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Die ZSC Lions können rocken. So lässt sich dieses Drama kurz und prägnant auf einen Nenner bringen. Ob die Zürcher gegen den EV Zug ein Spiel (oder gar eine Playoffserie) gewinnen können, ist keine Frage des Talentes, der Taktik oder des Tempos. Es ist einzig und allein eine Frage der Einstellung. Eine Frage des Willens. Eine Frage der Leidenschaft. Eine Frage des Mutes. Eine Frage des Rock’n’Rolls.
Kein anderes NLA-Unternehmen hat je eine so gute Pregame Show extra für die Playoffs kreiert. So martialisch wie ZSC-Trainer Hans Kossmann ist noch kein Hockeycoach auf dem «Inhouse Video» im eigenen Tempel vertont und ins Bild gesetzt worden. Der Trainer und die Spieler als Rockstars. Der neutrale Beobachter wähnt sich zurückversetzt in die 1970er Jahre. Ins alte Spectrum zu Philadelphia, in die Heimstätte der Philadelphia Flyers, der rausten Mannschaft der gesamten Hockey-Geschichte.
Nun mag man solche Showeffekte als «Motivations-Voodoo» abtun und geringschätzen. Aber Playoffs sind nun mal Kopfsache. Erst recht bei den ZSC Lions, die nach wie vor mehr eine Interessengemeinschaft von talentierten, freundlichen und wohl erzogenen Jungmillionären sind als eine wild entschlossene Schicksalsgemeinschaft im romantischen Sinne des Sportes. Und es sollte sich im Verlaufe des Spiels ja noch auf dramatische Art und Weise offenbaren, dass diese Mannschaft nach wie vor taktisch und auch sonst nicht gefestigt und zerbrechlich ist wie ein billiges Plastikspielzeug.
Am Anfang stehen die Zeichen noch nicht auf Drama. Von der ersten Sekunde scheint klar, wer als Sieger vom Eis gehen wird. Die Entschlossenheit der ZSC Lions überdauert die Startphase und währt lange genug, um bis zur 31. Minute einen scheinbar entscheidenden Vorsprung herauszuspielen (4:1). Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir zum ersten Mal in dieser Saison die wahren, die wilden, die mutigen ZSC Lions gesehen. Die Zuger wanken, aber sie fallen noch nicht. Sie biegen sich unter dem gegnerischen Druck, aber sie brechen noch nicht.
Die Wucht der Zürcher ebbt ab Spielmitte ab. Aus Rock’n’Roll wird Walzer. Nun mahnt ihr Auftritt an eine andere Szene, die bei der «Pregame Show» auch zu sehen ist: an das schnelle Verbrennen des «Bööggs» (nicht zu verwechseln mit dem Puck im Eishockey), der Puppe im Rahmen des «Sechseläuten», des traditionellen Frühjahr-Festes der Zürcher. Es ist, als sei die Energie der Mannschaft so schnell verbrannt und explodiert wie der «Böögg».
Im Schlussdrittel gelingt es den coolen Zugern, aus dem 4:1 ein 4:4 zu machen. Die ZSC Lions machen unter dem Druck des bissigen Zuger Forecheckings erstaunliche Fehler. Nun wanken die Zürcher. Aber sie fallen nicht. Nun biegen sie sich unter dem gegnerischen Druck. Aber sie brechen nicht.
Fredrik Pettersson gelingt aus dem «Nichts» heraus 100 Sekunden vor Schluss doch noch der Siegestreffer. Glücklich zwar. Wie ein Geschenk der Hockeygötter. Aber auch der Lohn für eine aufopfernde Leistung in einem Spiel, in dem wir die vielen Gesichter der ZSC Lions an einem einzigen Abend gesehen haben.
Ja, in der ersten halben Stunde und in den Schlussminuten haben wir sogar zum ersten Mal die wahren ZSC Lions gesehen. Bei weitem nicht fehlerfrei. In der Spielorganisation oft wirr und für den neutralen Beobachter unverständlich wie einst die Schnittmuster in «Meyers Modeblatt». Aber auch mutig, leidenschaftlich und rau. Die Zuger haben das Spiel nicht erst in den Schlussminuten verloren. Kurz nach Spielmitte sind sie nicht dazu in der Lage während 98 Sekunden mit fünf gegen drei im Powerplay das zweite Tor zu erzielen.
Ein zweiter Treffer zu diesem Zeitpunkt (32. Min.) hätte womöglich rechtzeitig den Weg zur Wende und zum Sieg geebnet. Erst in der 44. Minute beginnt die Aufholjagd mit dem 4:2. Zu spät wie sich zeigen sollte. Mag sein, dass die Zuger ihr Spiel besser strukturiert haben. Aber im Powerplay (kein Treffer) versagen sie. Die Zürcher aber erzielen zwei Treffer in Überzahl.
ZSC-Trainer Hans Kossmann hat Sinn für Ironie: «Wir haben ganz genau mein Konzept umgesetzt.» Also war das Nachlassen nach dem 4:1 gewollt. «Ja klar, und der späte Siegestreffer auch.» Um dann seriös zu werden. «Es war das beste Spiel seit ich die Mannschaft übernommen habe.» Nun ja, vielleicht nicht das beste. Aber das aufwühlendste. Die bisher beste Partie unter Hans Kossmann war die erste unter seinem Kommando (6:1 gegen Lugano). Wir wissen nun: die Zürcher haben genug Substanz, um die Zuger zu besiegen. Eigentlich auch genug, um diese Serie zu gewinnen.
Aber wir wissen nicht, ob sie dazu in der Lage sind, ihr Potenzial noch einmal auf die gleiche Art und Weise umzusetzen wie in der ersten Hälfte des Spiels. Und ob sie auch auswärts, in Zug so dominant, wuchtig und selbstsicher auftreten können wie gestern in den ersten 30 Minuten. Können sie auch auswärts rocken? Oder leiden sie am «Koala-Syndrom»? Der Koala kann nur im Eucalyptus-Wald glücklich sein.
Muss er den Wald verlassen und sich draussen in der Wildnis bewähren, wird er traurig und krank. Wenn die Zürcher weiterkommen wollen, dann müssen sie mindestens ein Spiel in Zug gewinnen. Und das wird nicht einfach.
Dieser Sieg kann ein «Erweckungs-Erlebnis» sein, das die ZSC Lions noch zu ungeahnten Höhen treiben kann. Aber vielleicht war es auch nur ein letztes Aufflackern.