Glückselig intonieren die Oltner Fans schunkelnd das alte Berner Mundartlied «Es Burebüebli mahn i nit, das gseht me mir wohl a, juhe».
Sie verhöhnen die Langenthaler, die aus ihrer Weltsicht Bauerntölpel sind. Obwohl der Industriestandort und Werkplatz Langenthal mit ziemlicher Sicherheit leistungsfähiger sein dürfte als die Eisenbahnerstadt Olten.
Der eigenwillige junge Mann, dem die Oltner ihre siegestrunkene Glückseligkeit verdanken, ist der einzige gelernte Landwirt unter den Profis in den beiden höchsten Ligen. Der letzte echte Bauer unseres Hockeys.
Lukas Haas stammt aus Langnau, dem Herzen des bäuerlichen Gotthelflandes. Er ist diplomierter Landwirt und ein hoch angesehener und weitherum berühmter Schafzüchter. Und ausgerechnet seine Fans singen, dass sie die Söhne der Scholle nicht mögen.
Die Oltner verdanken ihren Sieg zu einem grossen Teil Lukas Haas. Einen Tag nach seinem 31. Geburtstag gelingt ihm der erste Hattrick seiner Profikarriere, die nun auch schon über 600 Partien in den beiden höchsten Ligen andauert. «Ich kann mich nicht an drei Tore in einem Spiel erinnern, wahrscheinlich ist mir dieses Kunststück irgendeinmal als Bambini oder Mini gelungen.»
Schon erstaunlich, dass es Heinz Ehlers in Langnau nicht gelungen ist, diesen hochtalentierten Flügel ins Team zu integrieren. Der Schelm, der vermutet, dass dieser eigenwillige Bauer, der die Haare lang in der Art der Rockstars trägt eher noch sturer sein kann als Langnaus Erfolgstrainer kommt wohl der Wahrheit nahe.
So kommt es, dass Lukas Haas im Laufe der letzten Saison nach Olten abgeschoben worden ist und nun als Captain und Leitwolf die Mannschaft führt.
Das bäuerliche Schmählied nimmt er mit Humor. «So ist es eben in einem Derby.» In der Tat gibt es höchstens noch beim Tessiner Derby eine ähnliche Stimmung wie in Olten, wenn der Erzrivale aus Langenthal kommt. Olten als Flachland-Ambri. «Wir gehören in die höchste Liga» sagt Lukas Haas. «Wir haben hier alles.» Er wolle es noch einmal in der obersten Spielklasse versuchen. Aber er strebe nicht nach einem Transfer zu einem NL-Team. «Ich will mit Olten zurück nach oben»
Nun, soweit ist es noch nicht. Lukas Haas war eigentlich ein Spielverfälscher. Er stellte mit seinen Treffern zum 1:0, 2:0 und 4:2 den Spielverlauf sozusagen auf den Kopf.
Nach allen gängigen Lehren hätten die Langenthaler mit ihrem hochentwickelten «Designerhockey» diese Partie gewinnen müssen. Darauf weist schon die unpolemische Schussstatistik hin. Mit 15:8 Abschlussversuchen dominierten sie das erste Drittel – und lagen 0:2 zurück.
Später wird der Ausgleich zwar gelingen. Und doch kommt es nicht zur Wende. Die spielerisch-läuferisch-taktisch überlegenen Langenthaler sind in Anlehnung an ihre kultige Arena als «Schoren-Jets» zu bezeichnen.
Sie fliegen phasenweise übers Eis und den Oltnern immer und immer wieder um die Ohren. Ihre tosenden, sausende und brausende Angriffe werden durch die Rückkehr von Captain Stefan Tschannen zusätzlich befeuert.
Aber auf den letzten Meter scheitern sie. Am unkonventionellen Stilisten Simon Rytz. Oder an einem Schlittschuh oder Körperteil oder Stock eines Oltners.
Der Frust verkürzt die Zündschnüre. Die entscheidenden Treffer zum 3:2 und 4:2 fallen, als berühmte Langenthaler auf der Strafbank schmoren, weil sie mit dem Stock nicht gespielt, sondern ihre Gegenspieler geschlagen haben. Dario Kummer ist mit fünf Minuten und Restausschluss belegt worden, Pascal Pelletier mit zwei Minuten. Insgesamt vier Treffer erzielen die Oltner im Überzahlspiel und der 6. Und den letzten noch ins unbewachte, vom Goalie verlassene Tor.
Am Ende ist es ein Triumph des Willens und der Leidenschaft über Tempo und Technik. «Traktor Olten» ist die treffende Bezeichnung für eine Mannschaft, die bei fünf-gegen-fünf kaum je eine Kombination über mehr als zwei Stationen auf die Reihe bringt.
Aber die Oltner sind mutig, robust und zäh. Sie spielen rau und mit enormer Intensität. Sie sind einfach nicht unterzukriegen.
Am Ende zermürben sie die Langenthaler. Es ist phasenweise die Fortsetzung des Eishockeys mit anderen Mitteln – so wie es in den Playoffs sein soll.
Vielleicht ist es ja ein Vorteil, dass bei den Oltnern spielerisch so wenig zusammenpasst. So wird im Powerplay nicht der perfekte Abschluss angestrebt (wie es die Langenthaler tun), sondern bei der ersten guten Gelegenheit draufgehauen. Die Direktschüsse von Lukas Haas sind dem tapferen Philip Wüthrich wie Blitze ins Netz gefahren.
«Traktor Olten» walzt Richtung Finale. Vielleicht sollten wir uns bei einer Beurteilung dieser Serie nicht zu sehr mit den spielerischen Mitteln befassen. Da ist noch etwas anderes: die Oltner sind auf einer Mission. Seit 1993 haben sie nie mehr irgendetwas gewonnen. Nun soll, nun muss der Pokal für den B-Meister her. Unbedingt.
Die Langenthaler waren zuletzt 2012 und 2016 Meister. Sie haben in den letzten Jahren reichlich aus dem Füllhorn des Ruhmes getrunken. Wenn es nun nicht reicht – dann in Gottes Namen halt.
Aber sie werden sich noch einmal aufraffen, um zu verhindern, dass ausgerechnet die Oltner die Gelegenheit bekommen, um Titel und Aufstieg zu spielen.
Das grosse Playoff-Drama wird in diesen Tagen in Olten und Langenthal aufgeführt.
Im Gegensatz zum langweiligen 5-4 n.V. zwischen La Chaux-de-Fonds und Thurgau. Dort träumen die Fans auch von einem Bauern-Derby. Aber man kann halt nicht alles haben.