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Eismeister Zaugg

Mit Glück kann der SCB diesmal wenigstens den Abstieg vermeiden

Seit Guy Boucher seine Rückkehr nach Nordamerika angekündigt hat, verliert der SC Bern nur noch.
Seit Guy Boucher seine Rückkehr nach Nordamerika angekündigt hat, verliert der SC Bern nur noch.
Bild: KEYSTONE
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Mit Glück kann der SCB diesmal wenigstens den Abstieg vermeiden

Alle drei Berner NLA-Klubs unter dem Strich: Das hat es so noch nie gegeben. Aber so blind war das Management des SC Bern ja auch noch nie.
18.11.2015, 10:3318.11.2015, 14:13
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Diese Situation hat es vorher und nachher nicht gegeben: Drei Klubs aus dem gleichen Kanton dominieren vier Jahre hintereinander die Liga und machen die Titel unter sich aus.

Zwischen 1975 und 1979 haben Bern, Langnau und Biel viermal hintereinander die Meisterschaft unter sich ausgespielt und die ersten drei Plätze in der NLA belegt. Langnau wird 1976, Bern 1977 und 1979 Meister, Biel holt den Titel 1978.

Der EHC Biel feiert 1978 seinen ersten von insgesamt drei Meistertiteln.
Der EHC Biel feiert 1978 seinen ersten von insgesamt drei Meistertiteln.
Bild: KEYSTONE

Nun erleben wir wieder historische Tage. Durch die 3:6-Niederlage in Lugano ist der SCB auf den 9. Rang gerutscht. Zum ersten Mal in der Geschichte finden wir drei Klubs aus dem gleichen Kanton unter dem Strich: 9. Bern. 11. Biel. 12. Langnau.

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Von 1975 bis 1979 waren Bern, Langnau und Biel unterschiedlich strukturiert: Die Langnauer lebten vom Dorfgeist und nicht vom Geld. Bis auf zwei Ausnahmen stammten alle Spieler des Meisterteams von 1976 aus dem Dorf. Biel wurde vom reichen Verleger Willy Gassmann alimentiert. Er spielte die gleiche Rolle wie heute die Milliardärin Vicky Mantegazza in Lugano.

Der SCB hatte auch damals die höchsten Zuschauerzahlen Europas und lebte vom Hockeybusiness. Aber die sportlichen Unterschiede waren gering. Langnau spielte das wuchtigste Offensivhockey, Biel war taktisch das cleverste Team und Berns hatte mit Jürg Jäggi den besten Goalie und mit Paul-André Cadieux den charismatischsten Leitwolf.

Kein Stolz und keine Energie

Heute sind sich die drei Hockeyunternehmen neben dem Eis ähnlicher. Alle haben frisch renovierte bzw. neue Stadien, erwirtschaften mit dem Hockeybusiness viel Geld – Bern sogar genug, um schwarze Zahlen zu schreiben. Dafür sind die sportlichen Unterschiede heute grösser als damals.

Biel ist in Langnau 0:7 untergegangen. Es ist die 13. Niederlage in 17 Partien. Biel steht sportlich auf dünnem Eis. Funktioniert alles, ist ein 7. Platz möglich. Funktioniert nicht alles, droht beim knappen Kader das Tabellenende. Die Ausfälle des ersten und zweiten Centers (Olausson und Haas) hat das Offensivspiel gelähmt. Die Mittelachse dreht nicht mehr: Nur noch drei Treffer in den letzten drei Partien.

Nachdenkliche Mienen beim EHC Biel.
Nachdenkliche Mienen beim EHC Biel.
Bild: KEYSTONE

Die Wucht der Niederlage in Langnau hat Trainer Kevin Schläpfer nachdenklich gemacht. Er wirkt nach dem Spiel im Kabinengang beinahe kleinlaut. Er hat vorübergehend sein Charisma verloren und steht da wie ein gewöhnlicher Trainer. «Das, was ich gesehen habe, hat mich geschockt. Kein Stolz und keine Energie.»

Kehren die Geister der Vergangenheit zurück? Spielt das ganze Theater um das abgelehnte Nationaltrainer-Angebot doch eine Rolle? Sportchef Martin Steinegger mag das nicht thematisieren. «Das ist längst Vergangenheit.»

Trainerwechsel kein Thema

Kevin Schläpfer sieht diese Angelegenheit differenzierter. «Es ist wie es ist: Seit dieser Nationaltrainer-Geschichte läuft es bei uns nicht mehr. Für mich ist das kein Problem. Aber möglicherweise für die Spieler. Wir müssen uns nun zusammensetzen und versuchen, die Ursachen für die Krise herauszufinden.»

Vielleicht habe die ganze Nationaltrainer-Angelegenheit etwas im Unterbewusstsein der Spieler ausgelöst. «Auch darüber müssen wir reden.» Die dramatischste Variante: der erste öffentliche Flirt Kevin Schläpfers mit einem anderen Trainerjob hat eine ähnliche Wirkung wie der erste Seitensprung auf eine Ehe.

Martin Steinegger hält zu Kevin Schläpfer.
Martin Steinegger hält zu Kevin Schläpfer.
Bild: KEYSTONE

Eine Scheidung, ein Trainerwechsel ist in Biel indes kein Thema. Martin Steinegger sagt, er sei mit Kevin Schläpfer schliesslich schon durch die Liga-Qualifikation gegangen. «So unangenehm die aktuelle Situation auch sein mag – wir haben schon schlimmere Krisen durchgestanden.» Kevin Schläpfer hat einmal gesagt, es gebe Tage, an denen man einfach nicht mehr verlieren dürfe. Diese Tage sind noch lange nicht gekommen. Die Bieler sind zwar durch das 0:7 in Langnau schon etwas beunruhigt. Aber Krise? Nein, da braucht es in Biel mehr.

Langnaus unheimliche Heimstärke

Der Tabellenletzte Langnau feierte im eigenen Tempel Hockey-Festspiele. 6:0 am Freitag gegen Davos, dazwischen ein 2:4 in Ambri und jetzt 7:0 gegen Biel. Es ist nicht ein wildes, sondern ein gut strukturiertes Spektakel. Es ist das dynamische Hockey, das Sportchef Jörg Reber im Kopf hatte, als er das Team zusammenstellte und Trainer Benoit Laporte holte.

In der Ilfis-Halle sind die Tigers eine Macht.
In der Ilfis-Halle sind die Tigers eine Macht.
Bild: KEYSTONE

Der Stilwechsel vom taktischen skandinavischen Hockey des Aufstiegstrainers Bengt-Ake Gustafsson zum wuchtigen Lauf- und Tempospiel ist geglückt. Und Torhüter Damiano Ciaccio ist drauf und dran, der nächste Martin Gerber zu werden. Trainer Benoit Laporte sagt, er habe die Nationalmannschaftspause vor allem auch zur Kopfarbeit genutzt. «Wir haben vorher schon gut gespielt. Aber immer wieder auf ärgerliche Art und Weise verloren. Das habe ich thematisiert. Es darf nicht sein, dass wir verlieren und trotzdem zufrieden sind.»

Marc Lüthi hatte recht – diesmal auch?

Und Bern? SCB-Manager Marc Lüthi hat am 21.Oktober 2011 Meistertrainer Larry Huras ohne Not entlassen. Der SCB stand damals auf Rang 5. Mit 22 Punkten Abstand zum Tabellenende. Nach der Niederlage in Lugano hat der SCB jetzt noch fünf Zähler Reserve auf das Tabellenende – und Marc Lüthi stützt Trainer Guy Boucher durch alle Böden hindurch. Ausreden gibt es keine.

Trotz der verletzungsbedingten Ausfälle ist der SCB in Lugano mit fünf Nationalverteidigern und sechs Nationalstürmern plus vier ausländischen Stürmern angetreten. Der Ausfall von Marco Bührer kann auch keine Entschuldigung sein. Weil Lukas Flüeler verletzt ist, spielen die ZSC Lions meistens mit Niklas Schlegel (21) und stehen an der Tabellenspitze.

Der SCB hätte Guy Boucher schon vor mehr als 350 Tagen feuern sollen. Nachdem der Kanadier den SCB im Frühjahr 2014 als Titelverteidiger in der Abstiegsrunde versenkt hatte. Damals bestand wenigstens keine Abstiegsgefahr.

Beim SCB passt derzeit nicht mehr viel zusammen.
Beim SCB passt derzeit nicht mehr viel zusammen.
Bild: KEYSTONE

Selbst ein Zahlenmensch und Pragmatiker wie Marc Lüthi entscheidet nicht immer rational und vernünftig. Das ist die erstaunlichste Erkenntnis des Hockeyherbstes 2015. 2011 feuert er Larry Huras wider alle Vernunft – und hat Glück. 2012 erreicht der SCB das Finale und 2013 wird der Titel gefeiert. Für den grossen SCB-Zampano war das nicht Glück. Er sagt: «Ich hatte recht.»

Hat er wieder recht? Er hält wider alle Vernunft an Trainer Guy Boucher fest. Wenn er noch einmal so viel Glück hat wie 2011, wird der SCB 2016 allerdings nicht ins Finale stürmen und 2017 nicht den Titel feiern. Wenn er wieder so viel Glück hat, kann er mit Guy Boucher wenigstens den Abstieg vermeiden.

Befindet sich der SCB tatsächlich in Abstiegsgefahr?

Inzwischen befindet sich der SCB in einem fortgeschrittenen Stadium des sportlichen Selbstbetruges. Jeder Sieg zwischendurch wird das Team nicht mehr weiterbringen. Sondern Marc Lüthi darin bestärken, wider alle Vernunft den Weg in die Abstiegsrunde fortzusetzen.

Aber vielleicht tun wir ja dem grossen SCB-Manager unrecht. Eine Abstiegsrunde mit Guy Boucher gegen die Kantonsrivalen Biel und Langnau – da wird Hockey-Bern rocken wie einst während der Belle Epoque von 1975 bis 1979. Mit Rekordumsätzen für die SCB-Gastronomie. Aber diese Rechnung geht nicht auf, wenn am Ende ausgerechnet Langnau im nächsten Frühjahr die Playoffs erreichen sollte. Und das ist zurzeit eine durchaus mögliche Variante: Biel und Bern in der Abstiegsrunde, Langnau in den Playoffs.

NLA-Trikotnummern, die nicht mehr vergeben werden

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NLA-Trikotnummern, die nicht mehr vergeben werden
HC Davos: 5 - Marc Gianola.
quelle: keystone / fabrice coffrini
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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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6f7Dude
18.11.2015 10:45registriert Januar 2015
Abstiegsgefahr sehe ich für den SCB garantiert nicht, jedoch werden sie um die Playoff-Teilnahme kämpfen müssen.
Bei Biel muss man darauf hoffen, dass das Toreschiessen mit der Rückkehr von Haas und Olausson wieder besser klappt.
Langnau muss darauf hoffen, dass seine Leitwölfe, vor allem DiDo, nicht verletzt werden und diese Pace die ganze Saison durch halten können. Auf jeden Fall attraktiver als die Lakers letzte Saison!
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