Der kanadische Coach Jeff Tomlinson will die letzte Chance auf den Turniersieg wahren. Kurz vor Schluss nimmt er nach 58:59 Minuten den Torhüter beim Stande von 1:1 vom Eis, um den Sieg vor Ablauf der 60 Minuten zu erzwingen. Dino Wieser trifft 48,1 Sekunden vor dem Ende ins leere Gehäuse zum 2:1, machte so Deutschland vorzeitig zum Turniersieger und wird hinterher auch zum besten Spieler gewählt – eine Ehre, die dem starken Debütanten Sandro Zurkirchen gebührt hätte.
Ohne dieses Hasardspiel hätten wir gegen dieses kanadische Operetten-Team nicht gewonnen. Es ist der glücklichste Länderspielsieg in der Geschichte unseres Eishockeys, die offiziell im Jahre 1908 begonnen hat.
Wenigstens haben wir Glück. Dieser wundersame Sieg gegen Kanada ist ein Aufsteller im richtigen Moment. Glen Hanlon hat es nämlich nicht leicht in seinem neuen Amt. Seine ersten Arbeitstage sind beim Deutschland Cup geprägt von einer schwierigen Suche nach einer Identität.
Wer und was sind wir nach Ralph Krueger und Sean Simpson? Diese Frage lässt sich nach dem zweiten Länderspiel unter dem neuen Nationaltrainer noch nicht beantworten. Auch der Sieg gegen die Kanadier gibt uns auf diese Frage keine Antwort. Denn es ist ein kurioser, geschenkter Sieg.
Gegenüber dem schwachen Spiel vom Vortag gegen Deutschland (1:3) war nur eine ganz leichte Steigerung ersichtlich. Auch wenn Glen Hanlson nach der Partie sagte, es sei ein anderes Spiel gewesen als gegen Deutschland und seine Spieler hätten sich gesteigert - eine starke, heftige Reaktion auf die Niederlage gegen Deutschland war es nicht. Erneut hatte der Gegner mehr Torschüsse und Torchancen, erneut mussten wir uns in der Schlussphase dominieren lassen.
Immerhin hat diese Partie gegen Kanada einen Helden hervorgebracht. Torhüter Sandro Zurkirchen (Ambri). Eigentlich hätte er erst am Sonntag gegen die Slowaken spielen sollen. Aber beim Einlaufen vor der Kanada-Partie zwickte es Daniel Manzato im rechten Knie und er verzichtete auf einen Einsatz.
So ist Sandro Zurkirchen überraschend vorzeitig zum ersten Länderspiel gekommen. Der ruhige Blocker überzeugte mit einer fehlerlosen Leistung: Kaum Abpraller, exzellentes Stellungspiel und wache Reflexe. Er wird auch gegen die Slowakei im Tor stehen. Für Daniel Manzato ist Tim Wolf (Lakers) als Ersatzgoalie nachnominiert worden.
Früher wussten wir, wer und was wir sind. In den besten Zeiten unter Ralph Krueger und unter Sean Simpson hätten die Schweizer in einem weissen Leibchen ohne jeden Aufdruck spielen können und wären trotzdem sofort als Schweizer erkannt worden. Weil die Mannschaft ihren ganz besonderen Stil hatte. Unabhängig davon, welche Spieler für die Nationalmannschaft zur Verfügung standen.
Unter Ralph Krueger war es die exzellente Defensiv-Organisation, die selbst den Spielfluss der besten Gegner zum Stillstand brachte. Unter Sean Simpson war es der aggressive, leidenschaftliche Ausbruch aus diesem taktischen Reduit.
Von all diesen Herrlichkeiten ist bisher beim Deutschland Cup in den Partien gegen Deutschland (1:3) und Kanada (2:1) fast nichts mehr zu sehen. Glen Hanlon und sein Sportdirektor Ueli Schwarz haben das Bild vom Neubeginn auf einem weissen Blatt gemalt. Dieses Blatt ist nach zwei Partien immer noch weiss.
Es ist noch nicht ersichtlich, was der freundliche kanadische Opportunist Glen Hanlon eigentlich will. Er sagt ja auch, es gebe für ihn noch kein Motto. Er ist mehr Verwalter als Gestalter. Aber vielleicht ist der geschenkte, kuriose Sieg gegen Kanada ein gutes Omen. Ein Zeichen, dass Glen Hanlon dereinst nicht als grosser Taktiker, aber dafür als grösster Glückspilz, sozusagen als Maskottchen, in die Ahnengallerie unserer Nationaltrainer eingehen wird.