Spengler Cup-Eishockey wie im letzten Jahrhundert? Ja, so war es früher. In der guten alten Zeit. Als die Coaches das Eishockey noch nicht in jede Einzelheit zerlegt, wissenschaftlich analysiert, wieder zusammengesetzt und taktisch geordnet hatten. Eishockey, nicht nach taktischen Lehrbüchern gespielt sondern freihändig, instinktiv, wild, emotional, offensiv.
Die taktische Ordnung, die wir im Nachmittagsspiel bewundert hatten, gab es in der Abendpartie zwischen Servette und Team Canada nicht mehr. Die Kanadier kamen nach einem 0:5 beinahe aus dem Jenseits der Niederlage zurück. Ja, sie standen nach den Anschlusstreffern zum 4:5 und 5:6 vor dem grössten Comeback seit Lazarus.
Aber Servette brachte das 6:5 eigentlich entgegen aller Logik doch über die Zeit und Torhüter Janick Schwendener (22) hat wohl auch seine Karriere gerettet: Hätte der letztjährige HCD-Ersatzgoalie dieses Spiel nach einer 5:0 und 6:4-Führung noch verloren, dann hätte er den Schwefelgeruch einer solchen sensationellen Niederlage fast nicht mehr aus den Kleidern gebracht.
Die Erinnerungen hätten ihn wohl immer wieder eingeholt, und er hätte sich den Ruf eingehandelt, mental zerbrechlich zu sein wie ein billiges Plastik-Spielzeug. Doch er hat dem immensen Druck standgehalten. So geht er als Held in die Spengler Cup Geschichte ein. Als Goalie, der Servette ins Finale gehext hat. Jetzt gilt er als mental unzerstörbar. Es gibt solche dramatischen Spiele, die über die Karriere eines Spielers entscheiden können.
Aber uns interessiert noch etwas anderes. Team Canada gegen Servette war auch das Duell zweier charismatischen kanadischen Bandengeneräle. Chris McSorley (Servette) und Guy Boucher (temporär Team Canada, sonst SC Bern).
35 Sekunden vor Schluss gingen bei den Kanadiern die Lichter aus. Sie kassierten eine Bankstrafe. Was nichts anderes bedeutet als eine Strafe für chaotische Zustände auf der Spielerbank der Kanadier.
Wir dürfen also behaupten: Chris McSorley hatte seine Jungs in diesem grossen Durcheinander, im finalen Chaos, in diesem Spiel, das uns zeitweise so etwas wie das Ende aller taktischen Lehren bescherte, ein bisschen besser im Griff als Guy Boucher. Was, wenn es ihm in den Playoffs gegen den SC Bern gelingen sollte, erneut ein solches Chaos zu provozieren? Nun, ein Viertelfinale oder ein Halbfinale zwischen Servette und dem SC Bern ist möglich. Ein solches Chaos können wir aber je nach Sichtweise gottseidank oder leider ausschliessen.
Nun steht Servette zum zweiten Mal hintereinander im Finale. Vor einem Jahr besiegten die Genfer im Finale ZSKA-Moskau 5:3. Aber nun wäre ein Sieg gegen Ufa ein Hockeywunder. Aber vielleicht gelingt es ja Chris McSorley, seine Mannschaft fürs Finale wieder zu ordnen. Dann ist eine Sensation möglich. Wenn nicht, dann könnte es eine Rekordniederlage absetzen. Was wir aus dem Halbfinal-Tag auch gelernt haben: Es ist besser, beim Spengler Cup keine Prognose zu wagen.