Selten waren die Voraussetzungen für einen «Feuerwehr-Trainer» so gut wie für den grossen Beruhiger Gerd Zenhäusern. Er hat eine taktisch gut geschulte Mannschaft übernommen. Wenn es ihm gelingt, die Emotionen, die Leidenschaft, den «heiligen Zorn» wieder zu entfachten und das Goalie-Problem zu lösen, dann ist es möglich, die Playoffs doch noch zu schaffen. Neue taktische Geleise muss er nicht mehr legen. Die Parallelen zum «Fall Lausanne» sind nicht zu übersehen.
Im ersten Spiel der Saison hatte Gottéron die ZSC Lions auf eigenem Eis 4:3 noch unter dem Kommando von Hans Kossmann besiegt. Aber so schnell kann es gehen. Am Montag, 16 Spiele später, hatten die Zürcher 38 Punkte auf ihrem Konto und Gottéron gerade mal 11. Diese Zahlen zeigen, dass der Sieg am Montag (3:2 n.V.) in Zürich ein grosser Sieg ist. Vielleicht sogar die Wende.
War es ein schwacher ZSC? Nein, es war lediglich ein «November-ZSC». Sehr oft kommt mit dem Nebel, den kürzeren Tagen und der Umstellung auf die Winterzeit der erste Blues bei den Titanen. Nicht eine Krise. Aber eine gewisse Müdigkeit. Eher in den Köpfen als in den Beinen. Insbesondere Teams, die ein schnelles, intensives und präzises Hockey spielen, lassen Ende Oktober, Anfang November und dann noch einmal ab Mitte Januar vorübergehend nach, spielen gewöhnliches Hockey.
Ein bisschen weniger intensiv, ein bisschen weniger schnell, ein bisschen weniger konzentriert. Es spielt auch keine Rolle. Es zeichnet sich ja bereits ab, dass die Playoffs auf jeden Fall erreicht werden. Das genügt bereits, um ein Opfer eines leidenschaftlichen Gegners zu werden, der um eben diese Playoffs bereits im Oktober oder November kämpfen muss.
Genau so war es am Montagabend im Hallenstadion. Die ZSC Lions spielten dieses «November-Hockey» und verloren gegen ein Gottéron, das jetzt schon zur Sache gehen muss als sei hohe Playoff-Zeit. Hinzu kam in dieser Partie ein überaus cleveres Coaching von Gerd Zenhäusern. Er verzögerte immer wieder schlau die Wechsel. Ein legales Mittel, um den Rhythmus eines spielerisch besseren Gegners zu brechen und Tempo aus dem Spiel zu nehmen.
Hinterher wird er bestätigen, dass genau dies seine Strategie war. «Sonst hätten wir als nominell schwächere Mannschaft keine Chance gehabt. Wir können den ZSC nicht mit Tempo herausfordern.» Das können nur Davos, Lugano und der SC Bern.
Die Wirkung des Trainerwechsels ist unübersehbar. Gottérons Leidenschaft ist zurück. Die taktische Schlachtordnung ist nicht anders als unter Zenhäuserns Vorgänger Hans Kossmann. Bloss steht jetzt das System wieder unter Strom. Selbst Topskorer Julien Sprunger hilft hinten aus.
Ein gelungener Schachzug des Trainers hat auch das Offensivspiel befeuert: Gerd Zenhäusern lässt den alten, aber schlauen Christian Dubé als Ersatz für den verletzten Andrej Bykow neben Tormaschine Julien Sprunger als Center laufen.
Auch neben dem Eis sind die Emotionen zurück. Präsident Charles Phillot steht nach dem Sieg in Zürich neben dem Eingang zur Kabine. Seine Helden kehren vom Eis zurück und jedem gratuliert er mit Handschlag. Torhüter Melvin Nyffeler hätte er beinahe umarmt. Dann geht die Türe zu noch durch Holz und Beton ist eine kurze, feurige Ansprache des grossen Vorsitzenden zu hören.
Diese Nähe des Präsidenten zu den Spielern ist heikel und erleichtert dem Trainer die Arbeit nicht. Aber das ist eben die Kultur Gottérons. Gottéron ist in seiner ganzen NLA-Geschichte halt meistens vom Präsident an der Front und nicht diskret vom Büro aus geführt worden. Es sind Präsidenten, die im medialen Sonnenlicht keine Angst vor einem Sonnenbrand haben. Sag mir wie Gottérons Vorsitzender nach dem Spiel leibt und lebt und ich sage dir wie es um Gottéron steht.
Es gibt nun vielversprechende Parallelen zum «Fall Lausanne». Gerd Zenhäusern hat am 22. Oktober 2012 in Lausanne das Team von seinem gefeuerten John van Boxmeer auf dem 7. Platz übernommen und im Frühjahr 2013 in die NLA zurückgeführt. Jetzt ist er in Fribourg wieder im Oktober Nachfolger eines grantigen Chefs geworden. «Es gibt Ähnlichkeiten», sagt Zenhäusern. «Damals in Lausanne und jetzt in Fribourg hatte der Trainer die Spieler nicht mehr erreicht.»
Gerd Zenhäusern ist der perfekte Nachfolger eines «bösen» Trainers. Er ist im Wesen und Wirken ein Beruhiger. Hockeyspieler mögen nach aussen raue Kerle sein. Aber das Selbstvertrauen ist oft zerbrechlich wie ein billiges Plastikspielzeug und die Verunsicherung ist näher als man denkt. Bei einem grantigen Cheftrainer kommt einmal der «Peak des Tobens»: Der Punkt von dem an jedes laute Wort nicht mehr eine anspornende sondern nur noch eine destruktive Wirkung erzielt. Bis die Spieler nicht mehr zuhören. Diesen «Peak des Tobens» hatte damals John van Boxmeer in Lausanne erreicht. Und nun Hans Kossmann in Fribourg.
Gerd Zenhäusern kann zuhören. Er ist ein Spielerversteher. Für ihn gilt das Klischee «Sanft in der Art, hart in der Tat»: Sein sanftes Auftreten täuscht darüber hinweg, wie konsequent und zielstrebig er sein kann. Und darüber hinaus ist er ein guter taktischer Stratege. Wie er soeben beim Sieg in Zürich bewiesen hat.
Gottéron hat zehn Punkte Rückstand auf den 8. und letzten Playoffplatz. Dieser Rückstand kann aufgeholt werden. Zug hat einmal sogar 13 Punkte noch wettgemacht. Im Selbstverständnis des wahren Gottéron, so wie wir es am Montag in Zürich gesehen haben, gilt: Zehn Punkte Rückstand – na und?