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Eismeister Zaugg

Der SC Bern scheitert am ZSC im Halbfinal.

Die Berner verlassen enttaeuscht das Eis nach der Nachspielzeit am dem sechsten Eishockey Playoff-Halbfinalspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem SC Bern am Samstag, 7. April 2018, i ...
Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg

SC Bern ist gescheitert – Korrekturen mit der Nagelfeile, nicht mit dem Vorschlaghammer

Warum ist der Meister gescheitert? Auf den ersten Blick ist es eine «Zufallsentscheidung», auf den zweiten ein logischer Misserfolg.
08.04.2018, 04:1408.04.2018, 14:21
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Nichts fällt dem Chronisten leichter, als nach dem Scheitern eines Titanen zu polemisieren. Böse und boshaft zu sein. Die Fehler aufzulisten. Die Schuldigen zu benennen. Personelle Konsequenzen zu fordern. Die Hockeywelt in Gut und Böse, in Helden und Versager aufzuteilen. Da läuft die Arbeit, gewürzt mit Schadenfreude, wie von selbst.

Wenn der Meister von 2016 und 2017 im Halbfinale scheitert, müsste also dem Chronisten das Herz im Leibe hüpfen. Aber so ist es nicht. Das Scheitern der Berner ist zu komplex. Eine Schwarz-Weiss-Analyse wird der Sache nicht gerecht.

Scheitern mit stiller Ergebenheit

Hallenstadion, am Samstagabend nach 23.00 Uhr. Das Spiel ist längst aus. Die ZSC Lions haben in der Verlängerung gewonnen (3:2) und ziehen ins Finale ein.

Vor der SCB-Kabine. Niemand flucht. Niemand knallt eine Türe zu. Niemand zertrümmert einen Stock. Die Verlierer trotten schweigend und mit hängenden Köpfen in die Kabine. Draussen im Hallenstadion feiern die Fans immer noch den Finaleinzug.

Diese stille Ergebenheit hat mehrere Gründe. Erstens ist es ein Scheitern auf hohem Niveau. Der SCB hat gegen starke ZSC Lions denkbar knapp verloren. Dieses 6. Spiel stand nicht auf Messers Schneide. Eher schon auf der Schneide einer Rasierklinge. Am Ende fällt der Puck für die Zürcher. Er hätte in der Verlängerung geradeso gut für den SCB fallen können.

«Wir haben mehr Fehler gemacht und die Zürcher haben diese Fehler ausgenützt.»
Simon Moser, Captain SCB

Zweitens sind die Berner anständige, selbstkritische Verlierer. Nicht eine einzige Ausrede wird vorgebracht. Obwohl es einige gäbe. Captain Simon Moser sagt: «Wir haben mehr Fehler gemacht und die Zürcher haben diese Fehler ausgenützt.» Er nennt Mängel in der Defensivarbeit. Von zu wenig Energie (13 SCB-Stars hatten die olympische Zusatzbelastung in den Knochen) mag er nichts hören. «Wir hatten genug Energie.» Torhüter Leonardo Genoni geht mit sich selbst ins Gericht. Er sagt, auch er habe Fehler gemacht und wisse, was er ändern müsse. Er habe in einigen Szenen zu passiv gespielt und müsse aggressiver auf die Scheibe gehen.

Zuercher Reto Schaeppi, links, kaempft um den Puck gegen Bern Goalie Leonardo Genoni, rechts, im sechsten Eishockey Playoff-Halbfinalspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem SC Bern am ...
Der Zürcher Reto Schäppi kämpft gegen Goalie Leonardo Genoni um den Puck.Bild: KEYSTONE

SCB-General Marc Lüthi sagt, er gratuliere den ZSC Lions. «Nicht von ganzem Herzen. Das wäre gelogen. Ich bin sehr enttäuscht. Aber sie waren einfach besser als wir und das sollten wir anerkennen.»

Trainer Kari Jalonen hatte sich sofort nach der Schlusssirene zur ZSC-Spielerbank begeben, um ZSC-Coach Hans Kossmann zu gratulieren. Er wusste nicht einmal, wer eine Video-Nachprüfung wegen eines möglichen Offsides beim ZSC-Siegestreffer verlangt hatte («Coaches Challenge»). «Es war ja klar zu sehen, dass es kein Offside war.»

Kari Jalonen ist als Trainer unbestritten

Drittens gibt es keinen Grund zur Polemik. Es gibt keinen Sündenbock. Fehler haben alle gemacht, an der Niederlage haben alle ihren Anteil. Aber niemand hat spektakulär versagt und deshalb wird niemand zur Rechenschaft gezogen.

«Es ist nicht einfach, im Erfolg demütig zu bleiben.»
SCB-Trainer Kari Jalonen

Trainer Kari Jalonen (mit Vertrag bis 2020) ist im Amte unbestritten. Die Transfers sind gemacht, das Scheitern provoziert keine zusätzlichen Abgänge. Der verlorene Halbfinal hat also keine Folgen. Aber die Frage bleibt: Warum ist der SCB nach sieben gewonnenen Playoffserien, zwei Qualifikationssiegen und zwei Titeln nun gescheitert? Hat die Mannschaft am Ende gar ihren Zenit überschritten? Geht ein Zeitalter zu Ende?

Berns Topscorer Andrew Ebbett im fuenften Eishockey Playoff-Halbfinalspiel der National League zwischen dem SC Bern und den ZSC Lions, am Donnerstag, 5. April 2018, in der PostFinance Arena in Bern. ( ...
Lange Gesichter bei den Bernern. Hier Topscorer Andrew Ebbett.Bild: PPR

Nein. Der SCB wird auch nächste Saison wieder ein Titelanwärter sein. Der SCB ist letztlich auch das Opfer des eigenen Erfolges geworden. Zu viele Siege. Zu gute Zeiten. Vom Deutschen Dichter Wilhelm Müller stammt der Spruch: «Nichts ist dem Menschen schwerer zu tragen als die Last von guten Tagen». Kari Jalonen wird gefragt, ob der SCB in den letzten zwei Jahren zu viele Spiele gewonnen habe. Er sagt, dass dies einer von vielen Gründe für das Ausscheiden sein könne. «Es ist nicht einfach, im Erfolg demütig zu bleiben.» Deshalb ist es ja so schwierig, einen Titel zu verteidigen. «Nachladen» nach Erfolgen ist eine der grössten Herausforderungen für die Trainer.

Scheitern an einem Gegner auf Mission

Können wir den Spielern Vorwürfe machen? Nein. Sie sind an einem Gegner gescheitert, der sich auf einer Mission befindet. Zweimal hintereinander in den Viertelfinals gescheitert. Bloss ein 7. Platz in der Qualifikation. Plus ein Trainerwechsel. Die «Mission Wiedergutmachung» hat bei den Zürchern enorme Energien freigesetzt, die sie bis zum Titelgewinn tragen können.

Dass sich Spieler mit dieser Ausgangslage in einer denkbar knappen Serie gegen Spieler durchsetzen, die zwei Jahre lang nie mehr ein ernsthaftes Problem und nie eine Krise hatten, ist logisch. Die Situation der ZSC Lions ist durchaus vergleichbar mit jener der Berner, die im Frühjahr 2016 den Titel vom 8. Platz aus geholt hatten.

Oder hat Trainer Kari Jalonen die Stars zu stark forciert? Tatsächlich verteilte Hans Kossmann die Belastung besser auf vier Linien. Wer will, kann hinterher diese Kritik anbringen. Aber es gibt eben auch ein starkes Gegenargument: Die Stars sind Stars, weil sie mehr Eiszeit vertragen. Die Kritik kann auch ins Gegenteil verkehr werden: Kari Jalonen hätte die Stars noch stärker forcieren sollen.

Berns Trainer Kari Jalonen erteilt Anweisungen im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und dem HC Ambri-Piotta, am Samstag, 27. Januar 2018, in der PostFinance Arena  ...
Trainer Kari Jalonen im Einsatz.Bild: KEYSTONE

Oder war Leonardo Genoni nicht mehr gut genug? Er hat die beste Abwehrquote aller Playoff-Goalies (93,06 Prozent). Statistisch ist er gar besser als Lukas Flüeler (92,93 Prozent). Statistisch hat die Kritik also keine Grundlage. Aber es ist, wie es ist: Wir haben in einigen Phasen nicht den besten Leonardo Genoni gesehen. Trotzdem war er gut genug, um seiner Mannschaft in jedem Spiel den Sieg zu ermöglichen.

Der SCB-Torhüter sagt, er sei überrascht, mit wie viel Mut und Risikobereitschaft die Zürcher ihre schnellen Gegenangriffe geführt haben. Er spricht eine wichtige Qualität der Zürcher an: Dieser Mut, diese Risikobereitschaft ist typisch für Mannschaften, die nichts mehr zu verlieren, aber alles zu gewinnen haben. Mannschaften eben, die auf einer Mission sind.

An den eigenen Fehlern gescheitert

Der SC Bern ist an der Summe der eigenen Fehler gescheitert. Aber wir können auch sagen: Der SCB ist an der Summe der Stärken des Gegners zerbrochen. Die Berner hätten nur dann diese Serie gewinnen können, wenn sie von der ersten bis zur letzten Minute ihr bestes Hockey gespielt hätten. Seit dem Titelgewinn von 2016 unter Lars Leuenberger hat der SCB nie mehr gegen einen so starken nationalen Gegner gespielt wie gegen diese ZSC Lions.

Was nun? Nichts. Nichts? Ja, nichts. Beim SCB muss und wird sich nichts ändern. Trainer Kari Jalonen wird nun in akribischer Detailarbeit das ganze SCB-Spiel in alle Einzelteile zerlegen, wieder zusammenbauen und da und dort ein «Finetuning» vornehmen. Er wird künftig hie und da die Schraube noch ein bisschen mehr anziehen. Er wird noch fordernder, noch konsequenter sein.

Aber der SCB hat eine gute Leistungskultur. Die Korrekturen können mit der Nagelfeile vorgenommen werden. Es braucht nicht den Vorschlaghammer.

So sah es aus, als der SCB 2017 Schweizer Meister wurde:

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90 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sloping
08.04.2018 05:31registriert Oktober 2014
Es muss für einige Schreiberlinge hier wie eine Höchststrafe anmuten. Die unaufhaltsame Hockeymaschine geht in der Multifunktionshalle zu Hipsterville auf Grundeis. Unter den Palmen von Oerlikon! Pizza Pestoni sah dem Treiben aus der ersten Reihe zu wie die finnische Mafia um General Kari von Brockenhaus Hans eiskalt ausgecoacht wurde. Der Tripple Trophäenschrank wird eine weitere Saison von Marc Aurel und Tikkanen abgestaubt. Das schon gravierte Schild "Hockeyhauptstadt Europas" definitiv eingestampft und das von Marc Lüthi für Spiel 7 organisierte Züri Geschnetzelte geht an die Caritas.
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dirtyharry
08.04.2018 06:05registriert März 2018
Anstandshalber wäre ja zuerst eine Würdigung des Siegers angebracht gewesen. (Folgt vielleicht noch...mit vermutlich vielen Seitenhieben, wie gut der SCB eben doch ist...) Wie immer bei KZ, erstmal nur SCB. Zitat:"Das Scheitern der Berner ist zu komplex...". Ahja, kann im Sport vorkommen und nennt sich Momentum. Der Einzige der sofort gratuliert war der Trainer des SCB, Respekt.
4 Super Teams und 2 tolle Halbfinale. Liga was willst du mehr?
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N. Y. P. D.
08.04.2018 07:32registriert Oktober 2015
Ist Eishockey zu 70% Kopfsache ?

Biel war unantastbar bis zum Spiel 3. Genauer gesagt bis zum Earl - Zwischenfall. Die darauffolgende Strafenflut brachte die Niederlage. Das Momentum brachte Lugano das Selbstvertrauen zurück. Und gestern ging der EHC Biel unter gegen Luganesi, die unantastbar waren, in ihrem Selbstvertrauen.

So krass wie in dieser Serie, habe ich es noch nie erlebt, was das Mentale um Eishockey ausmachen kann.

P.S. Viele geile Serien haben wir erlebt. Das Schweizer Eishockey lebt.
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