Sag das doch deinen Freunden!
Eigentlich steht Lugano als Beispiel dafür, dass ein Trainerwechsel nicht hilft. Kein anderer Klub ausserhalb der NHL hat in diesem Jahrhundert so oft Trainer geheuert und gefeuert wie Lugano.
Seit der letzten Meistersaison 2005/06 haben 15 Trainer in Lugano gearbeitet: Larry Huras, Harold Kreis, Ivano Zanatta, Ruben Fontana, John Slettvoll, Kent Ruhnke, Hannu Virta, Philippe Bozon, Kent Johansson, Greg Irland, Mike McNamara, Barry Smith, erneut Larry Huras, Patrick Fischer, Christian Wohlwend – Trainer aus Italien, Finnland, Frankreich, Schweden, Kanada, den USA und der Schweiz, einer davon (Larry Huras) mit zweimaligem Gastspiel. Die Aufzählung ist ohne Gewähr, vielleicht hat der Chronist in diesem regen Verkehr ja noch einen vergessen.
Die einen blieben für ein, zwei Spiele (Fontana, Wohlwend), andere hielten sich eine Saison oder länger (Zanatta, Fischer). Sie waren Stanley-Cup-Sieger (Smith), mehrfache Schweizer Meister (Ruhnke, Huras), Legenden (Slettvoll) oder manchmal noch weitgehend unbekannt (Wohlwend, Ireland, heute Cheftrainer in Mannheim).
Nicht alle sind gefeuert worden. Einer (Smith) ist freiwillig gegangen. Aber jeder von ihnen ist an der offensichtlich unlösbaren Aufgabe gescheitert: Lugano wieder zum Spitzenteam zu machen.
Nun steht Doug Shedden in Lugano an der Bande. Er debütierte am 30. Oktober 2015 gegen die SCL Tigers mit einem 4:2-Sieg. Inzwischen hat er 16 von 20 Partien gewonnen.
Lugano ist seit Sheddens Amtsübernahme das beste Team der Liga. Ein Trainerwechsel mit durchschlagender Wirkung. Patrick Fischer hatte zuvor nur vier von 15 Spielen gewonnen. War also Doug Sheddens Vorgänger (jetzt unser Nationaltrainer) ein Versager?
Tatsächlich ist Patrick Fischer (40) in Lugano arg kritisiert worden. Zweimal hintereinander scheiterte er bereits in den Viertelfinals an Servette. Einer der Stars im Team sagte über ihn kurz und bündig: «He has no clue.» («Er hat keine Ahnung»).
Dieses harte Urteil hatte seine Richtigkeit. Patrick Fischer fehlte die Erfahrung, um das Spiel dieses hochtalentierten Teams zu strukturieren. Und doch greift die Kritik zu kurz. Die Verdienste des aktuellen Nationaltrainers an der Renaissance der teuersten Mannschaft ausserhalb der NHL und der KHL sind nicht hoch genug einzuschätzen. Er hatte erkannt, dass es eine Revolution braucht. Einen Neuanfang. Eine andere Mentalität.
Präsidentin Vicky Mantegazza unterstützte diese Revolution und verlängerte den Vertrag noch kurz vor dieser Saison demonstrativ bis ins Jahr 2018. Tatsächlich erreichte Fischer in der Qualifikation mit einem 5. und einem 3. Schlussrang 2014 und 2015 die besten Klassierungen seit 2008. Aber in den Play-offs scheiterte er an Chris McSorley. Einem der cleversten Coaches ausserhalb der NHL. Er war an seine Grenzen gestossen.
Aber es gab kein Zerwürfnis zwischen den Spielern und dem Trainer, wie es bei klassischen Trainerentlassungen oft der Fall ist. Captain Steve Hirschi, schon im letzten Meisterteam von 2006 ein Leitwolf, sagt dazu: «Wir suchten gemeinsam mit unserem Trainer einen Weg und wir wollten mit ihm aus der Krise kommen. Aber es ist uns nicht gelungen.» Er kann gut erklären, was unter Doug Shedden anders geworden ist. «Er hat das Spiel vereinfacht. Jeder weiss, was er in bestimmten Situationen zu tun hat.»
Der neue Trainer hat also die Revolution, die Patrick Fischer angezettelt hat, bloss geordnet. Ohne dass dabei die Spielfreude verloren gegangen und die Kreativität zu sehr eingeschränkt worden ist. Es ist die Balance zwischen taktischen Freiheiten und taktischer Disziplin, die bei so vielen so talentierten Spielern so schwierig zu finden ist. Der Trainerwechsel ist wirkungsvoll, weil dadurch nicht ein Bruch und vollständiger Neuanfang provoziert worden ist. Sondern eine positive Entwicklung unter neuem Kommando weiter vorangetrieben wird.
Doug Shedden ist des Lobes voll über seine Jungs und seinen neuen Arbeitsplatz. Zwar rühmen alle Kanadier den Klub, bei dem sie gerade arbeiten. Aber bei Luganos neuem Bandengeneral ist die Begeisterung echt. Er weiss das Talent seiner Mannschaft zu schätzen und die tollen Arbeitsbedingungen im Kalifornien der Schweiz auch. Er hat gute Voraussetzungen, um als erster Coach seit 2006 in Lugano erfolgreich zu sein.
Da ist einmal die veränderte Mentalität, die Einsicht, dass sich etwas ändern muss als Erbe von Patrick Fischer. Und mit Doug Shedden hat Lugano endlich einen Coach mit viel Selbstironie und Sinn für Humor, ohne dabei zum Clown zu werden. Einer, der besser als die meisten seiner Vorgänger versteht, dass Eishockey ein Teil der Unterhaltungs-Industrie ist, seine Autorität mit der richtigen Prise Lockerheit zu versüssen versteht und sagt: «Wir sind da, um die Leute zu unterhalten.»
Dieser Spassfaktor ist in Lugano nach Jahren mit vielen Hockey-Puritanern wie John Slettvoll, Kent Johansson, Barry Smith oder Hannu Virta verloren gegangen. Zum ersten Mal hat Shedden in der NLA eine Mannschaft, die gut genug ist, um den Titel zu holen. Erstmals kann der Kanadier in Europa eine Meisterschaft gewinnen. Und Lugano hat nach einem Jahrzehnt Irrungen und Wirrungen endlich den Trainer gefunden, der den nächsten Titelgewinn seit 2006 möglich macht.
Der HC Lugano steht auf einmal als Beispiel da, welch segensreiche Wirkung ein Trainerwechsel haben kann.
Die Ausgangslage war dort praktisch dieselbe.
Pelletier und Fischer haben eben doch gut gearbeitet. Aber irgendwie hats einfach nicht (mehr) geklappt.
Und dann brauchts so wenig!!!
Shedden und Kossmann haben beide eine intakte Mannschaft übernommen und mussten "nur" rechten Zeit am rechten Ort die richtigen Worte wählen!
Man könnte den Artikel fast übernehmen und einfach statt Lugano Ambri schreiben, statt Shedden Kossmann mit statt Fischer Pelletier.