Ein Erdbeben hat dieses erste Spiel natürlich noch nicht ausgelöst. Dafür ist es im Herbst zu früh. Aber kluge, erfahrene Manager spüren die Unruhe, die Aufregung in und um die Kabine wie sensible Haustiere ein heraufziehendes Erdbeben.
Peter Zahner kennt Eishockey. Ja, der ZSC-General ist einer der erfahrensten Sportmanager im Land. Vor einem Heimspiel pflegt er kurz im Medienraum des Hallenstadions vorbeizuschauen und ein paar freundliche Worte zu wechseln. Doch ein auswärtiger Berichterstatter verdirbt ihm die Laune.
Die ZSC Lions sind auf der Mission. Wiedergutmachung. Der Meister von 2018 hat ja letzte Saison die Playoffs verpasst. Die Zürcher wollen zurück zu den Wurzeln des Spiels. Zurück zur Bescheidenheit. Und beseelt von diesen Tugenden wieder hinauf zu den Gipfeln des Ruhmes.
Eine wunderbare Plakataktion zeigt uns diesen neuen ZSC: Auf einer farbigen Abbildung ist zu sehen, wie die Spieler und Betreuer gemeinsam den Käferberg bei Zürich erklimmen.
Ein Bild mit eindrücklicher Symbolkraft. Und nun wird Peter Zahner gefragt, ob man die Erfahrung der letzten Jahre habe einfliessen lassen und deshalb der Trainer nicht auf diesem Plakat zu sehen sei. Damit man das Bild auch noch nach Weihnachten gebrauchen könne. Eine Respektlosigkeit sondergleichen. Der sonst so freundliche ZSC-Manager, eigentlich durchaus mit Sinn für Ironie und Humor, reagiert ungewohnt heftig: «Ich bin ob einer so dummen polemischen Frage fast fassungslos.»
Vielleicht ist er so gereizt, weil er schon am Nachmittag gespürt hat, wie aufgeregt, aber auch hektisch, voll guten Willens, aber auch verunsichert seine ZSC Lions in dieses erste Saisonspiel gehen werden.
Ja, es ist ein neuer ZSC. Nicht mehr satt oder arrogant oder überheblich oder lustlos. Sondern emotional, leidenschaftlich, mutig, kämpferisch.
Dazu gehört auch der äussere Rahmen im Hallenstadion mit einer viel besseren, passenderen Pregame Show als letzte Saison. Ja, es ist die Beste der Liga. Weniger seelenloser Lärm und bombastisches Getöse, mehr Inhalt und eine bessere Botschaft: die Betonung der Zugehörigkeit des Klubs zur Stadt, die Mystifizierung der vergangenen Erfolge, der fast beschwörende Appell an den Stolz, diese Vergangenheit wieder aufleben zu lassen und aus dem Off die Stimme der ZSC-Legende Walter Scheibli. Das mahnt schon fast (aber nur fast) an die Montréal Canadiens. Die ZSC Lions haben nach der schmählichen letzten Saison (als Meister die Playoffs verpasst) ihre Kultur und ihre Vergangenheit neu entdeckt und schöpfen daraus Kraft. Das ist schon mal ein gutes Zeichen.
Roman Wick, der letzte Romantiker, reisst gleich am Anfang mit einem Rush und kernigem Abschluss die Fans von den Sitzen. Sage mir, wie der Wick stürmt, und ich sage dir, wie es um die ZSC Lions steht. Und tatsächlich wird Roman Wick mit dem Assist zum 6:3 den Schlusspunkt setzen.
Sie stürmen. Sie checken. Sie schiessen. Sie bedrängen den lange Zeit erstaunlichen Sandro Aeschlimann im HCD-Tor, dessen Fangquote erst im Schlussdrittel unter 90 Prozent rutscht (es sind schliesslich 87,50 Prozent). Am Ende werden die Statistiker 40:21 Torschüsse notieren. Kein schwedisches «Schablonen-Spiel». Obwohl der neue Trainer Rikard Grönborg aus Schweden kommt.
In der gutgemeinten Aufregung gelingt sogar ein seltenes Kunststück: Die Schiedsrichter zeigen eine Strafe an, Lukas Flüeler geht vom Eis, um einem zusätzlichen Feldspieler Platz zu machen. Aber die Zürcher berennen nun das Tor der Davoser gleich mit sieben Spielern und kassieren auch eine Strafe.
Die Davoser taumeln, aber sie fallen erst in der letzten Viertelstunde. Ihr Spiel ist gut strukturiert, sie tragen Sorge zum Puck, spielen geduldig und kontern eiskalt. Die grossen ZSC Lions verlieren vorübergehend den Faden und gehen mit einem Rückstand (2:3) in die zweite Pause. Aber sie stehen wieder auf und erzwingen schliesslich mit einer beeindruckenden Willensleistung gegen einen starken, mit grosser Wahrscheinlichkeit playofftauglichen HCD die dramatische Wende zu einem Spektakelsieg.
Auf dem farbigen Plakat, das die neuen ZSC Lions so schön zeigt, fehlt nicht nur der Trainer. Auch das ausländische Personal ist darauf nicht abgebildet. Wohlweislich? Garret Roe, Zugs bester Playoff-Skorer der letzten Saison, orchestriert zwar die Wende und ist mit drei Assists nun der erste ZSC-Topskorer im gelben Ehrengewand.
Aber Fredrik Pettersson und Marcus Krüger, zwei der teuersten Spieler ausserhalb der NHL und KHL sind (noch) fast wirkungslos geblieben (zwei zweite Assists für Pettersson). Was, wenn dieses Duo in Form und Fahrt kommt? Und sie werden in Fahrt und Form kommen.
Ob wir bereits die Konturen eines Spitzenteams gesehen haben, wissen wir nach einer von 50 Partien natürlich noch nicht. Noch war zu viel Aufregung und Hektik im Spiel. Aber das wird sich legen. Die Partie heute Abend in Zug gegen den Titelfavoriten wird bereits ein interessanter Test.
Der Start ist vielversprechend und eines ist offensichtlich: Wir werden im Hallenstadion wieder bestens unterhalten.
So hätte es eigentlich schon letzte Saison unter Arno Del Curto sein sollen.
Momol.. Spannend was man nach einem einzigen Spiel alles schon spüren und herauslesen kann. Klaus Zaugg for Glaskugel Award 🏆