Platz 2 in der Qualifikation und gegen Ambri erstmals seit 2009 (4:0 gegen die ZSC Lions) ohne Niederlage in den Halbfinals: Eine gute Bilanz für Gottéron. Aber auf den ersten Blick keine, die einen Gedanken an einen Titelgewinn befeuert. Und doch: Bei einem zweiten Blick erkennen wir: Es ist das playofftauglichste Gottéron aller Zeiten. So wäre Gottéron vor einem Jahr Meister geworden.
Die Mannschaft war im letzten Jahrhundert spielerisch während der «russischen Flugjahre» mit Slawa Bykow und Andrej Chomutow viel besser. Sie spielte auch letzte Saison spektakulärer vorwärts. Aber Gottéron hat im letzten Frühjahr erneut die Balance zwischen Offensive und Defensive, zwischen Leidenschaft und taktischer Geduld, zwischen Emotionen und taktischer Disziplin nicht gefunden. So wie in den 1990er Jahren in den Finals gegen Bern und Kloten und so wie zuletzt erneut gegen den SCB.
Wenn das Ziel der Titel ist, dann hat die Qualifikation eine ganz besondere Bedeutung: Es sind 50 Partien um das Spiel so zu justieren, dass in den Playoffs ein Optimum herausgeholt werden kann. Eine Form ist zwar nicht planbar. Selbst die besten Trainer verzweifeln immer wieder an dieser Aufgabe. Aber Gottérons Trainer Hans Kossmann hat nach dem finalen Scheitern die Konsequenzen gezogen und nicht einfach weiter gemacht wie bisher.
Er hat im Laufe der Qualifikation alles Menschenmögliche vorgekehrt um sein Team für die entscheidende Phase besser, um es playofftauglicher zu machen. Deshalb hat Gottéron diese Saison noch nie restlos begeistert. In eine Krise geriet die Mannschaft trotzdem nicht und die Playoff-Qualifikation stand mit dem 2. Rang nie in Frage. Wenn wir sehen, wie es Meister SCB ergangen ist, dann ist dieser zweite Platz keine Selbstverständlichkeit.
Hans Kossmann hat viel experimentiert. Nicht nur, weil ihn Verletzungspech zum Umstellen zwang. Er hat zwischendurch die schon beinahe legendäre erste Linie (Plüss, Bykow, Sprunger) auseinandergenommen. Die Ausländerpositionen mit Niklas Hagmann und Milan Jurcina ergänzt. Romain Loeffel bei Servette für Jeremy Kamerzin und John Fritsche eingetauscht und so die Kadertiefe vergrössert.
Nun hat Gottéron in den Viertelfinals gegen Ambri so gespielt wie oft in der Qualifikation. Nicht unwiderstehlich. Aber realistisch. Und viermal hintereinander gewonnen. Dass dieses Team nach wie vor Reserven hat, ist offensichtlich. Keiner der Schlüsselspieler ist in Höchstform. Aber jeder spielte gut genug, um eine Playoff-Pflichtaufgabe zu erfüllen. Gottéron mahnt mit seinem neuen taktischen Realismus durchaus an den meisterlichen SCB.
Gottéron wird im Halbfinale auf die Kloten Flyers oder Servette treffen und trotz besserer Klassierung in der Qualifikation Aussenseiter sein. Aber es ist die Rolle, die diesem Team besser behagt: Gottéron ist in diesem Titelkampf bloss ein heimlicher, stiller und leiser Favorit. So heimlich, still und leise, dass diesmal der Fluch des Drachen die Mannschaft vielleicht nicht ereilt.
Wir können sagen: Wenn Gottéron in diesem Frühjahr nicht Meister werden kann – wann dann? Der Fluch des Drachen ist eine alte Sage, die eben doch ihre Bedeutung hat: Einst hauste dieses Untier in der Galternschlucht (Galtern = Gottéron). Es gelang, den Drachen zu bannen. Aber die leichtsinnigen Hockeyspieler haben das Biest wieder befreit indem sie es als Symbol auf dem Leibchen tragen. Deshalb sind sie bisher in jedem Titelkampf vom Fluch des Drachen ereilt worden – sogar zu den Zeiten von Slawa Bykow.
Zwei der drei anderen Viertelfinals sind entschieden und Aberglaube ist nicht im Spiel. Die ZSC Lions werden sich wie erwartet gegen Lausanne durchsetzen und daran hätte auch ein Sieg von Lausanne im zweiten Spiel (und eine Führung mit 2:0-Siegen) nichts geändert.
Warum Lugano gegen Servette scheitern wird, sagen uns drei Schlüsselzahlen: Servette ist im Durchschnitt grösser (185 cm gegen Luganos 182 cm), schwerer bzw. kräftiger (89 kg gegen Luganos 82 kg) und die Abwehrquote von Tobias Stephan (96,18 Prozent) ist viel besser als die von Daniel Manzato (91,21 Prozent).
Offen ist nur noch die Serie zwischen den Kloten Flyers und dem HCD. Mit ziemlicher Sicherheit wird sich im Rückblick zeigen, dass die vierte Partie, der gestrige 3:0-Sieg, das wichtigste Spiel war.
Die Kloten Flyers sind taktisch so gut, dass sie ohne Martin Gerber «zu null» siegen können. Der HCD ist hingegen noch nicht so gut, dass er ohne die alten Helden (ohne Reto von Arx) eine Playoffserie gewinnen kann. Wenn er auch am Donnerstag und am Samstag fehlen sollte, verliert Davos dieses Viertelfinale bereits nach sechs Spielen.