begangen haben? Nämlich die Kompensation eines Fehlentscheides (2 Minuten gegen Thomas Rüfenacht nach 54:57) durch einen noch schlimmeren Fehlentscheid (2 Minuten gegen Harri Pesonen nach 55:49).
Nun ist es tatsächlich so, dass der Ausschluss des finnischen Topskorers Langnaus Powerplay beendete und die Wende, den Ausgleich zum 1:1 einleitete. Harri Pesonen erzählte nach dem Spiel: «Es war nichts. Als ich den Pfiff hörte, dachte ich, das Spiel sei unterbrochen worden und nun werde es ein Bully geben. Selbst die SCB-Spieler wunderten sich, dass ich auf die Strafbank musste.»
Aber nicht die Schiedsrichter haben Langnaus Niederlage verursacht. Die Emmentaler waren in den Schlussminuten, als es um alles oder nichts ging, ganz einfach zu naiv. Weniger clever als Kari Jalonens «Schabloneure».
Für ganz kurze Zeit liessen sich die Langnauer vom Spiel ablenken, vom rechten taktischen Weg abbringen. Was sie sich in einer intensiven, taktisch hochstehenden Partie in über 50 Minuten in einem ihrer besten Spiele der Saison mit Leidenschaft, Zähigkeit, Mut und Disziplin erarbeitet hatten, rann ihnen doch noch durch die Finger.
Klugerweise hütete sich Trainer Heinz Ehlers, die Niederlage auf die Schiedsrichterleistung zu reduzieren. Und auf die tröstende Bemerkung, der Gegentreffer in der Verlängerung sei halt schon unglücklich gewesen, entgegnete er kurz und knapp: «Den hätte der Torhüter halten müssen.»
Ja, so war es: Tomi Karhunen hatte den SCB nicht nur bis in diese entscheidende Schlussphase im Spiel gehalten. Er war auch in den alles entscheidenden Minuten sogar besser als Ivars Punnenovs. Mit Pascal Caminada oder Niklas Schlegel hätte der SCB die Partie schon nach zwei Dritteln mit vier bis sechs Gegentreffern verloren gehabt.
Kari Jalonen hat auch die «Aus- und Weiterbildungsfolklore» beendet. Null Eiszeit für Colin Gerber (21) in Langnau. Nun zählen nur noch die Resultate, um in der Tabelle nach oben zu kommen. Also setzt der finnische Erfolgstrainer auf verlässliche Routiniers. Das Herz dürfte ihm vor Freude im Leibe hüpfen, wenn er daran denkt, dass er mit Andrew MacDonald (33) bei Bedarf auf der Ausländerposition einen belastbaren Defensivsoldaten in seine taktischen Schablonen einbauen kann, der die Offensive meidet wie der Teufel das geweihte Wasser (11 Spiele/1 Assist).
Mit Torhüter Tomi Karhunen ist beim SCB das Urvertrauen ins System zurückgekehrt. Der SCB kann notfalls wieder 1:0 oder 2:1 gewinnen. Die grosse, die spannende Frage ist im Hinblick auf die Playoffs: Wer findet Mittel und Wege, die SCB-Defensive zu knacken? Wer hat genug Energie, um mit unablässigem Forechecking die SCB-Defensive doch zu zermürben? Oder hat jemand den Torhüter und die defensive Stabilität, um sich mit dem SCB auf ein taktisches Geduldspiel einzulassen?
Für den SCB gilt: Goalie gut, Schablone gut, alles gut. Der SCB ist wieder Titelkandidat.
Die Meinung von K. Z. ändert sicher schneller als das Wetter. Noch vor 2 Monaten war Andrew MacDonald der schlechteste und langsamste ausländische Verteidiger der je in der Schweiz gespielt hat