War es zu viel des Spottes und der Häme, die der stolze SC Bern seit der Meisterfeier von 2019 durch eine selbst gebastelte Krise zu ertragen hatte?
Wahrscheinlich ist es so. Im spukhaft leeren und in den Gängen stockdunklen Hallenstadion lebt endlich die Berner Hockey-Magie wieder auf: Die Fähigkeit, mit einfachem, hartem, gut organisiertem Hockey ein grosses Spiel gegen einen höher dotierten Gegner zu gewinnen.
Wie kann es sein, dass die ZSC Lions, die in der laufenden Meisterschaft sage und schreibe 42 Punkte Vorsprung auf den SCB haben, in einem solchen Prestige-Spiel chancenlos sind und gleich 2:5 verlieren?
Ein Grund ist die Entschlossenheit des Meisters, Spott und Häme aus dem Fell zu schütteln. Die Leistungskultur ist durch Wirren in den Büros der Sportabteilung nie beeinträchtigt worden. Die Kerngruppe um Captain Simon Moser hält die Mannschaft zusammen.
Was gestern geholfen hat: Die Ruinen der meisterlichen Taktik stehen noch. Ein Fundament, das zwei der besten Hockey-Taktiker überhaupt gebaut haben: Guy Boucher (der später gefeuerte Cup-Sieger Coach von 2014) und, natürlich, der grosse Kari Jalonen.
Wenn das Tempo nicht zu hoch, das Forechecking nicht zu intensiv, die Checks nicht zu hart sind – dann halten die defensiven SCB-Schablonen an einem guten Abend immer noch. Die ZSC Lions sind nicht dazu in der Lage, ihre überlegenen läuferischen und technischen Fähigkeiten umzusetzen. Sie lassen sich SCB-Hockey aufzwingen. Ein bisschen wie «Football on Ice»: mehr Zweikämpfe als offene Tempoläufe und nur wenig Möglichkeiten zum offensiven Raumgewinn. Eigentlich Playoff-Hockey.
Es ist eine Warnung an die Konkurrenz: Was, wenn im Cup Wahrheit ist? Wenn der SCB die Playoffs doch noch schafft, für die zurzeit 9 Punkte fehlen?
Oder war es so, dass die Zürcher diesen Final nicht ernst genommen haben? Weil der Cup zwar ein Titel ist, aber eben bei weitem nicht die Bedeutung einer Meisterschaft hat?
Aber so ist es nicht. Ganz und gar nicht. Das zeigen die Reaktionen nach dem Spiel. Captain Patrick Geerings Stimmung schwankt zwischen Enttäuschung und Zerknirschtheit. Die Niederlage geht ihm sichtlich unter die Haut. Er beschönigt nichts. Es dürfe nicht sein, dass man «fünf Öfen fressen müsse» (fünf Tore kassieren).
War diese Niederlage einfach ein Ausrutscher? Ein kurzes Stottern einer Siegesmaschine wie die drei Niederlagen in diesem Jahr gegen Langnau oder die zwei Pleiten gegen Ambri? Oder droht ein Maschinenschaden? Patrick Geering sagt: «Wir müssen zueinander wieder härter sein.» Er wird gefragt, was er damit meine. Er weicht ein wenig aus und spricht von der Notwendigkeit einer höheren Intensität im Training und davon, dass man sich gegenseitig wieder sagen müsse, was gut, aber eben auch, was nicht gut sei.
Der 31-jährige Verteidiger kann Meister. Er hat zwei Titel mit den Junioren geholt (2007, 2008), war beim Triumph in der Champions Hockey League dabei (2009) und feierte die Titelgewinne von 2012, 2014, 2018 und den Cupsieg von 2016.
Seine Selbstkritik lässt vermuten, dass es im Maschinenraum unruhig geworden ist. Auf die Frage, ob es in der ersten Pause in der Kabine laut geworden sei, sagt er «Ja». Aber wer laut geworden ist, mag er nicht verraten. «Das bleibt in der Kabine. Ich war es nicht.»
Wer es war, ist nicht schwer zu erraten. Die ZSC Lions sind eine hochprofessionelle Organisation mit Stil und Grandezza. In guten und in weniger guten Zeiten. Dazu gehört der Medienauftritt des Cheftrainers nach dem Spiel. Keine grosse Sache. Eher ein Ritual. Viel zu professionell und deshalb selten mit ein wenig Drama aufgeladen.
Wäre diese Finalniederlage bloss ein kleiner Rumpler auf der Fahrt zu den Playoffs, dann hätte Cheftrainer Rikard Grönborg die Sache mit ein paar freundlichen Sätzen hinter sich bringen können. Ein wenig den Gegner rühmen. Ein bisschen Enttäuschung zeigen, gewürzt mit Selbstkritik. Und den Hinweis nicht vergessen, man müsse nun nach vorne schauen und es bleibe genug Zeit, um die Dinge bis zu den Playoffs wieder zu justieren.
Aber der charismatische Bartträger ist nicht zu sprechen. Auch nicht für die ihm gut gesinnten und jeglicher Polemik abholden Abgesandten aus den Zürcher Schreibstuben.
Zum ersten Mal seit seiner Ankunft im Hallenstadion im Sommer 2019 verabschiedet sich der zweifache schwedische Weltmeistertrainer nach einem Spiel durch die Hintertür. Sorry, Gentlemen, Elvis has left the Building. Der französische Abgang und das Schweigen des ZSC-Trainers sagen mehr als viele Worte.
Wer, beim Barte des Propheten, hatte da wohl in der Kabine getobt?
Und wer es lieber polemisch hat: Was, wenn im Cup Wahrheit ist? So wie 2018, als die Götterdämmerung für Arno Del Curto mit der Cupfinal-Niederlage gegen die Lakers (2:7) begann?
Der SCB hat 2014 den ersten und nun 2021 den letzten Cup der Neuzeit gewonnen. Den Wettbewerb gibt es nun nicht mehr. Die Klubgeneräle unter der Federführung von Liga-Manager Denis Vaucher haben den Stecker gezogen.
Der Cup hatte seit 2014 jedes Jahr 1,7 Millionen in die Verbands- und Klubkassen gespült. Gestern kassierte der SCB 283'000 Franken Preisgeld und die ZSC Lions durften sich mit 207'000 Franken trösten. Die restlichen 1,2 Millionen sind an die übrigen Cupteilnehmer aus der National League, der Swiss League und den Regionalligen ausgeschüttet worden.
Der Vertrag mit dem Sport-Vermarkter Ringier Sports, der diesen Geldsegen bescherte, ist ausgelaufen. Zwar wäre es nicht mehr möglich gewesen, den Kontrakt zur gleichen Garantiesumme zu verlängern. Aber gut und gerne eine Million hätte Ringier Sports auch künftig hereinholen können. Doch die Klubs wollen den Cup nicht mehr und verzichteten sogar auf Verhandlungen mit Ringier Sports.
Was für eine Arroganz, vom Steuerzahler Hilfsgelder zu verlangen und zugleich auf eine gute Million aus der Privatwirtschaft zu verzichten. Aber diese Arroganz kennen wir ja schon aus dem «Reform-Theater».